Featured Project
Sitzen an der Börse
Börse? Das ist unübersichtliches Treiben vor Zahlentafeln, das sind wild gestikulierende Menschen am Telefon. Das ist die Wall Street von New York City! Mögen diese Bilder, die bei den meisten unweigerlich vor dem inneren Auge auftauchen, wenn von "Börse" die Rede ist, vor einigen Jahren auch zutreffend gewesen sind, so sind sie heute lange überholt. In der New Yorker Wall Street – oder korrekt: der New York Stock Exchange – wird schon lange nicht mehr auf dem Trading Floor geboten, seit in den 2000er Jahren die Prozesse digitalisiert wurden. Was also tun mit den freigewordenen Flächen?
Die Innenräume des neoklassizistischen Baus – seit 1903 residiert die New Yorker Börse in dem Bau an der Wall Street – wurden immer wieder verändert und den Bedürfnissen und technischen Neuerungen der jeweiligen Zeit angepasst. Heute werden etwa die oberen Stockwerke als Büroräume und für Meetings und Events genutzt. Nach den Entwürfen der New Yorker Büros Rottet Studio und Studios Architecture wurden die in die Jahre gekommenen Etagen vor Kurzem modernisiert. Entstanden sind effizientere Arbeitsplätze und größere Meeting Areas für Teams, dazu auch Tagungsräume für mehrere hundert Personen. Die digitale Infrastruktur ist nun auf dem neuesten Stand und in die historische Umgebung integriert. Vor allem aber wurden die Renovierungen früherer Zeiten rückgebaut und die Räume in ihren Ursprungszustand versetzt. So haben die ArchitektInnen etwa die verdeckte Bleiglasdecke freigelegt und restauriert, während Vorzimmer, die im Zuge einer früheren Modernisierung abgemauert worden waren, wieder verbunden wurden. Ergänzt sind die historischen Räume nun zudem mit modernen Elementen, Kunst von David Hockney und Andy Warhol etwa, ebenso wie zeitgenössisches Mobiliar.
Denn so verschieden die eindrucksvollen historischen Räume auch sind, zieht sich heute doch ein verbindendes Element durch sie hindurch: In allen Räumen treffen sich Menschen und sitzen zusammen. Zentral ist daher ein Sitzmöbel, das nicht nur höchsten Komfort mit sich bringt, sondern auch eine besondere Form, die sich in die neoklassizistischen Räume einfügt. Die Entscheidung fiel auf den "Graph Konferenzstuhl" von Wilkhahn, der mit seiner schlanken Kontur frischen Wind in die überschaubare und lange Zeit unveränderte Riege der Konferenzsessel bringt. Entworfen haben ihn die Stuttgarter Designer jehs+laub für den norddeutschen Familienbetrieb. Seine Form entsteht durch einen Kunstgriff, für die die organische Sitzschale zuerst horizontal und vertikal durchschnitten, ehe sie modifiziert wieder neu zusammengefügt wurde. Dadurch erscheint der der Stuhl leicht und dynamisch, trotz seiner großzügigen Polster. Es entsteht ein faszinierendes Zusammenspiel von fließender Form und grafisch-klaren Linien, von offenen und geschlossenen Flächen. Dass Graph dabei unverändert komfortabel ist, dafür sorgt die besondere Polstertechnik: eine mit Wellenfedern bespannte, umschäumte und zusätzlich wattierte Auflage umgibt den Stahlrahmen von Sitz und Rücken.
Während im Innern der "Wall Street" die Zeichen also ganz auf die Zukunft gerichtet sind und die historischen Räume eine Symbiose eingehen mit den Bedürfnissen der Gegenwart, hat die Zeit außen keine Spuren hinterlassen: Unverändert begrüßt der antikisierende Portikus mit seinen sechs korinthischen Säulen BesucherInnen und Gäste der New Yorker Stock Exchange, der zum geschichtsträchtige Gesicht der Börse geworden ist – seine Adresse, ein kleiner Twist der Geschichte: 18 Board Street, eine Querstraße zur eigentlichen Wall Street.