Zwanzig Jahre MMK – Museum für Moderne Kunst in Frankfurt. Folgt man der jetzigen Direktorin Susanne Gaensheimer, dann müsste es eigentlich heißen: Zwanzig Jahre „Museum für Gegenwartskunst" in Frankfurt. Sie hat natürlich recht, denn um „die Moderne" und ihre Kunst geht es in diesem Museum weniger als um die Kunst der letzten sechzig Jahre. Die Betonung liegt in diesem Haus immer auf dem Heute, auch wenn die Sammlung mit Werken der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts ansetzt. In seiner noch jungen Geschichte hat das MMK eine einzigartige Sammlung aufgebaut und zählt mit seinen heute über 4.500 Kunstwerken zu den weltweit bedeutenden Museen für Gegenwartskunst. In der Präsentation wird aktuelle Gegenwartskunst stets mit etwas älteren Werken der Sammlung in Verbindung gebracht, es werden Linien aufgezeigt und der breiten Öffentlichkeit eher unbekannte Vorbilder junger Künstler wieder ins Bewusstsein gebracht, sogenannte „Künstler-Künstler".
Drei Direktoren haben – nach einer Vorbereitungsphase – das Haus bisher geführt und dessen Sammlung geprägt. Gründungsdirektor war der Schweizer Jean-Christophe Ammann, der im Jahr 2002 von Udo Kittelmann abgelöst wurde, der im Jahr 2008 als Direktor der Nationalgalerie nach Berlin wechselte. Seit Januar 2009 ist nun Susanne Gaensheimer Direktorin des „Tortenstückes", wie es in Frankfurt liebevoll genannt wird. An ihr war es nun, das Zwanzigjährige auszurichten und damit zugleich auch einen Ausblick zu geben: Was kann in den nächsten Jahren von einem Museum für Gegenwartskunst erwartet werden?
Die große Jubiläumsausstellung gibt auf die Frage eine klare Antwort: Das Museum wächst über seine Grenzen hinaus. Es liegt in der Natur einer lebendigen Sammlung, dass sie kontinuierlich wächst, immer neue Arbeiten hinzukommen und das Geflecht der Bezüge innerhalb der Kollektion immer feiner und vielfältiger wird. Der Museumsraum des von dem Wiener Architekten Hans Hollein gebauten MMK blieb während der vergangenen zwanzig Jahre naturgemäß mehr oder weniger unverändert, und so öffnet sich die Schere zwischen der zur Verfügung stehenden Präsentationsfläche und der Zahl der zu zeigenden Werken immer weiter. Bereits zu Beginn des Hauses war geplant, zusätzlich zu dem Museum eine Ausstellungshalle für Wechselausstellungen zu errichten. Dann fehlte der Stadt das nötige Geld und Jean-Christophe Ammann musste aus der Not eine Tugend machen, was ihm, neben wenigen mit dem Instrument der „Szenenwechsel" glänzend gelang. Zweimal im Jahr wurde die Präsentation der Sammlung im gesamten Haus grundlegend durchdacht und überarbeitet. Durch die wechselnden Zusammenstellungen von Künstlerräumen – Ammanns Konzept war es, von bestimmten Künstlern statt Einzelwerken stets ganze Werkgruppen zu sammeln – wurden immer neue Facetten und Konstellationen sichtbar gemacht.
Udo Kittelmann hat dann im Haus selbst Ausstellungsflächen definiert und Wechselausstellungen organisiert, Einzelausstellungen von Künstlern wie Taryn Simon und Hans Josephsohn oder die legendäre Ausstellung mit Objekten, die der Direktor selbst auf eBay ersteigert hat. Susanne Gaensheimer ist mit dem Ziel angetreten, wieder mehr mit der Sammlung selbst zu arbeiten, was sie in ihren Ausstellungen zu Sammlungsschwerpunkten auch tut. Zum zwanzigjährigen Jubiläum wollte sie nun erstmalig die ganze Sammlung auf einmal zeigen und hat dazu – für begrenzte Zeit – 4.000 Quadratmeter in den ehemaligen Degussa-Gebäuden direkt am Mainufer organisiert. Ein echter Coup, denn damit ist das MMK auf einmal direkt ans Museumsufer gerückt und kann zudem mit einer Terrasse glänzen, die viele schöne Stunden mit Blick auf den Main verspricht. Von dem zwinkernden Blick hinüber zum Städel Museum, wo gerade 3.000 Quadratmeter für die Kunst nach 1945 entstehen, ganz zu schweigen.
Jetzt ist die Ausstellung eröffnet und die Spannung gelöst: Die heiß erwartete Terrasse mit Blick auf den Main ist knallorange und so groß, dass man fast wie bei Hofe darauf flanieren kann: Die Menschen bewegen sich hier in einer Mischung aus Anonymität und Repräsentation, man schlendert oder steht in Grüppchen beisammen. Die schiere Präsenz der Terrasse scheint den grandiosen Blick auf den Main fast zu überbieten. Und: Das Orange des Bodens, der Tische und Bänke auf der von Tobias Rehberger gestalteten Terrasse kontrastiert wunderbar mit den grauen Fassaden der ehemaligen Degussa-Gebäude.
Im Haus selbst ist ein Parcours abwechslungsreicher Räume entstanden, in denen die Sammlung des MMK präsentiert wird. Kleine Kabinette, offen, ineinander übergehende Räume, Areale für große Installationen wie die Vasen der Installation „Ghost Gu Coming Down the Mountain" von Ai Weiwei und Serge Spitzer – oder die vom Publikum lange vermissten 57 Pinguine von Stephan Balkenhol. Auch die Videoarbeiten kommen in den ehemaligen Büroräumen gut zur Geltung, die fast von selbst schon „black boxes" bilden.
In der zentralen Halle des MMK begrüßt ein strahlendes Gelb die Besucher. Michael Beutler hat hier eine raumfüllende Installation geschaffen, deren Farbe auf den gesamten Raum und die Besucher abstrahlt. Die Arbeit „Outdoor Yellow" ist – wie das Café „Mailand, Moskau, Dubai, Singapur, Tokio" von Tobias Rehberger, das am Main für den Cafébetrieb eingerichtet wurde – im vergangenen Jahr als Dauerleihgabe der Commerzbank in die Sammlung gekommen. Beide Arbeiten wurden nun erstmals für das MMK aufgebaut.
Ihr Ziel, einmal die gesamte Sammlung zu zeigen, hat Susanne Gaensheimer nicht erreicht. Trotz der zusätzlichen Flächen sind nur etwa vierzig Prozent der Bestände zu sehen. Immerhin wesentlich mehr als die zehn Prozent, die sonst gezeigt werden können. Es war zu erwarten, dass die Möglichkeiten, die zusätzliche Räume bieten, Begehrlichkeiten wecken würden, und so hat Susanne Gaensheimer bei ihrer Eröffnungsrede im Römer natürlich den Wunsch nach einem Erweiterungsbau für das MMK geäußert. Ein nachvollziehbarer Gedanke, zumal durch die umfangreiche Jubiläumsschau vor Augen geführt wird, dass die Sammlung es allemal wert ist, sich in ihrer ganzen Pracht entfalten zu können.