Foto © Patricia Parinejad, Stylepark
Jo Nagasaka ist für Überraschungen gut. Der Architekt gründete 1998 sein Studio Schemata Architects in Tokio. In seinen Projekten ist er stets auf der Suche nach zeitgemäßen Lösungen für bekannte Objekte – und das mittels ebenso wegweisender wie innovativer Techniken. Seine Projekte reichen von XXL-Installationen über interaktive Interieurs bis zu kleineren Produkten und Möbeln. Während des Salone zeigte der Japaner die Installation „boingboing“ im Mailänder Showroom von Kinnasand. Die vier tonnenförmigen architektonischen Strukturen von unterschiedlicher Größe setzen sich aus nur zwei Materialien zusammen: dem Stoff „Waver“ aus der aktuellen Kollektion „Zoom“ und aus einer Vielzahl von Lichtleitern, die dem Ganzen Form und Halt geben.
Uta Abendroth hat mit dem Mann gesprochen, der am liebsten immer im Maßstab 1:1 arbeitet – ganz gleich bei welchem Projekt.
Uta Abendroth: Jo Nagasaka, der Titel Ihrer Installation „boingboing“ klingt ziemlich lustig. Spielt Spaß eine große Rolle bei Ihren Projekten?
Jo Nagasaka: Ich mag Spaß, aber ich bin mir nicht sicher, ob er gerade bei meiner Arbeit eine so große Sache ist.
Sie haben den transparenten und luftigen Stoff „Waver“ aus der Kollektion „Zoom“ von Kinnasand für die vier freistehenden Gebilde verwendet. Was mögen Sie an diesem Material?
Jo Nagasaka: Mein erster Eindruck war, dass ich mit etwas zu tun habe, was mir überhaupt nicht vertraut ist, anstatt es einfach zu mögen. Ich war es einfach nicht gewohnt, mit einem so weichen und leichten Material zu arbeiten. Es fühlt sich soft und angenehm an. Ich denke, dieser Stoff ist wunderbar, um ihn in einem Zuhause für Gardinen zu verwenden.
Wie hat sich die Idee entwickelt, eine temporäre architektonische Struktur daraus zu entwerfen?
Jo Nagasaka: Anfangs hatten wir überhaupt keine Ahnung, was wir mit einem derart weichen Material machen könnten. Aber dann haben wir als Architekten beschlossen, das Material gleichsam zum Stehen zu bringen und dabei gleichzeitig die charakteristische Transluzenz des Stoffs zu betonen. Wir haben uns dafür entschieden, eine freistehende Struktur zu entwickeln, anstatt den Stoff an bereits bestehenden Säulen aufzuhängen. Das Ergebnis dieses Entwicklungs- und Designprozesses sind die vier unterschiedlich großen körperhaften Gebilde aus Stoff, bei denen Glasfasern die vertikalen Lasten tragen, weil sie miteinander verbunden sind und sich somit gegenseitig stützen.
Das Material, das dem leichten Stoff Halt gibt, sind Lichtleiter. Nicht gerade ein gewöhnliches Material, um für strukturelle Stabilität zu sorgen. Mögen Sie es, Dinge umzufunktionieren und einem anderen Zweck zuzuführen?
Jo Nagasaka: Ich mag es, die neuen Möglichkeiten, die einem Material innewohnen, zu entdecken. Aber ich hatte mir in diesem Fall nicht vorgenommen, irgend etwas Spektakuläres zu machen. Ich habe mich für die Verwendung von Lichtleitern entschieden, weil das Material transparent ist und leicht in der benötigten Länge zu bekommen ist.
Was bedeutet Ihnen Handwerkskunst? Ist sie für Sie überhaupt die Basis für Design und Architektur?
Jo Nagasaka: Gute Handwerkskunst ist unverzichtbar, um gute Dinge herzustellen. Tatsächlich ist es bei uns im Büro so, dass wir Ideen entwickeln, während wir dort vor Ort Dinge von Hand machen.
Vor sechs Jahren haben Sie in den „Flat Tables“ für Established & Sons Holz und Kunstharz kombiniert. Spielen Oberflächen eine besondere Rolle in Ihrer Arbeit?
Jo Nagasaka: Das Konzept der „Flat Tables“ bestand darin, zwei unterschiedliche Materialien zu kombinieren und damit eine neue Qualität zu kreieren. Es ging dabei nicht so sehr um Oberflächen.
Auf welche Art und Weise beeinflussen Ihre Objekte den Raum um sich herum?
Jo Nagasaka: Im Fall von „boingboing“ sorgen die Strukturen für weiche und federnde Unterteilungen eines Raumes.
Manche Ihrer Arbeiten – zum Beispiel der Messestand von Vitra, den sie im vergangenen Jahr zum Salone aus Europaletten und Lagerregalen gebaut haben – erwecken den Eindruck von etwas Improvisiertem. Was mögen Sie an „Unfertigem“?
Jo Nagasaka: Ich denke, dass wir bei der Gestaltung des Vitra-Standes erfolgreich ein System entwickelt hatten, mit dem man frei improvisieren und kombinieren konnte. Normalerweise sind die Display-Methoden in den typischen Ausstellungssituationen vorgegeben. Beim Vitra-Stand aber konnte jeder Designer seine Art der Ausstellung frei bestimmen. Ich denke, das ist sehr wichtig. Bei dem Konzept ging es darum, „Bewegung“ durch eine räumliche Komposition zu suggerieren. Die Paletten haben dem Stand dabei einen ebenso aktiven wie spielerischen Touch verliehen.
Gibt es etwas typisch Japanisches in Ihren Projekten oder sehen Sie sich eher als „global player“?
Jo Nagasaka: Da bin ich mir nicht ganz sicher. Aber da viele Leute meine Arbeit zu genießen scheinen und sie ohne große Erklärungen meinerseits verstehen, kann ich wohl sagen, dass meine Arbeit doch eher global einzuordnen ist.