top
Weserholz: Anselm Stählin, Armando Cornejo Chávez, Paula Süveges, Tanja Engel (v.l.n.r.)

Zukunft formen

Das Designstudio und Sozialunternehmen Weserholz aus Bremen setzt Design als Werkzeug ein: Von Bildungsprogrammen bis zur klassischen Kooperation mit Unternehmen bietet das Team eine ökologische und sozial nachhaltige Gestaltung. Was das genau bedeutet, sagt uns der Industrie- und Produktdesigner Armando Cornejo Chavez im Interview.
04.05.2022

Anna Moldenhauer: Armando, mit welcher Idee wurde das Unternehmen Weserholz im Jahr 2017 gegründet?

Armando Cornejo Chavez: Weserholz ist als Sozialunternehmen und Produktdesignbüro gestartet, um über den gemeinsamen Designprozess eine Berufsorientierung und Integration zu ermöglichen. Die Gründerinnen Paula Süveges und Tanja Engel haben damals erkannt, dass für junge Erwachsene, die gerade erst in Deutschland angekommen sind, der Bedarf nach einer ganzheitlichen und privat initiierten Ausbildungsvorbereitung groß ist.

Was hat dich an dem Zusammenspiel aus kreativer und sozialer Arbeit gereizt?

Armando Cornejo Chavez: Genau diese besondere Kombination hat mein Interesse geweckt. Nach einem Workshop bei Weserholz konnte ich als Designer in das Team wechseln. Design als Werkzeug bietet viele Möglichkeiten und diese sollten nicht nur von einer kleinen Gruppe genutzt werden. Die sozialen Probleme, die Design lösen kann, sind im klassischen System der Produktentwicklung leider meist nicht berücksichtigt – und da setzen wir mit unseren Ausdrucksformen an.

Entwurfsprozess im Kollektiv

Weserholz ist ein Studio für partizipative Gestaltung und ein Sozialunternehmen. Das heißt ihr gestaltet nachhaltige Produkte sowie Orte und Bildungskonzepte. Wo liegt euer aktueller Schwerpunkt gerade?

Armando Cornejo Chavez: Der temporäre Schwerpunkt richtet sich nach dem gesellschaftlichen Bedarf und unseren Möglichkeiten, auf diese Nachfrage mit einem in jeder Hinsicht nachhaltigen Angebot zu reagieren. Die Finanzierung der Projekte ist nicht immer einfach, daher analysieren wir unsere Möglichkeiten sehr genau und stellen uns breitgefächert auf.

Du bist Industrie- sowie Produktdesigner und leitest künftig die Designwerkstatt im Bildungsprogramm. Was willst du den SchülerInnen und Angestellten vermitteln?

Armando Cornejo Chavez: Als Industrie- und Produktdesigner habe ich natürlich den Anspruch Produkte zu optimieren und die Herstellungsprozesse zu vereinfachen. Zudem möchte ich Kollaborationen schaffen – und das verbindet sich sehr gut mit dem Konzept von Weserholz. Wir sind davon überzeugt, dass wir bessere Ergebnisse schaffen können, wenn wir interdisziplinär arbeiten. Dann ist auch eine Simplifikation des Designprozesses möglich. Dafür ist es für uns zentral, dass der Austausch offen ist und bleibt, denn nur dann profitieren alle Seiten davon. Unsere Projekte realisieren wir immer auf mehreren Ebenen – von Schulprojekten, über Workshops mit Geflüchteten bis zu Kooperationen mit Unternehmen.

Stuhl "bintou"

Außerhalb der Branche ist der Sinn und Zweck von Produkt- und Industriedesign für das soziale Miteinander oft nicht sofort greifbar. Inwiefern wollt ihr an diesem Punkt Vermittlungsarbeit leisten?

Armando Cornejo Chavez: Ich denke es ist ein Problem, das mit dem Wort Design oft nur Luxusprodukte assoziiert werden. Unser Angebot einer gesellschaftlichen Problemlösung und das Schaffen von sozialen Verbindungen soll ganz klar aufzeigen, was Design darüber hinaus leisten kann.

Im Moment liegt der Fokus eurer Entwürfe auf der Funktion. Gibt es eine Formensprache, die euch inspiriert?

Armando Cornejo Chavez: Wir folgen keiner formalen Sprache, es geht eher darum eine Balance zu finden. Wir versuchen das Material so zu verwenden, dass es wenig Verschnitt gibt und möglichst keine Energie verschwendet wird. Die formale Sprache der Produkte entsteht aus dem Prozess, der zur Lehre dient. Das prägt ihre Form und lässt das Produkt intuitiv verständlich werden.

Der Stuhl "bintou" ist aus sechs Teilen zusammensteckbar und mit farbigem Linoleum belegt.

Woran arbeitet ihr gerade?

Armando Cornejo Chavez: Wir haben derzeit zwei Arbeitsbereiche, die eng miteinander verbunden sind: die Schaffung neuer Konzepte und Bildungsangebote, die es uns ermöglichen, einen kontinuierlichen Beteiligungsfluss mit mehr AkteurInnen zu etablieren, darunter eine Aktualisierung unseres Programms Design als Brücke in Ausbildung. Wir erkunden aber auch verschiedene Arten von Workshops, bei denen Dauer und Ziele flexibel sind und in Zusammenarbeit mit den TeilnehmerInnen definiert werden. Der zweite Arbeitsbereich konzentriert sich auf die Produktentwicklung. Dazu gehören das klassische Modell des Produktdesigns (Kunde, Auftrag, Projekt), aber auch das Design mit sozialem Ansatz, von dem wir gesprochen haben. Hier fließen meines Erachtens die unterschiedlichen Erfahrungen unseres Teams am besten ein, da ein großer Teil der Arbeit die Suche nach der richtigen Akteurskonstellation ist, die das Projekt möglich macht (Interessengruppen, Vereine, Aktivisten, Finanzierung). Normalerweise ergreifen wir die Initiative, um diese Probleme aus gestalterischer Sicht anzugehen, zum Beispiel haben wir derzeit einem Bremer Verein namens Hoppenbank vorgeschlagen, ein Produkt zu entwickeln, das der finnischen Babybox analog ist, aber die Resozialisierung von Ex-Sträflingen erleichtern soll.

Design als Werkzeug: Designstudio und Sozialunternehmen Weserholz