NEW WORK
Bauen in der neuen Welt
Anna Moldenhauer: Vereinfacht ausgedrückt ist das Metaversum eine virtuelle Plattform mit vielen unterschiedlichen Welten, in denen Menschen arbeiten, netzwerken und sich unterhalten lassen können. Ist das Metaversum aktuell noch eine "Spielerei" oder entwickelt es sich zu einer ernsthaften Erweiterung unserer bisherigen Möglichkeiten?
George Bileca: Viele der Dinge, die wir derzeit in der Welt nutzen, haben als "Spielerei" begonnen. Das Metaverse ist da keine Ausnahme. Meiner Meinung nach bietet das Metaverse die nächste Phase des Internets. Das Metaversum ist eine Weiterentwicklung unserer derzeitigen zweidimensionalen Webseiten zu einer interaktiveren, dreidimensionalen Erfahrung. Das geschieht langsam, durch viele verschiedene virtuelle Welten wie "The Sandbox", "Decentraland" oder "Roblox". Wir arbeiten in diesem Zuge an Technologien, die es Unternehmen ermöglichen, mit ihren KundInnen auf dreidimensionale Weise zu interagieren. Berichte von unter anderem McKinsey und PWC beschreiben detailliert, wie die Anwendungsfälle des Metaversums aussehen könnten. Der elektronische Handel wird demnach zukünftig eine große Rolle spielen, denn anstatt eines zweidimensionalen Objekts kann eine 3D-Darstellung des Produkts in der virtuellen Realität betrachtet werden. Der Nutzen des Metaversums in Bildungsinstitutionen wird zudem ein wichtiger Aspekt sein, da die Inhalte parallel zum klassischen Unterricht in der virtuellen Realität oder in einer dreidimensionalen Umgebung rezipiert werden können. Aktuell gibt es bereits viele Anwendungen des Metaversums, von Ausstellungsräumen für Kunstgalerien über Plattformen für NFTs, bis zu Begegnungsräumen von Marken, die hierfür großflächige Werbekampagnen geschaltet haben. Wir haben zum Beispiel kürzlich zum Werk von Frida Kahlo ein interaktives Erlebnis geschaffen: Die NutzerInnen konnten in eine virtuelle Version des Hauses von Frida Kahlo gehen und mehr über ihr Leben erfahren, indem sie dort eine Aufgabe gelöst haben. Für unsere Projekte arbeiten wir gemeinsam mit ArchitektInnen, die zuvor bei namhaften Architekturbüros tätig waren, wie Ricardo Bofill Architecture Studio oder Bjarke Ingels Architecture Studio.
Ein Großteil der Gesellschaft nutzt bereits Angebote, die den Zugang zu einer virtuellen Welt gewähren, seien es VR-Brillen, soziale Medien oder Online-Spiele in 3D. Was muss passieren, damit diese Einzelteile zu einem großen Ganzen verbunden werden können?
George Bileca: Für die Erstellung einer Infrastruktur ist die Zusammenarbeit gefragt. In unserem Unternehmen schaffen wir maßgeschneiderte Metaverse-Erfahrungen, wir sind darauf spezialisiert, Entwürfe für virtuelle Gebäude zu erstellen und sie funktional zu gestalten.
Gibt es einen Aspekt, der deiner Meinung nach in der Diskussion um Architektur und Metaversum zu wenig Beachtung erhält?
George Bileca: Nicht jede/r traditionelle ArchitektIn ist in der Lage das Metaversum zu bebauen, denn hierfür ist die Fähigkeit nötig frei entwerfen zu können. Der freie Ausdruck von Kreativität ist das, was viele NutzerInnen im Metaversum suchen. Das Metaversum ist dahingehend Teil der Unterhaltungsindustrie oder geht zumindest in diese über. ArchitektInnen, die sich hauptsächlich mit der Erstellung von Plänen für Wohngebäude beschäftigen und nicht mit Konzeptdesign arbeiten, sind nicht unbedingt für die Arbeit im Metaversum geeignet. Die Studios von Frank Gehry oder Zaha Hadid beispielweise haben erstaunliche, fast unwirkliche Konzepte geschaffen, die für das Metaversum geeignet wären, während viele Entwürfe von traditionelle ArchitektInnen dies nicht erreichen. Grundlegende Programmiersprachenkenntnisse sollten zudem eine Selbstverständlichkeit sein. Die Lehre der Architektur für das Metaversum ist schlicht eine andere Disziplin und unterscheidet sich daher in vielen Punkten zum klassischen Architekturstudium.
Die Grundstückspreise im Metaversum steigen gerade rasant, weil sie begrenzt sind. Begrenztes Bauland in einer unendlich großen digitalen Welt – warum ist das so?
George Bileca: Aus meiner Sicht sollte mit der Entwicklung des Metaversums ursprünglich eine virtuelle Welt parallel zu unserer realen erschaffen werden, die ähnliche Bedingungen bietet – dazu gehört auch Eigentum zu besitzen, zu verwalten und eine Wirtschaft aufbauen. Das war ein wichtiger Schritt für die Entwicklung des Ökosystems. Im Metaversum entwickeln sich nun zunehmend städtische Strukturen wie Nachbarschaften zu Unternehmen, die besonders gefragt sind. Teil dessen zu sein ist ein Privileg, für das man zahlen muss – wie auf dem realen Immobilienmarkt.
Bezahlt werden die Immobilien mit Kryptowährung, ein digitales Zahlungsmittel, das auf realem Geld basiert. Bitcoin beispielsweise, die stärkste Kryptowährung und basierend auf der Blockchain-Technologie, hat kürzlich einen großen Wertverlust erlitten. Wie groß ist das Risiko für die Beteiligten in das Metaversum zu investieren?
George Bileca: Das Schöne am Metaverse ist, dass es nicht unbedingt an die Blockchain oder generell an eine einzelne Technologie gebunden ist. Mit den Kreativplattformen "Unreal Engine" oder "Unity" können zum Beispiel dreidimensionale, maßgeschneiderte Websites entwickelt werden, die unabhängig von der Blockchain funktionieren. Ich glaube nicht, dass das Auf und Ab der Kryptowährung die Entwicklung des Metaversums aufhalten wird.
Warum sollten ArchitektInnen ihre Zeit in den Aufbau von imaginären Landschaften investieren, anstatt reale Probleme zu lösen – wie die Stadtentwicklung oder eine Weiterentwicklung im nachhaltigen Bauen?
George Bileca: Das Metaversum eröffnet Möglichkeiten, die an die der klassischen Architektur anschließen. Die virtuelle Welt kann somit beim Entwurf von realen Gebäuden und Infrastrukturen auch als Werkzeug dienen.
Wie lassen sich die digitalen und analogen Schwerpunkte der Architektur verbinden, um ein gemeinschaftliches System zu entwickeln?
George Bileca: Alles, was im Metaversum passiert, kann das reale Leben beeinflussen und umgekehrt. Im Metaversum ist eine digitale Darstellung eines realen Gebäudes möglich – eine Ausstellung kann damit sowohl live besucht werden wie digital. Auch ein Ticketsystem ist denkbar, um beispielsweise einen exklusiven Ort zu schaffen, bevor er für ein breites Publikum geöffnet wird. Es gibt viele Funktionen, bei denen das Metaversum helfen könnte. Wir haben kürzlich einen Erlebnisraum für den Künstler Tom Sachs geschaffen, der die BesucherInnen ermutigt hat, die neuen virtuellen Welten zu erkunden.
Das Metaversum bietet eine neue, vielfältigere Zugänglichkeit von Erlebnisräumen, da stimme ich zu. Für ArchitektInnen und DesignerInnen zählt aber auch die reale Raumerfahrung für ihre Arbeit. Zu sehen, wie alles zusammenwirkt, Licht, Schatten, Farben, Formen. Für diese ganzheitliche Erfahrung reicht eine 3D- oder VR-Brille derzeit nicht aus. Müssen wir der weiteren Entwicklung der Technologie ein wenig mehr Zeit geben?
George Bileca: Wenn wir über echte Architektur sprechen, sehe ich das auch so, um diese zu erleben muss man physisch an dem Ort sein. Vielleicht wird man aber schon bald in der Lage sein, ein VR-Headset und Handschuhe zu tragen, mit denen man den Raum scheinbar berühren kann, oder es wird Sensoren geben, die den Geruchs realitätsnah anregen. Der Sehsinn wird bereits stimuliert. Für digitale ArchitektInnen hingegen ist der reale Raum als Basis für die kreative Arbeit nicht zwingend notwendig, da die Parameter der klassischen Architektur je nach Projekt für diese nicht unbedingt zwingend ist.
Mit Blick auf die Kontrolle des Metaversums – wieviel Dystopie-Potenzial steckt in der Utopie, wenn sich die reale und die digitale Welt in unserem Bewusstsein und Erleben vermischen?
George Bileca: Die Kontrolle des Metaversums hängt von ihrem Nutzen ab. Wenn diese beispielsweise als Ergänzung zur Schulbildung dient, muss sie vorab von der jeweiligen Institution als hierfür geeignet eingestuft werden. Eine Ausbildung für einen realen Beruf kann das Metaversum nicht ersetzen, auch wenn sich Handlungsabläufe in diesem zu Schulungszwecken simulieren lassen. Inwieweit sich die digitale und die analoge Welt vermischen können, hängt also sehr stark vom Anwendungsfall und von der Branche ab. Zum Thema Rechtssystem – die SchöpferInnen der virtuellen Welten haben das Recht, Räume vorab zu prüfen und jegliches anstößige Material zu entfernen. Der Aufbau des Metaversums ist dem des aktuellen Internets ähnlich, es gibt Webseiten, also "Räume", die in den Suchmaschinen angezeigt werden und dann gibt es Inhalte im Deep Web. Man kann auf diese zugreifen, allerdings sind sie nicht kuratiert, der Zugang geschieht auf eigenes Risiko. Der beste Vergleich zum Thema Regulierung ist vielleicht, dass ab Dezember 2024 alle Smartphones, die in der EU verkauft werden, mit einem USB-C-Anschluss für kabelgebundenes Laden ausgestattet sein müssen. Was wir am Markt vorfinden, wird somit vom europäischen Parlament reguliert und auch das Metaversum sollte darunterfallen.
Wie lückenlos ist der Datenschutz im Metaversum aktuell?
George Bileca: Wie viele Daten von den NutzerInnen abgefragt werden und wie diese geschützt sind, hängt von dem Angebot ab, was diese nutzen wollen. Für die Anmeldung bei einer Krypto-Börse wie Coinbase braucht es eine Form des Ausweises, der vorgelegt werden muss. Auf Webseiten, die den Handel mit Kryptowährungen anbieten (sogenannten Decentralised Exchange/ DEX), ist hingegen die digitale Geldbörse als Grundlage bereits ausreichend.
In den letzten Monaten gab es bereits Experimente für einen Transfer von Designs aus dem Metaversum in reale Objekte, wie seitens Six N. Five. Wie siehst du die weitere Entwicklung?
George Bileca: Das Metaversum bietet eine Plattform für den freien Ausdruck von Kreativität. Wenn man im digitalen Raum Objekte entwirft, die den Gesetzen der Physik trotzen sollen, muss man sie jeweils im Laufe der Gestaltung den Anforderungen der realen Welt anpassen. Der Ablauf lässt sich mit der Kreation von Konzeptfahrzeugen vergleichen: Diese zeigen Details und Funktionen, die zum größten Teil nicht in Serie gehen werden. Es sind Konzepte, auf dessen Basis ein Modell für die Realität entwickelt wird.
Welche Dienstleistungen bietet Voxel Architects den Unternehmen an, die mit euch zusammenarbeiten?
George Bileca: Für die digitale wie die reale Architektur sind die Vorgabe der KundInnen jeweils die Basis. Wenn ein digitales Gebäude bei uns in Auftrag gegeben wird, analysieren wir somit die Spezifikationen und erstellen anschließend mit unserem Designteam ein Angebot.
Wie lange dauert die Erstellung eines Gebäudes im Durchschnitt?
George Bileca: Das hängt wirklich vom Umfang der Arbeiten für das jeweilige Projekt ab. Wir hatten einige Projekte, die wir in weniger als zwei Wochen abgeschlossen haben. Andere wiederum haben sich über Monate hingezogen. Wenn wir einen Durchschnitt aller Projekte bilden würden, an denen wir bisher gearbeitet haben, würde ich sagen, dass zwei bis drei Monate eine angemessene Zeitspanne sind.
Betreut ihr die digitalen Gebäude auch nach der Erstellung?
George Bileca: Wir bieten je nach Bauart bis zu sechs Monate Garantie für die KundInnen an. Wenn beispielsweise eine Erweiterung gefragt ist, erstellen wir ein neues Angebot.
Ein digitaler Raum bedeutet auch, dass die Architektur nicht mehr erreichbar ist, wenn der technische Zugang fehlt oder das digitale System zusammenbricht. Wie begegnest du dieser Sorge?
George Bileca: Wenn beispielsweise der Server abgeschaltet wird, auf dem eine Arbeit gehostet ist, stellen wir mittels Backup sicher, dass unsere Gebäude weiterhin existieren können. Normalerweise sind derartige technische Störungen aber selten und wir müssen kaum eingreifen. Sollte jemals das komplette digitale System zusammenbrechen, haben wir als Gesellschaft vermutlich größere Probleme als den Zugriff auf die Architektur im Metaversum, denn dieser Ausfall würde unter anderem auch die internationalen Digitalplattformen der Banken betreffen.