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NACHHALTIGKEIT
Kleben, wickeln – wohnen

Nachhaltiges Bauen hat viele Gesichter. Dieses Haus klingt so, wie es aussieht: Das Wikkelhouse des Amsterdamer Ateliers der Fiction Factory wird als modularer Leichtbau aus gewickelter Pappe gefertigt und lässt sich vor Ort schnell und unkompliziert aufbauen.
von Jeanette Kunsmann | 26.02.2021

Nicht nur der japanische Architekt Shigeru Ban baut mit Papier, Pappe und Karton. Die niederländische Fiction Factory beweist mit dem Wikkelhouse einen innovativen Ansatz für ein ökologisches und umweltfreundliches Wohnhaus aus Wellpappe. Die namensgebende Wickeltechnik sorgt dabei für enorme Stabilität. Je eine Schicht aus Holz und wasserresistenter Folie schützen die kreative Konstruktion zudem vor Nässe und Feuchtigkeit. Da von der Pappe bis zum Kleber ausschließlich nachwachsende Rohstoffe verwendet werden und das Bauwerk somit komplett recycelbar ist, wurde das Wikkelhouse bereits mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design und dem Bundespreis Ecodesign ausgezeichnet. Angefangen mit der Produktion, der Wiederverwendbarkeit der robusten Module bis hin zum Recycling der einzelnen Bauteile, folgt der gesamte Lebenszyklus eines Wikkelhouse somit elementaren Grundsätzen der Nachhaltigkeit. Das Konzept sei drei Mal umweltfreundlicher als klassischer Bauweisen, sagt das Wikkelhouse-Team. Aktuell wird daran gefeilt, das Wikkelhouse zu einem 100 Prozent biologisch abbaubaren Zuhause zu machen.

Vom 15 Quadratmeter-Tiny House bis zum langgestreckten Wohnschlauch lässt sich das Wikkelhouse-Konzept flexibel an individuelle Bedürfnisse anpassen. Die Nutzung bleibt offen: Vom Wohn-, Garten- oder Ferienhaus, Homeoffice oder Spielbude, Unterbringung für Gäste bis zum Hausboot und zum Messestand ist alles denkbar. Jedes Wikkelhouse-Element besteht aus insgesamt 24 Schichten Wellpappe, die jeweils maschinell so verwickelt und verklebt werden, dass alle Wände formstabil sind. Mit einer Tiefe von 1,20 Metern, einer Länge von 4,60 Metern und der Höhe von 3,50 Metern wiegt jedes Modul 500 Kilogramm und definiert einen fünf Quadratmeter großen Bereich, der sich nach Belieben mit weiteren Segmenten kombinieren lässt.

Das komplett mit Holz verkleidete Innere der Haus-Struktur erinnert an eine Mischung aus Bootsbau und Schutzhütte. Koch- und Sanitärbereich werden als Smart Home-Segmente geliefert, die Frontmodule können sowohl verglast als auch blickdicht bestellt werden. Mit ihren standardisierten, vorproduzierten Elementen benötigt die Leichtbaukonstruktion kein aufwendiges Fundament, sondern verbindet sich auf einer Plattform zum fertigen Wohnhaus. Die Montage soll laut Hersteller mit nur einem Tag eine konkurrenzlos kurze Bauzeit in Anspruch nehmen. Die versprochene Mindesthaltbarkeit liegt bei 50 Jahren.

Oep Schilling von der Fiction Factory aus Amsterdam entdeckte die Wikkelmaschine 2012 und war "völlig begeistert". Ursprünglich für Papierverpackungen gebaut, produziert diese jetzt Bauteile aus Pappe. "Bisher haben wird etwa um die 100 Wikkelhäuser produziert", erklärt Schilling, geliefert wird innerhalb der Niederlande sowie nach Belgien, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Skandinavien und Chile. Drei Elemente kosten 30.000 Euro plus Transport. Interessierte können vorab an verschiedenen Orten Probewohnen, wie direkt am Meer in Oudrop, in der Domaine de la Résidence im französischen Metz oder auf Helgoland. Sicher: Architektonische Details wie die Ausführung der verglasten Front samt Türen und die Satteldachform mit ihren Rundungen könnten noch mal überarbeitet werden, damit das Wikkelhouse weniger nach Mainstream aussieht. Mit mehr Qualität hinsichtlich Gestaltung und Formensprache hat es wirklich Potenzial.