Zweifelsohne eine beachtliche Geschichte, die des weltgrößten Einrichtungshauses aus Schweden: 1943 gründete der damals 17jährige Ingvar Kamprad Ikea. Im Firmennamen übernahm er die Anfangsbuchstaben seines eigenen Namens, den des väterlichen Bauernhofes Elmatryd und den seines schwedischen Heimatdorfes Agunnaryd. Kamprad verkaufte Möbel an die umliegenden Bauernhöfe, druckte 1951 seinen ersten Versandkatalog und organisierte 1953 eine Musterausstellung in Älmhult, dem heutigen Konzernsitz in Südschweden. Mit dem Lövet-Tisch begann 1965 die Produktion eigener Entwürfe zum Selbstzusammenbauen, in Volumen sparender Verpackung. Schon 1973 wurde in Zürich die erste Ikea-Filiale außerhalb Skandinaviens gegründet. Ein Jahr später kam München-Eching dazu. Bis heute ist Deutschland der größte Markt für Ikea - aus dem kleinen Möbelhändler ist ein internationaler Konzern geworden, dessen 261 eigene Verkaufsfilialen in 24 Ländern verteilt sind, von Sidney bis nach Dubai und von Peking bis nach Philadelphia. Ikea beschäftigt etwa 130.000 Mitarbeiter und kann auf einen stolzen Umsatz von 21,2 Milliarden Euro verweisen, und das allein im letzten Jahr. Die Geschichte des Möbelhauses ist eine fulminante Erfolgsgeschichte, eine Geschichte der radikalen Massenproduktion von Möbeln, der Kosteneffizienz bei der Produktion, im Vertrieb, bei der Verpackung und nicht zuletzt auch bei der Selbstbedienungs-Organisation der Möbelhäuser. Das Ergebnis dieses konsequenten Ansatzes sind unglaublich preiswerte und manchmal fast unheimliche Ladenpreise. Und lauter Möbel, die überall auf der Welt gleich heißen - mit Namen, die kaum jemand außerhalb Skandinaviens aussprechen kann.
To create a better life
„Wir hatten immer die Vision, den vielen Menschen einen besseren Alltag zu ermöglichen, ein besseres Leben in ihrem Zuhause", sagt Ikea-Chefdesigner Lars Dafnäs bei der Eröffnung der Ausstellung „Democratic Design" in München. Seit dem Sessel „Focus" nach dem Entwurf von Bengt Ruda von 1958 sind Ikea-Möbel mit den Namen von Designern verbunden; schon in den Möbelkatalogen von 1965 waren die Profile der Gestalter neben den Möbeln erläutert. Dass Ikea viel mit Design zu tun hat, ist unumstritten - mit einem egalitären Verständnis von Design, das grundsätzlich auf Teamwork und Togetherness setzt. Auch das ist wohl Teil der „Swedishness", die bei Ikea auf allen Kanälen, bis zu den Namen der Möbel und zum Kindermenü in den Restaurants der Möbelhäuser zelebriert wird. To create a better life!
Die Neue Sammlung in München zeigt in der bis zum 12. Juli laufenden Ausstellung „Democratic Design" insgesamt etwa 160 Ikea-Produkte aus insgesamt sechs Jahrzehnten. Sessel und Systemmöbel, Kinderkollektionen und Geschirr sind auf einzelnen Inseln über die permanente Ausstellung verteilt und fahren im Paternoster-Regal auf und ab. Manchmal ergeben sich dabei durch den Blick auf mögliche Vorgänger der Ikea-Stücke spannende Perspektiven, die den Plagiats-Vorwurf entschärfen. So ist der Stuhl „Jules" - von Nicholai Wiig Hansen aus den 90er Jahren, mit gelochter Sperrholzlehne - in einer ganzen Variantengruppe platziert, die von ähnlichen Entwürfen von Josef Hoffmann bis Roland Rainer und natürlich dem Landi-Stuhl von Hans Coray reicht. Design fällt nicht vom Himmel, und auch Ikea Design tut dies nicht. Immer wieder zeigt die Ausstellung auf, dass vorhandene Entwürfe aufgegriffen, weiterentwickelt, vereinfacht und technologisch verändert wurden, was durchaus legitim erscheint.
Die einzelnen Möbelgruppen in der Ausstellung greifen verschiedene Themen wie Nachhaltigkeit und Billy, Kindermöbel und technologische Materialentwicklungen auf. So ergibt sich eine bunte, recht aufschlussreiche Mischung, die man sich in manchen Bereichen noch etwas ausführlicher gewünscht hätte, damit sie mehr von der reinen Produktschau absetzt. Auch die Post Script Kollektionen von Ikea - Design-Kollektionen, die in loser Folge entstehen, - sind hier und da mit berühmten Namen von Designern eingestreut. James Irvine und Hella Jongerius haben für Ikea entworfen. Und die aktuelle PS Kollektion - sie wird unter dem Titel „Unendliche Design-Geschichten" auch im Rahmen des Salone 2009 in Mailand präsentiert werden - zeigt unter anderem eine Leuchte von Front-Design. Inhouse arbeiten derzeit zwölf Mitarbeiter in der Ikea Design-Abteilung. Dazu kommen fünfzig Freischaffende. Während Ikea in den Siebzigerjahren noch Produkte bei verschiedenen Herstellern angekauft hat - so kam zum Beispiel auch die Tischleuchte „Telegono", von Vico Magistretti 1970 entworfen, zu Ikea - wird heute bis zu 98 % des Sortiments von Ikea selbst entworfen. Bei den 9.500 Produkten in jedem Möbelhaus ist das eine beachtliche Masse.
Demokratie und Marketing
Bleibt zum Schluss doch der Titel der Ausstellung - „Democratic Design". Er hinterlässt einen etwas schalen Nachgeschmack, denn für den Massenmarkt produziert bedeutet nicht unbedingt demokratisch, sondern eher wirtschaftstauglich in einer globalisierten Welt. Sicherlich setzt sich Ikea-Design deutlich von Einzelstücken und Editionen ab, die in den letzten Jahren in Galerien oder auf Auktionen gigantische Preise erzielen. Trotzdem bedeutet preiswert nicht gleich demokratisch. Und auch wenn sich Ikea in vielen Projekten gemeinsam mit Green Peace und anderen Nichtregierungsorganisationen um Nachhaltigkeit bemühte, so liegen die größten Produktionswerke heute trotzdem in China und Polen - weil es dort am billigsten ist. Der Ausstellungstitel erklärt sich aus der Ikea-Geschichte: 1995 wurde die erste PS-Kollektion mit dem Titel „Democratic Design" lanciert. Zweifellos eine charmante Wortgebung - und ein einprägsamer Werbeslogan. Doch von einem staatlichen Museum, das seine Hallen für Ikea öffnet, hätte man sich doch kritische Distanz erwartet, auch wenn die Schau in Kooperation mit dem schwedischen Konzern entstand.