JUNGE TALENTE
Von Grau zu Schwarz
Elisabeth Bohnet: Ich bin über die Homepage eurer Hochschule auf "Arewa" aufmerksam geworden, mit dem ihr für den Green Concept Award 2024 nominiert seid. Für euer Abschlussprojekt habt ihr ein Wasseraufbereitungssystem entworfen, das theoretisch im heimischen Badezimmer das Duschwasser auffangen und für die Toilettenspülung nutzbar machen kann. Wie kam es zu dieser Produktidee? Hattet ihr vorher einen Bezug zu Sanitär?
Sophie Kling: Wir haben uns zusammengetan, um das Abschlussprojekt gemeinsam zu machen. Wir wollten ein Produkt mit nachhaltigem Nutzen machen. Dafür fingen wir an zu recherchieren: Was sind Themen der Zeit und was ist im Moment Ressourcenverschwendung, was ist verbesserbar. Aus den Gebieten Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalt entschieden wir uns für letzteres, und schauten: Wo kann man Wasser einsparen? Im Garten, in der Küche und im Badezimmer ist der Verbrauch hoch. Durch weitere Recherchen ist uns klar geworden, dass die Toilette ein großer Trinkwasserverschwender ist. Da wollten wir einsteigen und haben das Problem weiter eingekreist.
Helena Fricke: An Position eins des Wasserverbrauchs steht die Körperpflege. Wir haben geschaut, wie kann man die Verbrauche kombinieren? Grauwasser ist leicht verschmutzes Wasser, welches beim Duschen und in der Waschmaschine entsteht. Abflüsse mit Fäkalien bilden das Schwarzwasser. Für die Schwarzwasserproduktion kann auch Grauwasser verwendet werden. In Mailand auf der Messe habe ich mir Sanitär-Produkte angesehen, aber wir hatten vorher keine praktische Erfahrung mit Sanitärproduktgestaltung.
Die Idee zu "Arewa" klingt ja recht einfach. Man fängt das Grauwasser aus der Dusche auf, bereitet es auf und nutzt es für die Klospülung weiter. Aber es gab sicherlich viele Herausforderungen auf dem Weg zur Entwicklung des Produktes.
Helena Fricke: Das Problem ist, wenn Grauwasser aufgefangen und weiterverwendet wird, egal für was: es fängt an zu stinken oder die Anlage versifft. Hauptaufgabe war, dass das Filtersystem nicht nach drei Monaten oder fünf Jahren defekt ist. Wir wollten kein Produkt entwerfen, das einmal in der Woche einen Filterwechsel benötigt. Wir haben es nun derart gestaltet, dass der Filterwechsel einmal im Jahr stattfinden muss. Und dass es möglich wartungsfrei und resistent ist, sich nicht selbst kaputt macht.
Die Seifenreste sind sicher ein großes Problem. Wie funktioniert das Filtrationssystem?
Sophie Kling: Wir haben uns an bestehenden Grauwasserfilteranlagen oder Kleinkläranlagen orientiert. Die machen im Endeffekt das, was unsere Anlage auch macht, nur im größeren Stil. Wir haben das einfach komprimiert. Das Grauwasser fließt in ein erstes Becken, da sind Bakterien drin und das Wasser wird bakteriell gereinigt. Das passiert auch in der Kläranlage. Da gibt es einen Bakterienstamm, der immer im Becken bleibt und der das Wasser reinigt, genauer gesagt, die einen Bakterien eliminieren die anderen Bakterien.
Das Wasser verbleibt circa eine Dreiviertelstunde im ersten Becken. Ein chemischer Sensor misst, wann der Vorgang abgeschlossen ist. Dann wird ein Tablettenfach geöffnet aus dem Flockungsmittel ins Becken fällt. Es bindet die größeren Teile im Wasser. Dann öffnet sich eine Klappe und das Wasser wird durch einen Ultramembranfilter in ein zweites Becken geleitet. Das Flockungsmittel dient dazu, dass der Dreck vom Filter aufgehalten wird.
Helena Fricke: Das Wasser ist nun auf Betriebswasserstand gereinigt, es hat noch keine Trinkwasserqualität, aber es ist so sauber, dass es nicht anfängt zu stinken. Der Filter würde natürlich nach einer Weile verstopfen. Deswegen haben wir dort im länglichen Rohr eine Saugglocke eingebaut, und nach jedem Mal, wenn Wasser durchgelaufen ist, drückt diese Wasser nach oben und spült damit den Membranfilter gegen und in den Abfluss.
So ist das Standardszenario, wenn alles rund läuft. Wir haben Mechanismen eingebaut, falls dies nicht der Fall ist: Wenn zu viel geduscht wird, haben wir den Abfluss, aus dem das Wasser mit den Resten des Filters abläuft. Dort wird auch überflüssiges Wasser abgeleitet, wenn der Tank voll ist. Falls zu wenig geduscht wird, gibt es einen Frischwasserzufluss. Wenn nacheinander geduscht wird hilft der chemische Sensor, dass nicht zu früh Wasser in den zweiten Tank weitergeleitet wird.
Wie sind die Richtlinien der Wasseraufbereitung in Deutschland und in anderen Ländern?
Sophie Kling: In Deutschland sind die Richtlinien strenger als in anderen Ländern. Die Frischwasserleitung darf vor allem nicht in einen Behälter ragen, indem verunreinigtes Wasser ist. Das Problem gibt es bei Zisternen. Wir haben das noch nicht ausgearbeitet, würden uns aber an Lösungen orientieren, wie sie bei Zisternen angewendet werden.
Helena Fricke: In Spanien und Portugal und ich meine auch in Italien sind die Regeln aufgrund der Wasserknappheit lockerer.
Was geschieht wenn ich drei Monate nicht zuhause bin und kein Wasser durchläuft? Trocknet etwas ein oder wird Frischwasser nachgespült, dass die Bakterien am Leben gehalten werden?
Helena Fricke: Im ersten Becken befindet sich eine kleine Kuhle. Das ist ein kleines Bakterienbecken, damit sichergestellt ist, dass immer genug Wasser vorhanden ist, um die Bakterien am Leben halten.
Sorgt ihr euch um die Verstopfung der Rohre?
Helena Fricke: Tatsächlich braucht man kleinere Rohre um Verstopfungen zu vermeiden. Wir haben uns mit dem Thema nicht intensiv auseinandergesetzt, weil alle Spezialisten, uns gespiegelt haben, dass es da keine Bedenken gibt.
Sophie Kling: Wir haben ja den groben Filter im Duschbecken, den kann man jederzeit rausnehmen und reinigen. Da bleiben Haare und größere Partikel hängen. In der Duschpumpe ist nochmals ein Filter integriert, der kann zur Not auch gereinigt werden. Auf dem Weg zum Bakterientank ist das Wasser so sauber, dass nichts passieren sollte.
Und die Flocken, können die ausgehen?
Helena Fricke: Die Flocken müssen einmal im Jahr nachgefüllt werden. Wir haben bei "Arewa" vorne einen Lichtstreifen integriert. Der zeigt nicht nur in Weiß den Wasserstand an, sondern er leuchtet rot, wenn irgendetwas mit dem Filter nicht stimmt, zum Beispiel, dass Flockungsmittel nachgefüllt werden muss.
Gibt es dann eine Anzeige, was das Problem ist?
Helena Fricke: Nein, aufmachen und gucken. Es ist ziemlich Low-Tech, wir wollten auf Bildschirme verzichten und es schlicht halten.
Mit dem Lichtstreifen wird der Endverbraucher in den Prozess mit einbezogen. Was bewirkt das?
Sophie Kling: Der Wasserverbrauch wird einem automatisch bewusst. Man merkt gleich, habe ich lange geduscht, oder nicht so lange. Oder wenn man viele Personen zu Besuch hat, merkt man, wie viel gespült wird. Man wird viel aufmerksamer was die Grauwasserproduktion, aber auch die Schwarzwasserproduktion angeht.
Ich habe gesehen, dass ihr auch eine Lösung für das Waschbecken entworfen habt.
Sophie Kling: Die Grundlösung geht von der Dusche aus. Wir haben auch die Waschtischlösung entwickelt, da würde das Wasser aus dem Waschbecken kommen, aber Händewaschen produziert nicht so viel Grauwasser. Zudem haben wir uns dagegen entschieden, weil man bedenken muss, dass Arewa bei einer Badsanierung hinzugefügt wird. Es müssen neue Rohre verlegt werden, für den Nutzen des Waschbeckenabwassers ist der Aufwand vermutlich zu hoch.
Was ist das angestrebte Nutzungsszenario? Und wie ist der Status Quo des Produktes, sind Sie mit Herstellern in Kontakt?
Sophie Kling: Wir haben das Produkt im Rahmen der Bachelorarbeit gemacht, wir haben uns auch für Wettbewerbe beworben. Wir haben Versuche durchgeführt, aber es war vorerst theoretisch.
Unser Produkt ist für Privathaushalte, ggf. auch für Fitnessstudios oder Hotels konzipiert, weil dort geduscht und gespült wird. Wir wollten eine Lösung, die in einem Zimmer funktioniert. Denkbar wäre es auch für Schwimmbäder, die neben einer Schule sind, aber in solchen Fällen sind eher Kleinkläranlagen sinnvoll.
Helena Fricke: Wir hatten schon verschiedene Gespräche mit Herstellern, bisher sind sie im Sand verlaufen und das Leben kam dazwischen. Demnach ist das Projekt gerade etwas auf Hold, aber wir würden das Produkt dennoch gerne weiterverfolgen.
Was unterscheidet euer Produkt von bestehenden Bestrebungen für ein „grüneres Bad“ von renommierten Herstellern?
Helena Fricke: Die bestehenden Ideen sind in erster Linie Zukunftsmusik und sie werden gezeigt, um zu demonstrieren: "Wir denken in diese Richtung." Nach unserem Kenntnisstand sind diese Ideen aktuell nicht umsetzbar. Wir wollten ein Produkt gestalten, was jetzt so auf den Markt kommen könnte, mit bestehender, funktionierender Technik.
Seht ihr Schwierigkeiten auf dem Weg in die Produktion?
Sophie Kling: Zur technischen Umsetzung haben wir viel recherchiert, aber es wird darum gehen, Tests durchzuführen. Da würde noch Arbeit und Zeit einfließen. Wir haben darauf geachtet, dass unser System in alle möglichen Bäder passt.
Helena Fricke: Für mich sind die Kosten ein Punkt. Wir wollen das Produkt bezahlbar halten. So haben wir zum Beispiel extra Bakterien gewählt, weil es günstiger ist als beispielsweise ein Chlorfilter. Der Ultramembranfilter ist ein handelsüblicher Filter, wie er in Kleinkläranlagen genutzt wird. Unser Ziel ist es, dass sich "Arewa" nach fünf Jahre amortisiert hat, und derart kostengünstig wollen wir das Produkt gestalten. Zur Wasserersparnis: Laut Statista verbraucht jede Person pro Tag 34 Liter Wasser für die Klospülung. Im Durchschnitt werden 46 Liter für die Körperpflege genutzt. Also etwas mehr, als für die Toilettenspülung verwendet wird.
Theoretisch ist in der Wasseraufbereitung viel machbar durch Membranfilter, bis hin zur Trinkwasserqualität.
Sophie Kling: Ja, es ist sehr spannend. Wir haben uns damit beschäftigt, aber wir wollten eben ein Produkt machen, das machbar ist, auch auf Ebene des Mindsets. Unsere Erkundungen haben ergeben, dass der Ekelfaktor tatsächlich zu groß ist, selbst bei der Vorstellung, aufbereitetes Grauwasser beispielsweise zum Händewaschen zu nutzen. Auf technischer Ebene wäre das überhaupt kein Problem, aber mental sind wir noch nicht so weit.
Helena Fricke arbeitet derzeit im Diez Office in München. Sophie Kling ist aktuell bei Scala Design in Stuttgart tätig. Nach ihrem Bachelorabschluss im Sommer 2023 wollen beide Praxiserfahrung sammeln, bevor sie sich entscheiden, wie ihr Weg weitergehen soll.