Nachhaltigkeit
Energie aus Wasserstoff
Wasserstoff (H2) als nachhaltiger Energieträger hätte in der Theorie viele Vorteile: Bei der Verbrennung des Gases entsteht lediglich Wasser, keine schädlichen Emissionen. Der nötige Strom für die Produktion kann aus erneuerbaren Energien stammen und eine Entladung, wie bei einer Batterie, gibt es beim Wasserstoff nicht. Eine Tankstelle für Wasserstoff in jeder beliebigen Architektur blieb bisher dennoch eine Wunschvorstellung, denn die gängigen Anlagen für die Speicherung benötigen sehr viel Fläche und unterliegen langwierigen Genehmigungsverfahren. Obendrauf entstehen während der Komprimierung des Gases stets hohe Stromkosten, der Vorgang ist laut und erzeugt starke Vibrationen.
Die Technik der Forscher der ETH Lausanne löst diese Probleme nun in einem einzigen System: Der Wasserstoff wird von dem Laborgerät "HyCo" in einem Schritt gespeichert und verdichtet, ohne Elektrizität, sondern mit Wärme. Diese kann mittels der Umwandlung von Wind- und Sonnenergie gewonnen werden, wie über Solarzellen auf dem Dach des Hauses. Auch die Abwärme einer industriellen Produktion zu nutzen wäre denkbar. Das System kommt zudem komplett ohne Geräusche oder Vibrationen aus. Die Betankung von Autos mit Wasserstoff sowie die Umwandlung des Wasserstoffs in Strom könnte effektiver und einfacher geschehen. Wasserstoff-Autos gibt es bereits – Japan und China haben in der Entwicklung serienreifer Wasserstofffahrzeuge bereits einen deutlichen Vorsprung und sehen die nachhaltige Alternative als festen Bestandteil ihrer Energiepolitik. In Deutschland ist die Versorgung mit einen entsprechenden Tankstellennetz für Wasserstoff noch sehr ausbaubedürftig. Mit der Forschung der ETH Lausanne ließe sich eine Mini-Tankstelle für Wasserstoff unkompliziert an diversen Standorten installieren – vom Privathaus bis zum Parkhaus. Zusammen mit GRZ Technologies und dem Industriegasspezialist Messer arbeitet Prof. Dr. Andreas Züttel von der Polytechnischen Hochschule Lausanne (EPFL) nun an der kommerziellen Umsetzung.
Anna Moldenhauer: Herr Prof. Dr. Züttel, wie funktioniert die "Wasserstoff-Tankstelle" im kleinen Format?
Prof. Dr. Andreas Züttel: Was wir vorstellen, ist die Kompression für Wasserstoff mittels Metallhydrid-Technologie. Normalerweise ist für die Speicherung von Wasserstoff viel Raum und großer Druck erforderlich, beispielsweise in einem Hochdrucktank. Mit unserem Hydridspeicher aus Metall funktioniert das wesentlich kompakter und nachhaltiger. Zudem ist nur Wärme erforderlich, um den nötigen Druck im Speicher aufzubauen. Bei der Verwendung im Privathaushalt würde man so auf dem Dach des Hauses Photovoltaikanlagen installieren und über die gewonnene Energie einen Elektrolyseur betreiben, der Wasserstoff erzeugt. Der Wasserstoff wird anschließend im Metallhydrid gelagert und kann als Langzeitspeicher für Energie verwendet werden. Bei Bedarf wird er in Strom umgewandelt, um die Energieversorgung im Haus abzudecken. Oder man nutzt ihn für den Antrieb eines Fahrzeugs indem man den Speicher während dem Tanken aufheizt und so den Druck im Fahrzeugtank aufbaut.
Wieviel Wasserstoff passt aktuell in die kompakte Einheit des Metallhydrids?
Prof. Dr. Andreas Züttel: Etwa fünf Kilogramm Wasserstoff, damit kann man einen standardisierten Autotank befüllen.
Wo lag die Herausforderung bei der Entwicklung?
Prof. Dr. Andreas Züttel: Die Schwierigkeit ist die Wärmeübertragung in einem Speicher, der einen hohen Druck aushalten muss. Das widerspricht sich eigentlich. Denn wenn man Wärme will, braucht es ein möglichst dünnwandiges System, für hohen Druck braucht man dickere Wände. Der Trick ist der, dass wir den Metallhydridtank so realisieren konnten, dass er zwar dünnwandig ist, aber trotzdem bei hohem Druck arbeiten kann.
In der Diskussion um Wasserstoff als Energieträger fallen mitunter die Begriffe "zu geringer Wirkungsgrad" und "zu hohe Kosten" – was meinen Sie dazu?
Prof. Dr. Andreas Züttel: Jedes Mal, wenn man Energie wandelt, gibt es einen bestimmten Wirkungsgrad, sprich ein Teil der Energie wird zu Wärme. Beim Wasserstoff hängt es stark davon ab, wie schnell man wandelt und mit welchem System, aber grundsätzlich kann man etwa 80 Prozent der elektrischen Energie in Wasserstoff umwandeln. Das die Kosten derzeit noch hoch sind, liegt in der Natur der Sache. Die Modelle sind Prototypen und von Hand gefertigt. Schlussendlich ist es eine Frage der Menge. Wenn viele Anlagen produziert werden, wird die Einzelne auch entsprechend günstiger. Mittels vieler kleiner Anlagen ist die flächendeckende Versorgung zudem schneller zu leisten als mit wenigen großen Anlagen.
Was fehlt Ihrer Meinung nach für die Realisierung von Wasserstoff als flächendeckender Energieträger?
Prof. Dr. Andreas Züttel: Es braucht noch einige Entwicklungsstufen bis Wasserstoff als Antrieb zur Regel werden kann. Die entsprechenden Fahrzeuge und Konzepte gibt es in der Automobilindustrie bereits: Hyundai hat zum Beispiel kürzlich den "H2 Xcient" entwickelt, einen Lkw mit Brennstoffzellen-Antrieb und den Pkw "NEXO", Toyota den Pkw "Mirai". Auch Mercedes und BMW forschen an Wasserstofffahrzeugen. Wenn etwas neu ist, braucht es immer etwas Zeit bis es sich etabliert hat. Bei der Einführung der Mobiltelefonie war die Sorge groß, dass man nicht die Antennendichte erreichen könnte, um die Technologie durchzusetzen. Als der Bedarf stieg, gab es auch recht schnell die nötigen Antennen. Wasserstoff hat viele Vorteile, denn es bietet einen geschlossenen Kreislauf: Es ist ein geruchsloses, ungiftiges Gas, das mittels regenerativer Energien gewonnen werden kann. Wird Wasserstoff verbrannt, entsteht nur Wasserdampf, keine für die Umwelt oder den Menschen schädlichen Gase. Zudem gibt es keine Entladung, wie bei einer Batterie. Ich bin zuversichtlich, dass die Nachfrage im Zuge der technologischen Fortschritte steigen wird, wenn die Flächendeckung der Tankstellen, die Reichweite einer Tankfüllung sowie der Bedienungskomfort verbessert sind. Dazu trägt auch unsere Entwicklung der Mini-Tankstelle für Wasserstoff bei.