JUNGE TALENTE
Keine Grenzen

Dilara Kans Onkel wunderte sich. "Warum benutzt ihr so altmodische Steine für euren Tisch?" Denn die ausdrucksvollen grünen, weißen, dunkelroten und gelben Marmorsorten, aus denen die Beistelltische der "Millstone"-Kollektion bestehen, gelten in der Türkei als ganz gewöhnlich. "Man findet sie überall in den Wohnungen und Treppenhäusern", sagt die in Istanbul geborene Kan, die die Tische gemeinsam mit ihrem Partner Bodin Hon unter dem Namen Yellowdot entworfen hat. "Jeder kennt Naturstein aus Italien", ergänzt Hon. Dabei gehöre die Türkei zu den größten Steinexporteuren der Welt. Was Dilara Kans Verwandtschaft aber sofort gefallen hat: Wie leicht sich die Platten der "Millstone"-Tische drehen lassen. Kurz angestupst, rotieren die schweren, vieleckigen Oberteile scheinbar mühelos um sich selbst. Einen der Tische zeigten Studio Yellowdot kürzlich auch auf ihrem Stand der Stockholm Furniture Fair. Die beiden GestalterInnen gehörten zu den AustellerInnen der Schau "The Greenhouse" für junges Design, ein Format der Stockholm Furniture Fair. Neben dem Tisch hatten sie Leuchten aus komplexem, 3D-gedruckten Gitterwerk, einen Raumteiler aus Eierschalen und eine mit Seide bezogene Bank mit nach Schweden gebracht.

Die "Millstone"-Kollektion steht auch exemplarisch für Kans und Hons gemeinsame Arbeit als Studio Yellowdot – die beiden verbinden in ihrer Praxis ganz unterschiedliche kulturelle und professionelle Kontexte. Bodin Hon etwa hatte ursprünglich Biotechnologie in Houston studiert und bei der NASA gearbeitet, bevor er die Disziplinen wechselte – mit einem Master in Produktdesign in Mailand. Die reibungslos funktionierende Mechanik der Tische ist typisch für Hons Ingenieursperspektive. "Ich denke in Problemlösungen", erklärt er. "Ich arbeite an den technischen Aspekten und überlege, wie man Ideen in tatsächliche Produkte verwandeln kann." Dilara Kan wiederum hatte, bevor sie ebenfalls in Mailand Produktdesign studierte, einen Bachelor in Innenarchitektur an der Kunsthochschule in Istanbul absolviert. Sie selbst beschreibt ihre Herangehensweise als intuitiv und emotional, etwa bei der Auswahl der Farben. Man könne schließlich nicht wissenschaftlich beweisen, welcher Gelbton der richtige für ein Möbelstück sei. Als sie ihr gemeinsames Studio 2017 gründeten, hätten sie eher über Unterschiede gesprochen und die jeweiligen Gegensätze betont, erinnert sich Kan. Heute gäbe es diese Konflikte nicht mehr: "Wir wissen, was wir können und wie wir das zusammenbringen." Hon ergänzt: "Ich liebe Technologie und möchte sie auch einsetzen. Aber wenn wir mit Design eine Geschichte erzählen können, die bei den Menschen nachhallt – dann finde ich das interessanter."

Kennengelernt haben sich Dilara Kan und Bodin Hon beim Produktdesign-Studium in Mailand. Danach zogen sie gemeinsam nach Hongkong – von dort stammt Hons Familie, er selbst ist jedoch in Kalifornien geboren. Drei Jahre blieben sie in Hongkong und arbeiteten an ersten gemeinsamen Yellowdot-Projekten, darunter Markenberatung, Verpackungs- und Produktdesign für die chinesische Brillenmarke Olivio. Das war ihr erster großer Auftrag aus der Industrie, und sie sind heute noch begeistert, wie groß das Vertrauen zwischen ihnen und den Auftraggebern war. 2020 dann der Umzug nach Istanbul, wo sie bis heute leben und arbeiten. Hongkong erwies sich als nicht so gut geeignet, um ein Designstudio aufzubauen. "Es ist sehr teuer. Wir hatten nur wenig Raum. Wir fühlten uns beschränkt und konnten nur kleine Projekte machen", sagt Kan.

In Istanbul haben sie jetzt sogar Platz für eine kleine Werkstatt, um selbst zu produzieren. Hier experimentieren sie beispielsweise mit gegossenem Kunstharz. So entstanden nicht nur die bunten "Jelly"-Leuchten, sondern auch die Objekte aus Eierschalen. Bodin Hon schätzt an Istanbul besonders, dass es noch viele Handwerksbetriebe im Zentrum der Stadt gibt. Das Unternehmen, das den Stein für die "Millstone"-Tische liefert, ist gerade einmal 15 Minuten mit der U-Bahn von ihrem Studio entfernt. Und dennoch überlegen die beiden DesignerInnen, ob sie nicht bald wieder umziehen sollen – in der Türkei fühlen sie sich ein wenig abgeschnitten von der Designszene Mitteleuropas, wie sie sie während ihres Studiums in Mailand kennengelernt haben. Doch ob in Istanbul oder an einem anderen Ort: Kan und Hon wollen sich auf jeden Fall weiterhin keine Grenzen setzen und ganz unterschiedliche Themen und Projekte angehen. Alles andere wäre bei ihrer Geschichte auch erstaunlich.

Yellowdot @ Mailänder Designwoche 2023

Während der Mailänder Designwoche 2023 wird Yellowdot zum ersten Mal an der Rocollectible Design der Galerie Rossana Orlandi mit der neuen Kollektion 'Millstone' - Rotating Marble Tables teilnehmen.

17. bis 23. April 2023
9:30 bis 20 Uhr

RoDISTRICT
Galerie Rossana Orlandi
Via Matteo Bandello, 14/16
20123 Mailand