Foto © Julian Nelken, Klunkerkranich
Direkt am Berliner U-Bahnhof „Rathaus Neukölln“ stehen mit ihrem markanten, runden Glasturm die „Neukölln Arcaden“, eine architektonisch einfältige Shopping Mall mit 27.000 Quadratmetern Handelsfläche und 60 Geschäften. Ein „typischer Mix“ mit den „üblichen Verdächtigen“ Kaufland, Media Markt, Hugendubel und einem Multiplex-Kino sowie der Stadtteilbibliothek „Helene Nathan“ in den oberen Geschossen.Den hinteren, eher unscheinbaren Teil des Gebäudes nimmt ein Parkhaus ein, das die gesamte Höhe nutzt, um auch Kinobesuchern und Bibliotheksnutzern die Möglichkeit zu bieten, quasi „vor der Tür“ zu parken – ein Angebot, dass offenbar nur unzureichend wahrgenommen wurde. So hatte sich das oberste Deck des Parkhauses nach seiner Eröffnung im Jahr 2000 zu einem Geheimtipp für Jugendliche entwickelt, die sich dort bei Sonnenuntergang auf einen Drink oder einen Joint über den Dächern Berlins trafen. Oft wummerten dazu laute Bässe aus der Stereo-Anlage eines hochgetunten Autos – bis die Hipster nach Neukölln kamen.
Unter denen waren auch Robin Schellenberg, Dorle Martinek und Julian Nelken, die 2009 in der nahen – und damals noch sehr dunklen – Weserstrasse das „Fuchsundelster“ aufmachten, eine Kneipe mit Konzerten im ehemaligen Kohlenkeller darunter. Das Gegenteil eines Dachgartens also, und vielleicht fanden sie die Idee auch deswegen so verlockend, auf dem Dach des Parkhauses einen Garten als Veranstaltungsort anzulegen. Den Asphalt des ehemaligen Parkdecks haben sie mit Holz verkleidet, Stühle, Bänke und Tische aus den für Berliner Clubs so typischen Europaletten gebaut. Seit der Eröffnung 2013 sind auf den 2.500 Quadratmetern immer weitere Pflanzenkübel, Sitznischen und Podeste hinzugekommen. Es gibt einen Sandkasten, Vogelhäuser (die eher cool als bewohnt aussehen) und einen Gemeinschaftsgarten mit Tomaten, Himbeeren, dicken Kürbissen und duftenden Rosmarinbüschen. Dazwischen trinkt das international-urbane Hipstertum Berlins Cappuccino oder lokale Biersorten. In einer Ecke summt ein Bienenvolk, das Neukölln-Honig produziert. Inzwischen gibt es auch eine „Berghütte“, die einen ganzjährigen Betrieb möglich macht.
Es ist ein erstaunlich inklusiver Ort geworden, der tagsüber keinen Eintritt kostet und ein sehr breitgefächertes Programm anbietet: Elektro-DJs kommen hier genauso herauf wie Jazz-Bands, es gibt Lesungen, Theater, klassische Musik und gemeinschaftliche Gartenaktionen. So lockt der „Klunkerkranich“ ein sehr gemischtes Publikum an, lädt zu Frühstück, Pause, Getränk oder zum abendlichen Tanz ein. Touristen mischen sich hier mit alten und jungen Neuköllnern – und natürlich den Hipstern mit ihren gepflegten Bärten und Stoffbeuteln. Es ist weder Berlins erster noch letzter Dachgarten, aber sicher einer der größten und einer der gemütlichsten – trotz des Windes der meist über das ehemalige Parkdeck pfeift.