top
Werner Düttmann, Haus Dr. Menne, 1965, Akademie der Künste, Berlin, Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 129 F. 29/2

Werner Düttmann 100: Berlin. Bau. Werk

In Berlin breitet sich eine Ausstellung über den Architekten und Stadtplaner Werner Düttmann vom Brücke-Museum in Dahlem über ganz West-Berlin und bis ins Internet aus. Das ist nicht nur corona-konform, sondern setzt auch im Bezug auf Wissens- und Architekturvermittlung neue Maßstäbe — und bringt einem auf spielerische Weise die Stadt und die Architektur Düttmanns gleichermaßen näher.
von Florian Heilmeyer | 13.07.2021

Am 6. März 2021 wäre der Berliner Architekt und Stadtplaner Werner Düttmann (1921-1983) genau 100 Jahre alt geworden. Ihn zu den bedeutendsten Persönlichkeiten der Stadt zu zählen, ist sicher keine Übertreibung. Neben seiner Tätigkeit als Senatsbaudirektor Westberlins in den Mauerbaujahren von 1960 bis 1966, unterrichtete er auch von 1966 bis 1970 als Professor an der Technischen Universität und war der Präsident der Akademie der Künste ab 1971 bis zu seinem frühen Tod. Neben diesen Ämtern blieb er immer auch freier Architekt, wobei die Überschneidungen seiner Positionen ihm sicher half, Aufträge zu bekommen. Düttmann war schlicht mit allen bekannt, wird zum deutschen Kontaktarchitekten des Amerikaners Hugh Stubbins beim Bau der Kongresshalle im Tiergarten (1956-57) und übernahm für Bruno Grimmek die Bauplanung für dessen "Palais am Funkturm". Beide Gebäude zählen sicher zu den beschwingtesten Vertretern einer heiteren 1950er-Jahre-Architektur im Westteil der Stadt.

St. Agnes, Außenansicht, o.J., Akademie der Künste, Berlin, Werner-Düttmann-Archiv, Nr. 23 F. 22/37, Foto: Wolf Lücking

Aber Düttmann baute auch selbst. Von Spandau bis Zehlendorf und von Neukölln bis nach Reinickendorf sind seine Werke heute noch zu finden, darunter das Märkische Viertel, die kreisrunde Wohnbebauung des Mehringplatzes, die Kirchen St. Agnes in Kreuzberg – in der heute Johann König seine Galerie betreibt – und St. Martin, die brutalistische Hauptmensa der TU oder die luftige Verkehrskanzel an der bekanntesten Kreuzung des Ku’damms. Und auch drei ihrer allerschönsten Gebäude hat die Halbstadt West-Berlin Werner Düttmann zu verdanken, denn sowohl die wunderbar leichte "Volksbibliothek" im Hansa-Viertel (1956/57) als auch die sich ins Grün des Tiergartens streckende Akademie der Künste (1958-60) und das sich pavillonartig ausbreitende Gefüge des Brücke-Museums (1964-67) am Rande des Grunewalds stammen aus seiner Feder. Auch wenn heute nur erstaunlich Wenige noch mit dem Namen "Düttmann" etwas anfangen können – ein Gebäude von ihm kennt jeder, der sich ein wenig in West-Berlin auskennt.

Diese seltsame Unbekanntheit Werner Düttmanns ist auch Lisa Marei Schmidt aufgefallen. Schmidt ist seit 2017 Direktorin des Brücke-Museums. Für eine ihrer ersten Ausstellungen ließ sie die über die Jahre immer wieder umgebauten Innenräume weitgehend in den Originalzustand zurückbauen, was eine erstaunliche feinsinnige Architektur freilegte mit einem vielschichtigen Geflecht aus Beziehungen zwischen Innen und Außen, Licht und Schatten, zwischen Kunst, Gebäude und Mensch. Lisa Schmidt erzählt, sie habe selbst gestaunt: Erst über die komplexe Durchdachtheit dieses recht kleinen, unauffälligen Hauses – dann darüber, dass fast niemand mehr Düttmann kannte und auch keines der größeren Ausstellungshäuser in Berlin eine Ausstellung zu dessen 100. Geburtstag plante. Also machte sie sich selbst an die Planung, auch wenn sie mehr aus der Kunst- als aus der Architekturvermittlung stammt.

Vielleicht ist die Ausstellung "Werner Düttmann. Berlin. Bau. Werk" (noch bis 29. August 2021) ja gerade deswegen so gut geworden. Nicht nur, weil sie in diesem von Düttmann selbst entworfenen Gebäude gezeigt werden kann. Sondern vor allem, weil sich hinter der feinen, konzentrierten Ausstellung in Dahlem ein weit über die Schau hinausreichendes, auf die Stadt selbst verweisendes und multimediales Netzwerkprojekt voll wunderbarer inhaltlicher Untiefen verbirgt. Neben dem Brücke-Museum werden auch die Akademie der Künste und die Bibliothek im Hansaviertel als Standorte genutzt. Des Weiteren wurden vor 28 der noch existierenden Bauten Düttmanns große Informationstafeln aufgestellt, die auf einer wunderbar gestalteten Webseite als interaktive Karte zusammengeführt werden, die sich zum Beispiel auf dem Mobiltelefon als Stadtführer nutzen lässt; man begibt sich auf Düttmann-Safari und findet architektonische Preziosen in Teilen der Stadt, die einem zuvor vielleicht noch nicht so geläufig waren: zum Wohnpark Kleiner Wannsee, zum Jugendzentrum in Zehlendorf, zur Wohnanlage Lentzeallee, zum Edinburgh-Haus am Theodor-Heuss-Platz oder zum Haus von Rolf Salzbrodt.

Damit man nun nicht überall selbst überm Zaun hängen muss, um die zum Teil natürlich sehr privaten Häuser sehen zu können, hat das Ausstellungsteam auch noch eine ganze Reihe wunderbarer Interviews und Ortsbegehungen mit aktuellen BewohnerInnen und NutzerInnen von Düttmanns Gebäuden geführt, die nun als Tonspur oder Film auf der Webseite verfügbar sind und uns ganz ohne Hausfriedensbrüche in und um einige der Gebäude führen. Es ist nichts weniger als Grundlagenarbeit, die diese Ausstellung geleistet hat, und die nun unabhängig von der Laufzeit und dem Ort der Ausstellung dauerhaft online verfügbar ist, zusammen mit umfassenden Informationen zu Düttmanns Leben und zu jedem einzelnen der angeführten Gebäude. In der äußerst gelungenen Verknüpfung der unterschiedlichen Medien setzt diese Düttmann-Ausstellung neue Maßstäbe – und das kann man wahrlich nicht oft über eine Architekturausstellung in Berlin sagen.

Werner Düttmann. Berlin. Bau. Werk

Tipp: Berliner Architekturen der 1980er Jahre zeigt darüber hinaus noch bis zum 16. August 2021 die Ausstellung "Anything Goes?" in der Berlinische Galerie.

Anything Goes?
Berliner Architekturen der 1980er Jahre

Berlinische Galerie
Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124-128
10969 Berlin

Mittwoch bis Montag: 10 – 18 Uhr
Dienstags geschlossen

Friedrichstadtpalast