Wien ist keine Modemetropole. Das ist selbst Festansprachenrednern klar. Doch so ehrgeizig gibt sich das „10 festival for fashion & photography" ohnehin nicht. Keineswegs in Konkurrenz zu „Businesszentren wie Paris, Mailand oder London" wolle man Wien etablieren, so die Organisatoren „Unit F büro für mode", „sondern unter Einbeziehung der Strömungen, die sehr typisch für diese Stadt sind und die auch das Modeleben in Wien ausmachen." Das Festival gibt es in seiner heutigen Form übrigens erst seit 2006. Davor hieß die Veranstaltung schlicht: Austrian Fashion Week.
Doch wer sich „Fashion Week" nennt, der muss auch dem Vergleich mit den großen Modemetropolen standhalten. Und das schafft Wiens Modeszene nicht. Und so inszenierte Unit F nun zum fünften Mal Modeschauen, Ausstellungen, Performances, Symposien und einen Guerilla Store zusammengestellt vom Berliner Concept Store-Betreiber Andreas Murkudis.
Dabei können Wiener Designer durchaus international bestehen. Der wichtigste Preis der Austrian Fashion Awards ging etwa an die Deutsche Saskia Wendland. Die Zwanzigjährige hat die Modeklasse der Wiener Universität für angewandte Kunst absolviert und darüber hinaus in Antwerpen studiert. Die Jury überzeugte sie mit einer Kollektion, die grafisches Geschick mit einem feinen Gespür für Materialien wie Pelz und Seide kombiniert.
Der schwäbische Modedesigner Bernhard Willhelm hingegen steht erst am Ende seines ersten Jahres an der Wiener Universität für angewandte Kunst, dafür als Professor. Unter seiner Leitung präsentierten die vier Jahrgänge der Modeklasse in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn ihre Abschlussarbeiten. Über den Laufsteg marschierten, hüpften und fuhren Drag-Queens, Hirtenbuben, Radfahrer und zuletzt sogar eine ganze Blaskapelle. Einen Modepreis gab es auch, er ging an einen Studenten aus dem vierten Jahr, Bernhard Gruber und seine Kollektion namens „Gipfelzipfler 1.0".
Das Gros der restlichen Schauen lief freilich konventioneller ab. Die stadtbekannten, mehr oder weniger begabten Models staksten den Laufsteg entlang, sie trugen die Mode der üblichen, mehr oder weniger begabten Designer. Positive Ausreißer gab es hin und wieder. Der Schmuckdesigner Andreas Eberharter etwa, zu seinen Kundinnen gehört Lady Gaga, ließ Augenklappen, Schienbeinschoner, Helme, Visiere, Gürtel und Halskrausen von Ballerinas vortanzen, die statt Kleidung nur Ganzkörperbandagen trugen. Der Hutdesigner Mühlbauer, seine Kreationen werden von Brad Pitt und Yoko Ono geschätzt, präsentierte seine neuen Kappen, Mützen, Hauben, Kapuzen und Hüte zu den Live-Klängen der Wiener Band „Madchen Amick".
Gewohnt drapiert, dafür ungewohnt farbig zeigte Anna Aichinger ihre Mode, die sie auch schon erfolgreich in Paris, Shanghai und New York präsentiert hatte. Auch der Tiroler Peter Pilotto, gefördert vom British Fashion Council und geschätzt von Kundinnen wie Michelle Obama, setzt auf Drapierungen und Farbverläufe. Thomas Kirchgrabner, Chefdesigner des Wiener Pelz- und Modehauses Liska, ließ seine Models barfuss über den Catwalk laufen, allerdings meistens elegant auf den Zehenspitzen. Seinen Job bekam er, nachdem er ein Kojotenfell Haarverlängerungen verpasst hatte.
Rund 12.000 Menschen haben laut Unit F die mehr als dreißig Einzelveranstaltungen im Rahmen des Festivals besucht, ein neuer Besucherrekord. Das darf allerdings nicht über einen grundlegenden Haken an der ganzen Sache hinwegtäuschen. Die eigentliche, ursprüngliche Aufgabe von Unit F ist nicht die Organisation von Modespektakeln, sondern die Vergabe von Förderungen. Dieses Amt, so heißt es immer wieder in Wiens Modekreisen, übt Unit F nicht immer nach objektiv nachvollziehbaren Kriterien aus. Und so ist es zwar nicht verwunderlich, aber dennoch irritierend, dass von nicht geförderten Designern weit und breit nichts zu sehen war - weder auf dem Laufsteg noch im Publikum. Man hört, sie seien nicht einmal als Gäste zu den Schauen eingeladen worden.
Das ist bedauerlich, umso mehr als es sich dabei um Österreichs erfolgreichste Modemacher handelt. Marios Schwab zum Beispiel, der seit 2008 als „one of London's most exciting designers" gilt. Petar Petrov, der am 26. Juni in Paris seine neueste Kollektion bei den Männerschauen gezeigt hat. Carol Christian Poell, der in Mailand lebt und über den Karl Lagerfeld sagt: „Ein wunderbarer Mann. Ich habe mir viele Sachen von ihm gekauft." Devi Kroell, die letzten Oktober auf der New Yorker Madison Avenue einen eigenen Store eröffnete. Lena Hoschek, die auf der letzten Berliner Modewoche Erfolge feierte. Oder der Schmuckdesigner Florian Ladstätter, der auch noch den offenen Aufstand gegen Unit F wagte und mit anderen eine eigene Modeplattform ins Leben rief. Ihm ist es, so wie den anderen, vermutlich egal, er hat genug Erfolg im Ausland. Und das ist gut so. Weil Wien ist eben nicht Paris.