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Die gewaltige Freitreppe im Atrium der neuen Zalando-Firmenzentrale in Berlin kann auch als Zuschauertribüne oder als Laufsteg verwendet werden.

Laufsteg zum Büro

Den Arbeitsplatz gestalten die Mitarbeiter – der Weg dorthin ist im neuen Zalando-Hauptquartier in Berlin ein einziges, vielgestaltiges Kommunikationsangebot.
von Fabian Peters | 20.08.2019

Wie gestaltet man Arbeitsplätze für ein hochgradig modeaffines Onlineunternehmen? Vor dieser Frage standen das Architekturbüro Henn, die Innenarchitekten von Kinzo und die Verantwortlichen von Zalando. Und kamen gemeinsam zur Lösung: gar nicht!

Doch fangen wir am Anfang an: 2015 hatte der rasant wachsende Onlineversandhändler einen Wettbewerb für den neuen Firmensitz im Stadtteil Friedrichshain ausgeschrieben, um die bis dahin über verschiedene Standorte in ganz Berlin verteilten Mitarbeiter an einem Ort zusammenzubringen. Förderung der Mitarbeiterkommunikation stand deshalb auch ganz oben auf dem Wunschzettel. Für den Wettbewerb taten sich das Architekturbüro Henn und die Innenarchitekten von Kinzo zusammen – und überzeugten mit ihrem Entwurf. Kinzo hatte zuvor schon beim Hauptquartier eines anderen erfolgreichen Internetunternehmens, dem Onlinemusikdienst SoundCloud, Erfahrung in der Branche sammeln können. Doch statt für 250 Personen galt es hier, die Arbeitsumgebung für 2.000 Beschäftigte zu schaffen. "Wir haben uns dafür das Modell des Unicampus zum Vorbild genommen", erklärt Chris Middleton, einer der Gründer von Kinzo, den Ansatz. Herzstück des Entwurfs ist ein großes Atrium, das im Zentrum aller Wege liegt. Im Erdgeschoss kann das angrenzende Auditorium dorthin geöffnet werden. Dann dient die breite Freitreppe, die in der Mitte des Atriums in die erste Etage hinaufführt, als Fortsetzung der Sitzreihen im Saal. So können 450 Personen dem Geschehen auf der Bühne folgen. Die Freitreppe wiederum bildet zusammen mit dem großen Mehrzwecksaal am oberen Ende die Kulisse für Modenschauen und Kollektionspräsentationen. Das Atrium wird dann zum Laufsteg.

Auf den Galerien befinden sich offene Büroflächen und die als "Wohnzimmer" bezeichneten Aufenthaltsbereiche. Hier im Bild die sogenannten "Prinzessinnengärten"
Alle "Wohnzimmer" sind von Berliner Sehenswürdigkeiten inspiriert. Dieses hier greift Elemente des legendären Berliner Clubs Tresor auf.

Um die Kommunikation der Mitarbeiter untereinander zu fördern, zufällige Begegnungen zu ermöglichen und vielfältige Blickbeziehungen zu schaffen, umgaben die Architekten den zentralen Luftraum kaskadenartig mit Galerien. Durch die Galerien mäandert die Haupttreppe um das Atrium herum und verbindet die Ebenen miteinander. An vielen Brüstungen zum Atrium sind Tische montiert, an denen man allein mit Blick auf das Treiben arbeiten kann oder sich zu Mehreren zum Meeting zusammenfindet. Außerdem sind auf den Galerien die Aufenthaltsbereiche, bei Zalando Wohnzimmer genannt, angesiedelt, die Kinzo für den Bau entworfen hat. Inspiration für sie lieferten Berliner Sehenswürdigkeiten, nämlich das futuristische Kongresszentrum ICC, die Prinzessinnengärten in Kreuzberg, das Stattbad Wedding, die Diskothek Tresor und die Rennstrecke Avus sowie der Freizeitpark Tropical Island im Berliner Umland.

Die Büros sollen "weiße Leinwände" sein, in denen sich die einzelnen Abteilungen und Teams die Arbeitsumgebung schaffen, die sie benötigen.

Und die Büros selbst, die sich an die Galerien anschließen? Sie sollten wie ein weißes Blatt sein, sodass die Mitarbeiter dort ihre eigenen Vorstellungen vom Arbeiten umsetzen können. Die großen Arbeitsräume erhielten jeweils nur eine Grundausstattung aus Arbeitstischen und -stühlen sowie Schränken. Jedes Team stellt sich sein weiteres Equipment – Konferenztische, Besprechungs- und Arbeitskabinen, Sofas, Whiteboards – nach eigenen Bedürfnissen zusammen. Bei Zalando heißt dieser Ansatz: "Work your way". Umgekehrt bietet sich so die Möglichkeit, auf technische und strukturelle Veränderungen im Unternehmen mit einem Höchstmaß an Flexibilität reagieren zu können – ein nicht zu verachtender Pluspunkt in einer Branche, die sich im permanenten Wandel befindet. Der Vorteil eines solch offenen Entwurfs zeigt sich bereits heute. War zum Wettbewerbszeitpunkt das Gebäude noch ausreichend groß, um alle Zalando-Mitarbeiter zu beherbergen, hat die Realität den Plan längst überholt. Bei der Einweihung konnte hier nur knapp ein Drittel der inzwischen 6.000 Beschäftigten einziehen. In direkter Nachbarschaft entsteht bereits das nächste Zalando-Gebäude.

Der neue Firmensitz von Zalando liegt im Mediespree-Quartier in Berlin-Friedrichshain. Im Bildhintergrund ist die Spree zu erkennen.