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Von Meistern und Häusern
von Ralf Wollheim | 19.05.2012

Das „Bauhaus Reisebuch“ präsentiert eine spannende Spurensuche, die nicht nur die drei Standorte Weimar, Dessau und Berlin vorstellt, sondern auch etliche – mehr oder weniger exotische ‒ Nebenschauplätze: Dörfer wie Gelmeroda, als Motiv vieler Bilder von Lyonel Feininger, Städtchen wie Dornburg an der Saale mit einer Töpferei, die als Außenstelle für die keramischen Werkstätten diente oder Probstzella, wo ein „Haus des Volkes“ von den Bauhauswerkstätten eingerichtet wurde. Diese akribisch recherchierten Verweise machen den Reiseführer auch für den Kenner interessant und zeigen das Bauhaus in all seiner widersprüchlichen Vielfalt.

Drei längere Essays, persönlich im Tonfall gehalten und unterhaltsam zu lesen, stellen die drei Stationen des Bauhauses ausführlich vor und bieten damit einen guten Einstieg in die wechselvolle Geschichte der Institution. Diese langen Texte werden durch kurze Zitate und Exkurse ergänzt, lassen die vergangene Zeit lebendig werden und liefern zugleich den historischen Kontext. Wie etwa Walter Gropius’ optimistisches „ ...verlangen wir einfach das scheinbar Unmögliche, so bin ich überzeugt, dass es gelingt“ aus der Anfangszeit in Weimar. Nicht nur die Not der Nachkriegszeit musste überwunden werden, auch die politischen Widerstände in der Stadt der Klassik. Schließlich hieß die Schule noch sehr umständlich in einem Zusatz „Ehemalige Großherzoglich Sächsische Kunstgewerbeschule in Vereinigung“. Den gelungenen Umbruch bezeugen historische Fotos von dem Van-de-Velde-Bau, der noch ganz dem Jugendstil verschrieben ist und den modernen Umgestaltungen von Herbert Beyer, Oskar Schlemmer und Walter Gropius. Dessen Direktorenzimmer mit seinen merkwürdig kubischen Möbeln kann heute zumindest als Rekonstruktion wieder besichtigt werden. Ein weiteres Manifest der neuen Schule, das „Haus am Horn“ konnte 1923 als Teil einer Bauhausausstellung gebaut und eingerichtet werden. Dieser karge, kantige Bau mit einem Zentralraum ist heute nicht mehr bewohnt und dient vor allem Ausstellungszwecken, ist also ebenfalls zugänglich. In einem Serviceteil nach jedem Kapitel sind solche hilfreichen Informationen zusammengefasst und helfen bei der Reiseplanung in die Bauhausstädte, vor allem zu den kleineren, entlegenen Adressen in der Umgebung.

Zu Beginn der Weimarer Zeit verfolgten Gropius und seine Künstlerkollegen Kandinsky, Klee und Feininger mit expressionistischem Pathos einen Ansatz der Kunst und Handwerk zu einer Synthese bringen sollte. Daher stammte der Ansatz für die gemeinsame Grundlehre und das experimentelle Studium von Material und Natur. Doch das Streben nach einem Gesamtkunstwerk wich zunehmend einer nüchternen Orientierung an eine industrielle Gestaltung mit modernen Technologien. Schon in Weimar überarbeitet Gropius 1923 das Konzept der Lehre und Wilhelm Wagenfeld entwickelt den Prototyp für seine heute weltbekannte Lampe. Doch mit dem Rausschmiss aus Weimar 1925 und dem Umzug nach Dessau wurde dieser Wandel erst richtig deutlich. Hier kooperierte das Bauhaus mit den Flugzeugwerken Junkers. Stahlrohr, Beton und Glas waren die neuen Materialien, die Holz und Keramik verdrängten. Und das Bauhausgebäude selbst wurde zu einem Manifest des Neuen Bauens. Dank einer ihnen wohl gesonnenen Landesregierung konnten Gropius und seine Mitarbeiter etliche Bauten in der aufstrebenden Industrieregion realisieren, darunter bezeichnenderweise ein Arbeitsamt und eine Siedlung für Familien mit geringen Einkommen.

Die meisten Häuser sind als Unesco-Weltkulturerbe mittlerweile frisch restauriert, mit Erläuterungstafeln versehen und oft auch öffentlich zugänglich. Im Bauhausgebäude, in dem Trakt des ehemaligen Studentenwohnheims mit den charakteristischen Balkonen und in einem Haus in der Siedlung Törten kann man sogar übernachten, allerdings zu recht spartanischen Bedingungen. Ingolf Kern stellt das Kapitel Dessau mit dem ikonischen Schulgebäude, den ungewöhnlichen Meisterhäusern und weiteren, weniger bekannten Bauten einiger Bauhäusler wie Carl Fieger und Richard Paulick mit einer leicht ironischen Distanz vor. Schließlich waren die Bauten Experimente, diese können scheiterten oder ganz einfach von den Nutzern nicht angenommen werden, was der Autor nicht verschweigt.

Das nächste Bauhausgebäude, diesmal in Berlin, illustriert deutlich den Abstieg und veränderte Zeiten. Wieder einmal war die Schule von einer rechten Regierung geschlossen worden. Mies van der Rohe als letzter Direktor versuchte einen Neustart in einem alten Fabrikgebäude im Süden Berlins, der jedoch nach knapp einem Jahr scheiterte. Verbindungen des Bauhauses nach Berlin gab es viele. Gropius und Mies begannen hier als Mitarbeiter von Peter Behrens und unterhielten hier lange ihre eigenen Büros. Hannes Meyer, der am wenigsten bekannte Direktor der Schule, entwarf die Gewerkschaftsschule für Bernau bei Berlin und etliche Bauhausschüler wie Richard Paulick oder Gustav Hassenpflug realisierten später große Projekte in Ost und West. Doch mit Neuer Nationalgalerie, dem West-Berliner Hansaviertel, der Stalinallee sowie bekannten Villen und Siedlungsbauten bietet dieses Kapitel weniger Entdeckungen und hauptsächlich Bekanntes.

Aber ein Buch über das Bauhaus, zudem herausgegeben von den drei großen Sammlungen, sollte auch gestalterisch überzeugen. Das tut es mit dem klaren Layout, das die Vielzahl von Textblöcken überschaubar organisiert und die vielen historischen Fotos in Kontrast zu den heutigen Aufnahmen setzt, die alle die Handschrift von Christoph Petras tragen. Der Reiseführer liegt sogar gut in der Hand, das heißt, er ist rundum gelungen. Und wem ein Hardcover-Buch zu altmodisch erscheint, der kann sich die Standortinformationen und Routenvorschläge auch als kostenlose App herunterladen.

Bauhaus Reisebuch
Von Bauhaus-Archiv, Stiftung Bauhaus Dessau, Klassik Stiftung Weimar
Hardcover, 304 Seiten, Deutsch, Englisch
Dumont-Buchverlag, Köln, 2012
19,95 Euro
www.dumont-buchverlag.de
bauhaus-online.de

Bauhaus-Archiv, Museum für Gestaltung in Berlin, mit seinen aus der Industrie übernommenen Sheddächern, gestaltet von Walter Gropius, Alex Cvijanovic und Hans Bandel, Foto © ARGE modell bauhaus 2009/ Christoph Petras, 2011
Denkmal der Märzgefallenen, gestaltet von Walter Gropius, Foto © ARGE modell bauhaus 2009/ Christoph Petras, 2011
Arbeitsamt Dessau, gestaltet von Walter Gropius, Foto © ARGE modell bauhaus 2009/ Christoph Petras, 2011
APP zum Bauhaus-Reisebuch, Foto © ARGE modell bauhaus 2009
Buchcover des „Bauhaus Reiseführer – Weimar, Dessau, Berlin“, Foto © Bauhaus-Archiv Berlin, Stiftung Bauhaus Dessau, Klassik Stiftung Weimar
Speisesaal der Bundesschule Bernau, gestaltet von Hannes Meyer und Hans Wittwer, Foto © ARGE modell bauhaus 2009/ Christoph Petras, 2011
Die Dorfkirche in Gelmeroda ist häufig Motiv in den Gemälden von Lyonel Feininger, Foto © ARGE modell bauhaus 2009/ Christoph Petras, 2011-
Das Bauhaus-Archiv beherbergt die weltweit größte Sammlung zur Geschichte des Bauhauses, Foto © Bauhaus-Archiv Berlin, Karsten Hintz
Südansicht des Bauhausgebäudes in Dessau, Foto © Stiftung Bauhaus Dessau/Yvonne Tenschert, 2011
Buchcover des „Bauhaus Reiseführer – Weimar, Dessau, Berlin“, Foto © Bauhaus-Archiv Berlin, Stiftung Bauhaus Dessau, Klassik Stiftung Weimar
Außenansicht des Bauhaus-Museums in Weimar, Foto © Klassik Stiftung Weimar/Jens Hauspurg