Abbild und Bild
Der Kontrast zwischen Adresse und Wirklichkeit vor Ort könnte kaum größer sein. "Im Zukunftspark" heißt die Straße im Heilbronner Hafengebiet, das sich auf der Insel zwischen Neckar und Hafenkanal befindet. Doch wenn so die Zukunft von Deutschland im Allgemeinen und Heilbronn im Speziellen aussieht, ist doch mindestens Skepsis angebracht, ob man da wirklich dabei sein möchte. Uninspirierte Bürobauten reihen sich vier- bis fünfgeschossig aneinander, unterbrochen von einem Parkhaus und einem etwa zwölfgeschossigen Turm, dessen elliptischer Grundriss eine merkwürdige Unwucht aufweist und sich entsprechend unrhythmisch gen Himmel reckt. Zweckmäßiger Städtebau, zweckmäßige Architektur – wenn man von Rendite und geringstmöglichem Aufwand als Grundvoraussetzung eines solchen Zwecks ausgeht. Früher war tatsächlich mehr Zukunft.
In zweiter Reihe aber, am Ende einer Sackgasse und direkt am Neckar, steht ein Teil dieses sonst so mutlosen Stücks Stadt, das bemerkenswert ist: die sogenannte Innovationsfabrik 2.0. Als Ersatz für ein existierendes Gründerzentrum, das in einem verkauften Gebäude ansässig war, hat das Darmstädter Büro Waechter+Waechter Architekten BDA den fünfstöckigen Bau realisiert. Als erstes fällt die Fassade mit ihrer von einer geschuppten Glashülle geschützten Holzstruktur ins Auge. Die massiven Holzträger sind in spitzem Winkel so zueinander gestellt, dass sie eine lange Kette von Vs ergeben. Oder sind es mit Blick auf den Büronamen vielleicht auch Ws? Dimension und Positionierung ergeben sich dem Büro zufolge aus dem Brandschutz und der aussteifenden Wirkung für den gesamten Holzbau. Durch die Dicke der Bauteile ist ihre Standsicherheit also auch im Brandfall gewährleistet. Das Schuppenkleid aus Glas wiederum ist dann der konstruktive Schutz, der das Holz vor Wind und Wetter schützt – außer an den Eingängen, die sich in der Gesamtkubatur des Hauses überraschend klein ausnehmen und von wiederum angenehm unprätentiösen metallenen Vordachstummeln markiert werden.
Ein gedecktes Atrium als wahrer Zentralraum
Nach dem Eingangsbereich tut sich ein schöner Raum auf, der das Haus auf allen fünf Geschossen bis unter das Dach durchmisst und dort von einer gläsernen Laterne gekrönt wird, die Tageslicht bis ins Erdgeschoss und die Umgänge bringt, die den Luftraum in jedem Stockwerk umschließen. Ein toller Raum. Hier erlebt man die ganze Qualität zeitgenössischen Holzbaus. Sauber und selbstverständlich sind die Bauteile ihrer konstruktiven Logik folgend gefügt, eine Spindeltreppe verbindet das Erdgeschoss mit dem ersten Obergeschoss. Sowohl diese kleine Treppenskulptur als auch die Metallbrüstungen der Umgänge sind in einem Beige gestrichen, das dem Farbton des lasierten Holzes erstaunlich nahekommt.
Dieses gedeckte Atrium funktioniert wie ein Verteilerraum im besten Sinn: Besprechungstische und Sitzecken laden die startenden Unternehmer:innen zu Austausch und Kommunikation ein – untereinander, aber eben auch außerhalb des eigenen Unternehmens. Am Besuchstag funktioniert das offenkundig. Immer wieder bieten sich Einblicke in Büros und Besprechungsräume, die zeitweise, und damit nach Bedarf, angemietet werden können. Auch die Büros, die über eine als räumliche Schwelle funktionierende Flurzone angeschlossen sind, können in unterschiedlichen Größenkonfigurationen gemietet werden: vom Einzelraum bis zum ganzen Gebäudeflügel. Die offenliegende Deckenkonstruktion scheint diesem modularen Raumprinzip wie eine Form gewordene Konstruktion angemessen und sehr selbstverständlich zu entsprechen.
Ein Bild von einem Haus
Zwei betonierte Treppenkerne nebst Fahrstuhl führen in die Obergeschosse. Dass es diese betonierten Bauteile schlussendlich braucht, überrascht mit Blick auf die auch hinsichtlich ihrer konstruktiven Wirkung so ausgestaltete Fassade mit den V-Stützen. Erschließungskerne oder Fassade, eines von beidem hätte vielleicht gereicht, um den Holzbau auszusteifen. Und so bleibt der Eindruck, dass es äußerlich vor allem darum ging, ein Bild zu erzeugen. Mit Blick auf die Qualitäten des Ortes und den an diesem loci vermeintlich oder tatsächlich wehenden Genius, ist das auf der einen Seiten nachvollziehbar. Auf der anderen Seite kann die äußerste Gebäudehülle aus Glas dann wiederum nicht viel mehr, als nur das Holz vor Witterung zu schützen. Wo sie zum Hafen hin noch als zusätzlicher Schallschutz dienen mag, wäre prinzipiell vorstellbar gewesen, diesen tatsächlichen Zwischenraum, der sich rund um die V-Holzstützen ergibt, als Klimagarten und damit für Austritte aus den sonst wirklich schönen Büros zu nutzen.
Denn im Inneren funktioniert alles so, wie man es sich wohl wünscht, wenn man ohne nennenswerte finanzielle Möglichkeiten – etwa von der eigenen Familie entsprechend ausgestattet – aus dem Nichts eine Firma gründet. Hier findet sich eine Infrastruktur, die es erlaubt, nur mit einem Laptop eigene Unternehmungen zu starten. Von der Postadresse, über Kaffeemaschine, Internetanschluss und Geschirrspüler bis hin zu sehr vorzeigbaren Räumen für Kundengespräche. All das ist nicht bloß zweckdienlich, sondern räumlich wie konstruktiv fein gestaltet. Bis hin zum Raumklima, das vom Material ebenso positiv bedient wird, wie von der kontrollierten Lüftung, ist dem Team von Waechter+Waechter Architekten hier sehr viel gelungen.