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Dreidimensionales Puzzle

Die Melopee School in Gent von Xaveer De Geyter Architects ist ein typologisches Experiment, dessen räumliches Gitter auf unkonventionelle Weise Platz für zusätzliche Außenanlagen schafft.
von Alexander Russ | 31.12.2021

Was tun, wenn zu wenig Baugrund für das geforderte Raumprogramm zur Verfügung steht? Richtig, man geht in die Höhe. So geschehen bei der Melopee School in Gent, bei der Xaveer De Geyter Architects eine Grundschule, einen Hort, eine Kindertagesstätte und verschiedene Außenanlagen in einem vertikal gestapelten Gebäudekomplex zusammengefasst haben. Der Bau befindet sich auf dem Hafengelände von Gent, für das die Stadt 2004 einen städtebaulichen Wettbewerb auslobte, den OMA für sich entscheiden konnte. Die Niederländer schlugen im Rahmen eines Masterplans mehrere von Ost nach West verlaufende Grünstreifen vor. Sie bilden abwechselnd mit den Gebäudeparzellen unterschiedlich breite Schneisen aus, um den Ort stärker an das Wasser und die angrenzende historische Innenstadt anzubinden.

Ein Baustein dieses Masterplans ist die Melopee School, bei der Xaveer De Geyter Architects ein Raumprogramm von 7680 Quadratmetern auf einem 2625 Quadratmeter großen Grundstück unterbringen mussten. Das erwies sich besonders bei den Außenanlagen mit den geforderten Spielplätzen und Sportanlagen als schwierig. Deshalb entwickelten die ArchitektInnen ein räumliches Gitter, das die Funktionen in zwei Bereiche aufteilt: die eine Hälfte füllen die Innenräume aus, während die zweite Hälfte aus den auf mehreren Ebenen gestapelten Spielplätzen und Sportanlagen besteht. Als Promenade Architecturale konzipiert, winden sie sich von unten nach oben. Dabei bieten sie mit einer begrünten Rampe und dem spielerisch platzierten Mobiliar verschiedene Möglichkeiten, um sich die jeweiligen Außenräume anzueignen. Die einzelnen Spielgeräte weisen einen hohen Abstraktionsgrad auf und wirken beinahe wie Kunstskulpturen – wie etwa der hellblaue Sandkasten, der in einer umgedrehten, metallisch glänzenden Kuppel eingelassen ist.

Zusammengehalten werden die beiden Gebäudehälften durch ein verzinktes Stahlskelett. Dieses ist teilweise mit einem filigranen Metallnetz ausgefacht, das in der Folge begrünt werden soll, um das räumliche Gitter in eine Art dreidimensionalen Garten zu verwandeln. Mehrere Stahltreppen verknüpfen dabei die unterschiedlichen Ebenen. Hinzu kommt eine große Freitreppe, die das Erdgeschoss mit dem ersten Obergeschoss verbindet und das Thema der architektonischen Landschaft zusätzlich betont. Im Innern bildet dann eine große multifunktionale Halle im ersten Obergeschoß das Zentrum des eigentlichen Gebäudes. Sie öffnet sich zur großen Terrasse und zur Freitreppe, von wo aus die Kinder unter anderem die Möglichkeit haben, über mehrere Rutschen in den Schulhof im Erdgeschoss zu gelangen. Mit Hilfe von großen Glasflächen wird zusätzlich ein Bezug zwischen Innen und Außen hergestellt, wobei die Halle aufgrund ihrer Verkleidung aus rosafarbenen Ziegeln eine spielerische Erdung erhält. Hinzu kommt eine Sporthalle im dritten Obergeschoß und ein Basketballplatz auf der obersten Ebene, der durch die außenliegenden Stahltreppen erreichbar ist. Zusammengenommen ergibt das ein räumliches Puzzle, das auf intelligente Weise die Innenräume mit den Außenanlagen verknüpft und die Melopee School zu einem gelungenen typologischen Experiment macht.