Ach, diese Südfrüchte! Es scheint, hier ficht einer mit einem besonderen Krummsäbel. Worum aber wird eigentlich gekämpft? Um ein besseres, verantwortungsbewusstes Design? Darum, wie Designer nicht nur kluge, materiell und ästhetisch haltbare Produkte entwerfen, sondern auch den gesamten Herstellungsprozess umweltbewusster gestalten können? Mir scheint, hier wird viel eher der eigene Spielplatz verteidigt, indem jene schlecht gemacht werden, die ihn gebaut haben. Es geht auch um Macht und Einfluss Doch kommen wir zur Sache: Es geht in der Debatte um die Zukunft der Designausbildung keineswegs, wie Friedrich von Borries süffisant feststellt, darum, die guten alten Zeiten zu beschwören (siehe auch „Warum ist die Banane krumm? oder `Was ist Design?`"). Keiner trauert diesen hinterher. Schon gar nicht den Ordnungen der Moderne, auch wenn es innerhalb der Theorie des Designs durchaus hilfreich sein kann, sich über deren Weiterwirken in der Gegenwart im Klaren zu sein. Es geht auch nicht darum, was Kunst oder Design in ihrem Wesen sind, und schon gar nicht darum, Definitionen abzusondern, die sich anheischig machen, überzeitliche Festlegungen zu treffen oder neue Wahrheiten zu verkünden. Es geht – unter anderem – darum, wer an einer Hochschule bestimmte Stellen besetzt und dadurch die Gewichte zu seinen Gunsten verschiebt. Denn weil „die" Kunst mitsamt all ihren individuellen Äußerungsformen derzeit gesellschaftlich obenauf ist, glauben einige, sie würden davon profitieren, wenn sie auf deren Feld überwechselten. Halten wir also fest: Es geht nicht nur um Ausbildung, Kunst und Design, es geht auch um Macht und Einfluss. Soviel zu den Voraussetzungen. Schauen wir uns nun an, wie Friedrich von Borries argumentiert. Er schreibt: „Design ist eine relativ junge Disziplin, und sie klebt an ihrem tradierten, Industrie-bezogenen Selbstverständnis, obwohl wir wissen, dass die klassische Industriegesellschaft weder der Welten Heil noch deren Zukunft ist, und sich Design deshalb neu erfinden muss, weil die Welt, für die es entwirft, eine andere ist, als die, aus der es stammt. Genau deshalb stellt sich vielerorts mit gewisser Intensität ja die Frage, was Design denn sei. Eine Frage, wie wir an der HFBK sehr eindeutig beantworten: Design ist eine Form von Kunst, nicht deren Magd, nicht deren Hilfsdisziplin, sondern eine der Arten und Weisen, wie wir uns künstlerisch mit der Welt auseinandersetzen – in diesem Falle eben »entwerfend«, was man, wie auch Thomas Edelmann und jüngst Konstantin Grcic in der Süddeutschen Zeitung, ganz neumodisch auch als »Design Thinking« bezeichnen kann." Was behauptet wird Sortieren wir, um der besseren Übersicht willen, was hier behauptet wird. Design und Arbeitsteilung Gehen wir die Thesen durch: Design ist – im Unterschied etwa zur angewandten Kunst – in seiner historischen Entwicklung an eine arbeitsteilige Produktion von Waren gebunden. Es „klebt" nicht an einer solchen, sondern genau das ist seine Aufgabe. Dies geschieht auch nicht besseren Wissens, sondern einfach deshalb, weil es fahrlässig wäre, das Entwickeln von massenhaft hergestellten Produkten in arbeitsteilig organsierten Gesellschaften und einer global agierenden Wirtschaft allein Technikern und Kaufleuten beziehungsweise dem Marketing zu überlassen. Es lenkt von diesen Aufgaben also nur ab, wenn man sie ignoriert und stattdessen die alte Hegemonie der Kunst über ihrer angewandten Filiationen wiederbelebt. Dass sich Disziplinen wandeln müssen, weil sich die Welt verändert, in der sie agieren, ist nicht mehr als ein Gemeinplatz und gilt für alle Disziplinen. Mit der Beantwortung der Frage, ob Design eine Form der Kunst ist, lassen sich ganze Bibliotheken füllen. Ganz gleich wie man sie beantwortet, das Design ohne weiteres der Kunst zuzuordnen hat zumindest den Effekt, dass man auf diese Weise die Differenzen zum Verschwinden bringt. Design darf und kann aus der Perspektive von Borries offenbar keine unabhängige Disziplin sein, sondern muss eben „eine Form von Kunst" sein. Design setzt sich indes eben nicht nur „entwerfend" mit der Welt auseinander, sondern greift unmittelbar in die kapitalistische Warenproduktion ein, indem es neben ökonomischen auch ökologische, ästhetische, produktionstechnische und nutzerspezifische Aspekte berücksichtigt. Und was den Begriff des „Design Thinking" angeht, so zielt dieser gerade nicht auf Design als Kunst. Bananen und niedrige Empfindungen Zu allem Überfluss kommt nun auch noch die Banane ins Spiel und mit ihr ein giftiger Unterton. Wahrscheinlich sollte der Vergleich mit der Banane witzig sein. Doch betrachten wir, was Borries schreibt: „ ... die Frage, was Design ist, finde ich ungefähr so spannend wie die Frage, warum die Banane krumm ist. Was keineswegs abwertend gemeint sein soll, ..." Nun kann man lange darüber streiten, ob ein Professor für „Theorie und Geschichte, Designtheorie/ kuratorische Praxis", wie das in seiner Stellenbeschreibung offiziell heißt, sich darüber klar sein sollte, was er für Design hält und was für Kunst, statt ins Geschäft mit Südfrüchten einzusteigen. Wichtiger indes ist, der Kette von Behauptungen nachzugehen, die hier konstruiert wird. Was, so fragt man sich, will Borries eigentlich sagen, wenn er das Design zuerst mit einer Banane vergleicht, um dann – versteckt unter dem Feigenblatt der Ambivalenz – zu bekennen, „wir" dächten bei Bananen – also auch bei Design – sogleich an „Affen", die nicht „vernunftbegabt" seien? Legt da einer in einem etwas verklausulierten Analogieschluss nahe, Designer seien wenig vernunftbegabte Affen? Oder kommt hier lediglich heraus, dass der, der dies schreibt, ein etwas eigenartiges Verhältnis unterhält zu dem Gegenstand oder der Disziplin, die er unterrichtet? Wie dem auch sei, Borries gibt die Antwort selbst, wenn er unterstellt, das Design diene – wörtlich – „niedere(n) Empfindungen, wie z.B. dem konsumistisch-massenproduktionsbezogenen Haben-Wollen-Kaufen-Reiz", es sei also ganz zurecht „als oberflächliches Styling verschrien". Spätestens jetzt fragt man sich, wer sich hier zum Affen macht. Design als kooperativer Prozess Sagen wir es anders: Wer in der Ausbildung künftiger Designerinnen und Designer – oder Künstlerinnen und Künstler – einen derart eingeschränkten Begriff des Designs zugrunde legt, der muss zwangsläufig unter das schützende Kleid der Kunst schlüpfen, in der, ach, ja überhaupt keine ökonomischen Interessen, keine Anpassung an den Markt, keine „Haben-Wollen-Kaufen-Reize" eine Rolle spielen. Es mag allemal bequemer sein, mit einer Installation in einem „White Cube" oder dem Unikat einer Teekanne die Welt zu verbessern als sich auf mühsame Debatten mit Herstellern einzulassen, um am Ende nicht nur ein besser gestaltetes Produkt entwickeln zu können, sondern eben auch einen Herstellungsprozess, der weniger Energie und weniger Ressourcen verbraucht. Für mich, nur so viel, zeichnet sich Design – nicht irgendwelche Schwundformen, wie es sie in der Kunst ebenso zahlreich gibt – gerade dadurch aus, dass es Gestaltung in umfassender Weise aktiv an der Schnittstelle zur Ökonomie betreibt und dabei nicht allein auf das Ingenium oder die gestalterische Genialität eines einzelnen vertraut. Design ist im Unterschied zur Kunst gerade keine singuläre, individuelle Äußerungsform, die sich in Autorendesign, Editionen oder einmal existierenden Originalen manifestiert, sondern ein oft mühsamer, arbeitsteiliger und kooperativer Prozess. Selbstverständlich ist es einfacher, all das zu ignorieren und den Kapitalismus dem Design in die Tasche zu schieben, um damit die Freiheit der Kunst zu retten. Seltsame Alternativen Borries müht sich anschließend, „die andere Seite" nicht ganz zu vergessen. Aber auch das gerät schief, wenn er schreibt: „Aber die Banane hat auch eine andere Seite, denken wir nur an Josephine Baker und ihre Bananenröckchen. Hier ist die Banane zwar immer noch exotisch, aber auch erotisch (wobei das natürlich auch ein niederes Gefilde ist), aber sie steht im Kontext eleganter Nachtclubs und ambitionierter Jazz-Musik. Auch hier die Ähnlichkeit zum Design – Distinktion, Moderne, Fortschritt und ein bisschen Sexyness." Indem er mit dem Bananenröckchen von Josephine Baker wedelt und eine erotische Alternative konstruiert, die abermals dazu dient, das Design abzuwerten, wird nun immerhin in vollem Umfang deutlich, was er behauptet: Entweder Design bedient niedrige Instinkte oder es wird zum Showbusiness; entweder es erzeugt (überflüssige) Bedürfnisse oder es ist Teil einer ambitionierten Unterhaltungsindustrie. Design, Kunst und Kritik Friedrich von Borries hat also durchaus einen Begriff von Design. Man sollte, was er im Spannungsfeld von niedrigen Instinkten und erotischem Showbusiness als solches bezeichnet, aber wohl eher als kulturindustrielle Produktion bezeichnen. Hier liegt der Hase im Pfeffer. Design ist für ihn alles, was eine auf Konsum bauende Industrie produziert. Hat man es erst einmal darauf reduziert, so lässt sich entsprechend mit ihm umspringen. Also zieht er den Schluss: „Design und Banane sind Gegenstand einer prinzipiellen Konsumkritik." Richtig daran ist, dass auch das Design sich einer solchen Kritik zu unterziehen hat. Richtig ist auch, dass Designkritik, in welcher Spielart auch immer, nicht sehr ausgeprägt ist. Richtig ist aber auch, dass dem Leser im Umkehrschluss ein naiven Kunstbegriff serviert und unterstellt wird, in und mit der Kunst verhalte es sich prinzipiell anders. Hat sich Kunst, in welcher Form auch immer, etwa keiner „prinzipiellen Kulturkritik" zu stellen? Unser Autor aber will partout nicht von der Banane lassen: „Trotz dieser Erläuterungen haben wir aber noch immer nicht geklärt, warum die Banane eigentlich krumm ist. Wir wissen es alle: Die Banane ist krumm, weil der anfangs nach unten gerichtet Blütenansatz sich beim Wachsen in Richtung der Sonne dreht. Deshalb ist die Banane krumm. Die Krummheit der Banane liegt nicht in der Banane selbst begründet, sondern in ihrem Bezug zur Sonne. Genauso verhält es sich mit dem Design. Die Frage, was Design ist, begründet sich nicht im Design selbst, sondern in den Aufgaben, die es in der Welt bearbeitet." Schön und gut. Das Design von seinen Aufgaben oder seiner Funktion her zu betrachten, kann nicht schaden. Nur, daraus lässt sich nicht ableiten, in welcher Beziehung zur Kunst es agiert und wie dieses Verhältnis innerhalb eines Studiums zur Geltung gebracht und diskutiert werden soll. Anders als Thomas Edelmann bin ich dafür, zwei Dinge auseinanderzuhalten: Einerseits die Tatsache, dass die Hochschulen mit der Bologna-Reform vollends zu Orten geworden sind, an denen das Entstehen guter Ideen von einem enormen Zuwachs an Verwaltungsaufgaben und Selbstverständigungsprozessen behindert wird (was politisch durchaus erwünscht sein dürfte). Und andererseits die Frage, wie sich Kunst und Design ganz konkret und speziell innerhalb einer Ausbildung zueinander verhalten. Auch das ändert freilich nichts daran, dass man bei der Lektüre des Textes aus der Hamburger Banana-Republic den Eindruck nicht los wird, hier spiele einer weniger mit Südfrüchten als mit gezinkten Karten.
Erstens: Design sei eine Disziplin, die, weil sie jung ist, an einem Selbstverständnis klebe, das wider besseres Wissen an seinem Bezug zur Industrie festhalte.
Zweitens: Design müsse sich neu erfinden, weil die Welt, für die es entwirft, eine andere geworden sei, als die, aus der es stamme.
Drittens: Design sei eine Form von Kunst, also eine der Arten und Weisen, wie wir uns künstlerisch mit der Welt auseinandersetzen – in diesem Falle eben „entwerfend".
Und viertens: Weil der Begriff Design negativ besetzt sei, nennen wir, was es ersetzt, nun „Design Thinking".
Was kann Design? Replik auf einen Bananenkritiker
von Thomas Wagner | 02.03.2012