Der richtige Ton
20.06.2016
Für die Erweiterung des dänischen Keramikmuseums planten Kjaer og Richter unterirdische Ausstellungsflächen und einen Neubau mit changierenden Ziegeln von Petersen Tegl.
Der Geist des Ortes – und dessen Mauersteine
Einen Mauerstein zu finden, der in Textur und Farbe mit dem viele hundert Jahre alten und verschiedenartigen Mauerwerk in Lübeck harmonieren würde, war eine große Herausforderung bei der Planung des neuen Europäischen Hansemuseums.
Die 95 Meter lange und 11,5 Meter hohe monolithische Fassade des Neubaus zeichnet sich durch kraftvolle, einfache Formen aus, welche bauliche Zitate der ursprünglichen Stadtmauer Lübecks enthält. Moderne Linien und Charakteristika lassen jedoch keinen Zweifel aufkommen – hier handelt es sich um ein neues Gebäude. Der markante Baukörper folgt der schwachen Krümmung der Straße und bildet im Bereich der zentralen Treppe einen erweiterten städtischen Raum aus. Diese öffentliche Treppe erschließt den Museumsneubau und ist gleichzeitig Durchgang zum Burgkloster sowie zu den oberhalb des Neubaus gelegenen museal aufbereiten Außenanlagen. Die Dachterrasse bietet Bürgern und Besuchern einen weiten Blick über das Hafenareal.
Im Nordosten schließt der Museumsbau mit einem Hochpunkt ab und bezieht sich damit auf den sogenannten „Hexenturm“, der sich hier in unmittelbarer Nähe des Neubaus befand und als Wehrturm zur damaligen Stadtbefestigung gehörte.
Den südwestlichen Gebäudeabschluss zur Seitenstraße Kleine Altefähre bildet eine Giebelhausfassade, die sich in die Reihe der giebelständigen Häuser in der engen Gasse einreiht. Das Vierpassmotiv, welches als prägnantes Stilmittel in der Backsteingotik auch vielerorts in Lübeck Verwendung fand, dient als schmückendes Element der Fassade und erfährt als Ornamentikfläche eine Neuinterpretation.
Dem Backstein als kleinste Fassadeneinheit kam eine besondere Bedeutung zu. Zusammen mit Petersen Tegl entwickelte Studio Andreas Heller Architects & Designers einen einzigartigen Stein für das Museum mit einem Format (302 x 105 x 65 cm), das sich an dem in der Backsteingotik verwendeten Klosterformat orientiert. Sämtliche 120.000 Steine wurden von Hand gefertigt, in Holzformen, mit hellem Lehmschlamm als Gleitmittel. Dieser Schlamm bleibt haften und verleiht dem Stein nach dem Brand eine halbtransparente Oberfläche. Das Ergebnis: Steine mit eigenem Charakter, deren Farbspiel, Nuancen und ungleichmäßige Struktur sich überall in den historischen Mauersteinfassaden Lübecks wiederfindet und den einmaligen Charakter der Lübecker Altstadtinsel unterstreichen.
Den Architekten kam es darauf an, dass der Backstein in Anspielung an die mittelalterliche Burg und die Stadtmauer als belebende Unregelmäßigkeit in der Aufmauerung der Fassade auftritt. So gibt es vor- und zurückspringende Steine und unregelmäßige Mörtelfugen, die teils fassadenbündig, teils zurückgezogen eingebracht markante Schattenwirkungen erzeugen.
Ein abwechslungsreiches Gesamtbild entsteht zudem durch unterschiedliche Schlämmegrade und durch die Einstreuung dunklerer Steine. Die Steine wurden in drei verschiedenen Schlämmegraden mit 30 %, 60 % und 90 % Schlämme hergestellt. Vermauert wurden sie in gleichmäßiger Abstufung, wobei der Schlämmeanteil nach oben hin abnimmt.
Bei Petersen verlässt wie bekannt keine einzige Palette die Ziegelei, ohne dass die Steine vorab gründlich durchmischt worden sind.
Andreas Heller Architects & Designers entschied sich jedoch dafür, eine Durchmischung der Steine nur hinsichtlich der Kopf- und Läufersteine vorab ab Werk vornehmen zu lassen. Nur so konnten die Architekten direkt vor Ort auf der Baustelle die einmalige Fassadencharakteristik mit den eingestreuten dunkleren Fassadenflächen und den nach oben hin abnehmenden Schlämmegraden ausbilden.
Steine: Spezialsteine, Maße 302 x 105 x 65 cm, in englischem Ton, spezialgefertigte Steine aus dem gleichen Ton für spezifische Lösungen.
Fotos: Anders Sune Berg
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