Parkhäuser – Tiefgaragen eingeschlossen – sind die urbanen Speichermedien des Automobilzeitalters und der autogerechten Stadt. Statt vieler Datensätze werden in diesen innerstädtischen Servern massenhaft mobile Einheiten temporär eingelagert und für den Gebrauch vor und nach den Arbeits- und Geschäftszeiten vorgehalten. An diesen Orten ruht der Verkehr planmäßig. Hier wird die mobile Einheit Automobil ordnungsgemäß einsortiert, sprich, das Fahrzeug stunden- oder tageweise trocken und sicher abgestellt.
Ilja Irmscher nennt im Vorwort zu seinem Standardwerk „Parkhäuser und Tiefgaragen. Handbuch und Planungshilfe“ aus dem Jahr 2013 für den besonderen Gebäudetyp je nach Sprachraum und Spezifik Bezeichnungen wie Parkierungsanlagen, Parkbauten, Parkpaletten und Parksysteme oder Wortkombinationen wie Tief- und Hochgaragen, Parkgaragen und verschiedenes mehr. Was ihren praktischen Gebrauch angeht, vermerkt er: „Die geometrische Bemessung der Parkbauten wird aus den funktionalen Erfordernissen beim Fahren und Rangieren der einzuparkenden Fahrzeuge sowie beim Ein- und Aussteigen der Insassen abgeleitet und ermöglicht so eine universelle und zugleich weltweit einsetzbare Entwurfsmethodik.“ Auch wenn das den angesichts zu enger Stellplätze nicht selten verzweifelten Nutzer wenig trösten kann, fügt er hinzu: „Zu beachten ist, dass in den Regelwerken häufig lediglich Mindestmaße vorgegeben sind, die nur für relativ kleine Regelfahrzeuge und einen geringen Komfortanspruch ausreichen.“ Wer jemals mit einer üppig bemessenen Limousine oder einem stattlichen SUV in ein Parkhaus älteren Datums gefahren ist, der konnte buchstäblich erfahren, welche praktischen Probleme sich hinter harmlos klingenden Begriffen wie „Mindestmaß“ und „Regelfahrzeug“ verbergen.
Wirkte die Ende der 1920er-Jahre entstandene Citroën-Garage in der Rue Marbeuf in Paris mit ihrer hell erleuchteten Glasfront, ihrer spiralförmigen Auf- und Abfahrt, Tankstelle, Reparaturwerkstatt und Waschanlage noch wie ein „Motel für Autos“, so hat solche Heimeligkeit längst der Nüchternheit hässlicher Zweckbauten ebenso weichen müssen wie der Service-Gedanke. Wo sich einst, während man arbeitete oder durch die Stadt flanierte, kleinere Reparaturen oder ein Reifenwechsel erledigen ließen, der Wagen vollgetankt oder gewaschen wurde, stehen heute nur noch Automaten bereit, die, hat man sie überhaupt gefunden, mit so schnöden Worten wie „Bitte Karte stecken“ nach dem Ticket verlangen, um einem regungslos die Rechnung zu präsentieren.
Trotz alledem: Ohne solche Architekturen des ruhenden Verkehrs wäre in verdichteten Innenstädten keine Mobilität im Sinne eines fließenden Verkehrs vorstellbar. Wären alle gleichzeitig unterwegs, herrschte nichts als Stillstand. Hinzu kommt: Es ist allgemein bekannt, dass es nicht die wachsende Zahl der Automobile war, die eine entsprechende Infrastruktur aus Straßen, Brücken und Parkhäusern nach sich zog, sondern umgekehrt: Die bereitgestellte Infrastruktur hat bei vielen erst den Wunsch geweckt, selbst ein Automobil besitzen zu wollen. „Immer mehr Straßen und Parkhäuser“, so Oswald, „säten immer mehr Verkehr“. Trotz dieses offensichtlichen Teufelskreises und der heutigen Permanenz eines zähen Verkehrsflusses scheint die modernistische Formel Le Corbusiers wenig von ihrer Faszination eingebüßt zu haben: „The city of speed is the city of success“.
Mag das Auto als Fetisch und Inbegriff einer selbstbestimmten, dynamischen Lebensform mittlerweile auch an Strahlkraft eingebüßt zu haben, die individuelle Massenmobilität stellt die Städte auch weiterhin vor große Herausforderungen. Um, wenn schon nicht Abhilfe, so wenigstens Linderung bei der Parkplatzsuche zu schaffen, setzen Verkehrsplaner und Architekten heute vor allem auf vernetzte Parkleitsysteme, effizientere Parkraumgestaltung – auch mittels mechanischer oder automatischer Parksysteme – oder noch in der Entwicklung befindliche Lösungen wie „autonomes Parken“.
An der Bauaufgabe „Parkhaus“ ändert das im Grundsatz wenig. Die Rezepturen sind mehr oder weniger immer dieselben. Kaum nachvollziehbar etwa ist, dass Elektromobilität in Deutschland zwar politisch vollmundig gefordert und der Kauf entsprechender Modelle neuerdings sogar subventioniert wird, in den entsprechenden Garagenverordnungen für Neubauten aber lange keine Anschlüsse für Ladestationen vorgeschrieben wurden. Offenbar hat man vergessen, dass es zu Beginn des Automobilzeitalters eine funktionierende Infrastruktur war, die das Bedürfnis nach einem Auto geweckt hat. In der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Neufassung der Hessischen Verordnung über den Bau und Betrieb von Garagen und Stellplätzen (Garagenverordnung) sind Elektroladesäulen zwar noch immer nicht zwingend vorgeschrieben. Immerhin aber regelt § 2 Absatz 3: „Garagen müssen eine ausreichende Anzahl von Einstellplätzen haben, die über einen Anschluss an Ladestationen für Elektrofahrzeuge verfügen. Der Anteil dieser Einstellplätze bezogen auf die Gesamtzahl der Einstellplätze muss mindestens fünf Prozent betragen.“ Das ist wenigstens ein Anfang.
So gilt auch mit Blick auf die Speichermedien des Automobilzeitalters bis auf weiteres die Feststellung des Philosophen Peter Sloterdijk: „Es ist vor allem die neuzeitliche Mobilmachung des Personen- und Güterverkehrs, die für das menschliche Behausungswesen radikal veränderte Wahrnehmungs- und Gestaltungsbedingungen geschaffen hat.“ Was das bedeutet, lässt sich mit Joni Mitchel auch singen: Sie haben das Paradies gepflastert und einen Parkplatz daraus gemacht. Sie, das sind wir alle. Und es kann auch eine Art Hochregallager sein, das man Parkhaus nennt.
Ilja Irmscher
Parkhäuser und Tiefgaragen
Handbuch und Planungshilfe
Mit Beiträgen von Ivan Kosarev und
Angela Schiefenhövel sowie einer Einleitung
von Ansgar Oswald
2 Bde. i. Schuber, ca. 550 S., über 600 Abb.,
DOM publishers, Berlin 2013
Deutsche Ausgabe
ISBN 978-3-86922-428-2
Englische Ausgabe
ISBN 978-3-86922-429-9
Neuauflage in Vorbereitung