So museal ist es im Dänischen Architekturzentrum lange nicht mehr zugegangen. Der erste Raum der großen Zaha Hadid-Ausstellung ist mit filigranen Objekten bestückt, die auf unterschiedlich hohen Sockeln in Szene gesetzt sind. Es sind längliche Formen, die häufig Rundungen aufweisen. Viele der Objekte unterscheiden sich nur in Details, fast alle sind überwiegend weiß oder cremefarben gehalten, auch der Fußboden ist weiß – in seiner Eintönigkeit verbreitet das Ensemble eine meditative, fast klinische Ruhe. Eingangstüren, Fenster oder andere Indizien, die darauf hindeuten würden, dass es sich um Architekturmodelle handelt, sind nicht zu erkennen. Vielmehr sind es sehr ästhetische Objekte, deren Funktion nicht zu erschließen ist.
Kein Wunder, dass sich Architekten, die die Ausstellungseröffnung besuchten, zu leicht gehässigen Kommentaren hinreißen ließen. „Die haben wohl neuerdings einen 3-D-Drucker im Büro, mit dem sie jetzt ein wenig rumspielen“ und „Ich dachte erst, das seien alles Vasen“, war dann zu hören. Tatsächlich erinnern die schlanken Objekte ein wenig an Vasen, nicht zuletzt, weil sie oben häufig eine Öffnung haben. Hadid würde einen solchen Vergleich vermutlich nicht als Beleidigung empfinden, ja, sie hat sicher abgesegnet, dass in einer Ecke in diesem Raum auf einem Podest sechs der silberglänzenden Vasen stehen, die sie für Alessi entworfen hat. In eine Reihe gestellt, erinnern die recht kantigen Vasen dann wieder an Hochhäuser. Humor jedenfalls haben die Ausstellungsmacher. Dass in der Loggia nebenan von Hadid entworfene Lampen hängen, wirkt hingegen wieder profan.
Jedem Objekt im ersten Raum sind eine Nummer sowie eine Jahreszahl und ein Ort zugeordnet. „CBD001 Beijing China 2010“ steht auf dem Sockel mit dem höchsten Modell. Doch sagen diese Informationen dem Besucher nicht viel mehr, als dass es sich vermutlich um ein vor drei Jahren erstelltes Modell für einen Bau in Peking handelt. Immerhin wird mancher Schriftzug so konkret, dass es dann „Central Bank of Iraq“ heißt. Etliche Ausstellungsstücke haben bis auf die Nummer denselben Schriftzug und die Besucher können nur schlussfolgern, dass es sich um Fortentwicklungen einer Idee oder um verschiedene Vorschläge für die Realisierung desselben Objekts – wie der irakischen Zentralbank – handelt. Sich die Objekte anzuschauen, ist ein Erlebnis, aber um wirklich lehrreich zu sein, müsste der Entwicklungsprozess nachvollziehbar sein, etwa, indem erläutert wird, wieso welche Änderungen vorgenommen wurden und Modelle eines späteren Stadiums gezeigt und um Renderings ergänzt würden.
Genau das geschieht im Obergeschoss. Dort stehen zunächst einmal zwei Sofa-Entwürfe, die in ihrer Form an Entwürfe von Luigi Colani erinnern. Dann folgt ein Raum, der Hadids Entwurf des „MAXXI“ in Rom, dem italienischen Nationalmuseum für Kunst des 21. Jahrhunderts, gewidmet ist, von dem in der Mitte ein großes Modell des Gebäudes präsentiert wird. Anders als im Untergeschoss handelt es sich um das Modell eines späteren Entwurfsstadiums, bei dem die Funktion des Gebäudes klar erkennbar ist. Extreme Rundungen fehlen, die Außenmauern weisen lediglich Kurven auf. Diese bringen so viel Dynamik in das Gebäude wie durch Autoscheinwerfer hervorgerufene Lichtschlieren in einer Langzeitaufnahme. An der Wand hängen Renderings. Allerdings bedarf es einer Suchspielübung, um herauszufinden, worin Modell und Rendering sich unterscheiden, denn einen erklärenden Text sucht man hier ebenfalls vergebens. Trotzdem wird einem klar: Die Zahl der geschwungenen Gebäudeteile ist reduziert worden, im Resultat passt sich das Museum besser ins Stadtbild ein und verleiht diesem in der Draufsicht eine perfekte Dynamik.
Zaha Hadid hat nicht nur das MAXXI entworfen, sondern auch den Anbau des Ordrupgaard Museums nördlich von Kopenhagen. Ihre Architektur kann im Anschluss an einen Besuch der Ausstellung also gleich in seiner realen Gestalt bestaunt werden. „Hadid baut Museen für sich, nicht für die Kunst“ – wer mit Museumsleuten und Künstlern spricht, hört solche Kommentare des Öfteren. Ein Künstler, der einmal eine Solo-Ausstellung im Ordrupgaard Museum hatte und dessen Namen wir hier nicht preisgeben möchten, beschwerte sich, dass es an Wänden mangle, um den Bilder Raum zu geben, um nur ein Beispiel zu nennen. Sei es das MAXXI oder Ordrupgaard, es ist nicht einfach, Kunstwerke in ihren Häusern zu zeigen. Doch eine kritische Auseinandersetzung mit ihrem Werk fehlt in der Ausstellung, die als Würdigung, aber auch als Reklame-Schau bezeichnet werden kann. Kein Wunder, ist diese doch gemeinsam mit Hadids Büro entstanden.
Die Schau zeigt denn auch nur einen kleinen Ausschnitt aus der Bandbreite des Büros Hadid und bringt dem Besucher dessen Arbeiten näher. Sich in der Ausstellung umzusehen, ist ein ästhetischer Genuss, doch um lehrreich zu sein und nicht nur ein Erlebnis, fehlt es in weiten Teilen an Vermittlung. Lange erläuternde Texte lenken leicht vom Objekt ab, aber kurze Erklärungen würden vor allem jenen Besuchern helfen, die sich zwar für Architektur interessieren, aber keine Hadid-Experten sind. Mit ein wenig mehr Informationen wäre es dem Dänischen Architekturzentrum also noch besser gelungen, die Architektur Zaha Hadids nicht nur Architekten näherzubringen.
Zaha Hadid – World Architecture
Vom 29. Juni bis 29. September 2013
Danish Architecture Center, Kopenhagen, Dänemark
www.dac.dk
www.zaha-hadid.com