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Eine Vitrine sieht rot: „Guard“ von Christian Haas für Schönbuch.

Wenn das Sofa rosa trägt

Konservativ war gestern: Ob starker Akzent oder im mondänen Mix – überall auf der imm cologne waren farbige Möbel zu sehen. Künftig braucht jede Marke wohl ihr eigenes Farbkonzept.
von Martina Metzner | 31.01.2017

Alles so schön bunt hier, hätte man ausrufen wollen, als man sich in den Kölner Messehallen von Stand zu Stand vorarbeitete. Alle sprachen von Farbe, alle bekannten Farbe. Das Phänomen ist nicht ganz neu, entwickelt sich aber in Schüben weiter. Ob Stühle, Sessel, Sofas, Accessoires, selbst Tische und Leuchten wurden in einer großen Palette an Farbtönen angeboten. Und die modernen Klassiker, ob bei Cassina, Tecta oder Thonet, bekommen wieder neue Aufmerksamkeit durch ein Farb-Update. Was durchaus diskutiert wird. Überhaupt fragt man sich: Wieso trägt das Möbel-Design aktuell so viel Farbe? Was heißt das für die konkrete Gestaltung von Räumen? Und vor allem: Welche Farben und Farbkombinationen sollen’s denn sein?

Da geht die Sonne auf: Re-Edition „Frog-Stuhl“ von Herbert Hirche bei Richard Lampert.
Leuchten in Gelb: Jasper Morrison und Verner Pantons Sitz-Klassiker bei Vitra.

Sicher ist: Das Interior-Design wird immer modischer. Am deutlichsten trat dies zu Tage, als der gefeierte Modedesigner Raf Simons 2014 eine Bezugstoff-Kollektion für Kvadrat vorstellt – woraufhin viele Hersteller, darunter bekannte Namen wie Vitra oder Walter Knoll, ihre erfolgreichsten Modelle mit den raffinierten Stoffen bezogen haben. Die Mode macht es in puncto Farbe fürs Möbeldesign vor: Was 2012 mit starken Primärfarben auf den Catwalks anfing, sah man wenige Saisons später auch beim Möbeldesign. Diese sind besonders bei Solitären interessant – kennt doch das Wohndesign schon seit der Moderne und Leitfiguren wie den Eames und Le Corbusier die Akzentuierung durch ein farbiges Einzelstück. Parallel dazu kamen pastellige Mädchenzimmer-Farben auf, die besonders von jungen dänischen Möbelmarken wie Hay und Muuto propagiert wurden. 


Als starke Einzelfarbe wurde in Köln nun häufig auf helles Gelb gesetzt – etwa bei Vitra, wo der „Panton Chair“ in einem Sonnengelb strahlte, oder bei Richard Lampert, der den „Frog-Stuhl“ von Herbert Hirches in Zitronengelb lancierte. Starke Stücke in starken Farben, das kennt man. Weniger aber, dass Regale und Sideboards durch Farbe auffallen und so vom Neben- zum Hauptdarsteller werden. Gleich zweimal wurde dies anhand von Entwürfen von Werner Aisslinger anschaulich vorgeführt: Bei Piure mit dem neuen Regalsystem „Mesh“ in einem gebrannten Rot-Orange und bei Conmoto mit dem neuen „Pad Board“ in sattem Grasgrün. Überhaupt Grün: Die Farbe, die wie keine andere für den „neuen grünen Lebensstil“ steht, sah man in den unterschiedlichsten Nuancen – so auch in „Greenery“, einem gelbstichigen Hellgrün, der Pantone-Farbe des Jahres.

Vom Neben- zum Hauptdarsteller: „Mesh“ in Rot-Orange à la Campari von Werner Aisslinger für Piure.

Nun aber reicht es nicht mehr, starke Einzelfarben oder eine einzige Farbwelt aufzustellen. Denn wie man in Köln sehen konnte, gab es sehr viele unterschiedliche Farbkonzepte. Dem einen gelang es, dem anderen weniger. Dass man Möbel nicht einfach in irgendeinen Farbtopf tauchen oder polychrom anbieten kann, zeigt allen voran Hella Jongerius, die schon vor Jahren von Vitra beauftragt wurde, eine „Colour & Material Library“ für die gesamte Kollektion zu erstellen, die schließlich beim vergangenen Salone del Mobile in einer Installation vorgestellt wurde. Auch Cassina legte sich für diese Aufgabe eine freischaffende Art Directorin zu: Patricia Urquiola rührt seit rund anderthalb Jahren die Farbpalette für die gesamte Kollektion an und stellte in Köln mit „In-store philosophy 3" ein Farb- und Style-Konzept für Läden vor.  

Farben so zu kombinieren, dass sie den Zeitgeist treffen, ist kein leichtes Unterfangen. Gelungen war es in Köln Jaime Hayon mit seiner neuen Kollektion für Wittmann, bei der sich Tannengrün, Senfgelb, Royalblau und Burgunderrot zu einem von den Wiener Salons der vorletzten Jahrhundertwende inspirierten Einrichtungsstil zusammenfügten. Dazu passten dann auch Akzente in mattem Gold, was durch gebürstetes Messing in Erscheinung trat, das als Nachfolger des in den letzten Jahren allgegenwärtigen Kupfers gelten darf. Kubischen Formen attraktiven Glanz verleiht auch Philipp Mainzer mit seinem neuen Sideboard „Jorel“ für Interlübke, mit Fronten aus gold-eloxiertem Aluminium und kombiniert mit dem „Studimo"-System in Nachtblau und gedämpftem Rosa. Beides zeigt: An Farbe im Raum kommt derzeit offenbar keiner mehr vorbei.

Dänische Bohème: &tradition inszeniert Jaime Hayons „Catch Lounge“ vor Tannengrün und Gold.
Selbst Interlübke bekennt Farbe: Mit Philipp Mainzers neuem Sideboard „Jorel“ in Gold vor dem 40 Jahre alten Regal-Klassiker „Studimo“ in Rosa.
Ein Spanier bittet zum Salon: Jaime Hayons neue Kollektion für Wittmann setzt auf einen aparten Mix aus dunklen Tönen, flankiert von Senfgelb.

Auch bei Rohi hat man sich intensiv Gedanken über Farbe gemacht – nicht nur, weil man nun mit „13rugs“ ein Endprodukt auf den Markt bringt, sondern auch, weil man den Herstellern und Einrichtern eine Art Hilfestellung bieten möchte. So hat der Polsterstoffhersteller das Münchener Designbüro Formstelle mit der Erstellung einer Farbrecherche beauftragt, um die stärksten Strömungen und Konzepte sichtbar zu machen. Herausgekommen ist: Der großen Palette an Grüntönen wird ein exotischer Schuss Pfirsichton hinzugefügt. Daneben propagiert Formstelle ein Jeansblau in unterschiedlichsten Nuancen, kollagiert mit einem gebrannten Rostton. Ungebrochen scheint auch die Tendenz zu eher zurückhaltenderen Farben wie Creme, Beige, Grau und Weiß in unterschiedlichen Schattierungen.

Wie schon bei Raf Simons beweisen auch die Bezugsstoffe von Rohi: Die Raffinesse im Detail. So zeigt sich, was von weitem türkisblau wirkt, bei näherem Hinsehen als vielschichtiger, sind den blauen Garnen doch ockerfarbige eingewoben, die die dominante Farbe aufbrechen. In Kombination mit den aktuell gerne eingesetzten, aufwendigen Webstrukturen werden die Stoffe dadurch sehr „lebendig“, wie man im Textilfachjargon sagt. Schade nur, dass Sessel und Sofas nicht häufiger mit abziehbaren Bezügen angeboten werden. So könnte man deren Kleid – der Mode gleich – je nach Anlass und Jahreszeit wechseln. Dann nämlich würde man vielleicht eher mal zu einem gemusterten Stoff greifen – etwa einem in den in Köln scheinbar immer noch unentbehrlichen floral-exotischen Mustern, wie man sie etwa am Stand von Christian Fischbacher bewundern konnte.

Für Tagträumer: Classicon zeigt Eileen Grays Daybed und den wiederaufgelegten „Centimetre rug“ in sonorem Ozeanblau.
Wie im Aquarium: Vitra setzt auf eine Melange aus dunklen Grün- und Blautönen.

Es lohnt sich also, das Thema „Farbe im Raum“ mit Bedacht und einem in sich stimmigen Konzept anzugehen. Um nicht in den falschen Farbtopf zu greifen, empfiehlt sich ein tonaler Umgang mit Farbe, wie man es beispielsweise bei Schönbuch sehen konnte. Da gab es das blaue, das rote, das grüne, das graue Zimmer, wobei in jedem nur mit den Abstufungen einer Farbe gespielt wurde.

Und was das zarte Rosa betrifft, dem man ja immer noch allenthalben mit Entzücken und Verwunderung begegnet, so kann man sagen: Ein Sessel in Barbies Lieblingsfarbe, muss das wirklich sein? Was zunächst wie eine Frage des Geschmacks anmutet, hat freilich komplexere Gründe: Die großen Mode- und Möbelmarken setzen ja nicht nur in Europa ihre Produkte ab. Und da der asiatische Markt groß ist und Asiatinnen gerne mädchenhaftes Rosa bevorzugen, zeigte die Modemarke Céline in der Herbst-Kollektion 2013 als erste einen rosafarbenen Mantel, der unzählige Nachahmer fand und mittlerweile längst im Straßenbild angekommen ist. Da darf das Sofa – quasi der „Mantel“ der Wohnraum-Garderobe – natürlich nicht fehlen.

Damit geht nichts schief: Monochrome Raumgestaltung am Stand von Schönbuch.
I’m a Barbie girl in a Barbie world: Daybed, Beistelltisch sowie Leuchten von Sebastian Herkner für Pulpo tragen rosa.
Beim näheren Hinsehen „lebendig": Beim Polsterstoff „Opera" von Rohi wird die Grundfarbe durch ein andersfarbiges Kett-Garn aufgebrochen.