Vor nicht allzu langer Zeit sah es aus, als würden Hersteller von dekorativen Leuchten gegenüber den Produzenten von technischem Licht uneinholbar ins Hintertreffen geraten. Ursache war eine EU-Richtlinie, die schrittweise den Ersatz von Glühlampen durch andere, effizientere Leuchtmittel vorschreibt. Eine gewisse Ratlosigkeit war auf den Produktschauen der Leuchtenindustrie zu verspüren. Die stärker technisch orientierten Firmen beschäftigten sich dagegen schon länger mit den Verhältnissen von Lumen und Watt, also der Frage von Lichtstrom und Energieaufnahme einer Leuchte. Mit der zunehmenden Technisierung des elektrischen Lichts spielen auch Fragen der Farbwiedergabe eine Rolle. Kurz: Hersteller, die sich intensiv mit Technik befassten, hatten einen Vorsprung, den die Produzenten von dekorativen Leuchten aufholen mussten.
Dagegen strahlte die diesjährige Euroluce geradezu Gelassenheit aus. Die Balance zwischen Technikern und Dekorateuren scheint vorläufig wieder hergestellt. Dabei sind nach wie vor viele Fragen offen: Was tun mit all den hervorragenden Leuchten, zum Beispiel des italienischen Designs der sechziger bis neunziger Jahre, die auf herkömmliche Leuchtmittel angewiesen sind? Als gescheitert kann der Versuch gelten, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Die Kompaktleuchtstofflampe, auch Energiesparlampe genannt, hat als vermeintlich Eier legende Wollmilchsau ihren Ruf binnen kurzer Zeit ruiniert. Viele Gründe sprechen gegen sie, auch wenn manche Umweltorganisationen sie noch für unverzichtbar halten, weil sie energieeffizient und daher weniger klimaschädlich ist.
Nachteile der Kompaktleuchtstofflampe
Erstens sieht sie hässlich aus, da sie aus verkleinerten Leuchtstoffröhren besteht, die entweder in einem Gehäuse versteckt sind oder als Röhren verbogen und verdreht offen liegen. Zweitens sie ist überteuert. Drittens besteht ein Faktum, das der Lichtplaner Peter Andres als „Lebenslüge der Energiesparlampe“ bezeichnet, darin, dass sie ihren geringeren Energieverbrauch dadurch erkauft, dass sie nur bestimmte Spitzen des sichtbaren Lichtspektrums zwischen 380 und 780 Nanometer abbildet, was zwar Energie spart, die Qualität des Lichts aber erheblich mindert. Viertens enthält jede Kompaktleuchtstoffröhre mindestens zwei Milligramm Quecksilber, schlechtere Produkte enthalten gar bis zu zehn Milligramm, die aus den verdrehten Röhren kaum mehr zu entfernen sind (zum Vergleich: Ein Milligramm ist in der Lage, 5200 Kubikmeter Wasser für immer zu verseuchen). Der „giftigste nichtradioaktive Stoff“, nämlich das Quecksilber sagt Andres wird in der Nachhaltigkeitsbewertung der DGNB nicht einmal erwähnt. Fünftens geben einige Modelle Phenol-Dämpfe ab, was aus den verwendeten Klebstoffen herrührt, mit denen die einzelnen Bauteile der Lampe verbunden werden. Sechstens schließlich sind, wie bei Autos gang und gäbe, auch die Verbrauchswerte für Kompaktstoffleuchten zum Teil geschönt. Weder Lebensdauer, noch Stromverbrauch entsprechen immer den auf der Verpackung angegebenen Daten.
LED als Alternative
Was aber dann? Immer mehr setzen sich LEDs – Licht emittierenden Dioden – als Alternative zur Glühbirne durch. Viele Lichtplaner und Designer bestehen darauf, neben der Effizienz auch die Qualität des Lichts zu beachten. Und doch: „Der Kauf einer Lampe war noch nie so schwierig wie heute“, befand kürzlich die Stiftung Warentest. Und der in London lebende Designer Mathias Hahn spricht von einem „Menschenrecht auf Licht“. Wie Wärme, Nahrung und Wasser sei Licht ein „existenzielles Grundbedürfnis des Menschen“, sagt Hahn und bedauert, dass der evolutionäre Prozess, der etwa beim Telefon von der Wählscheibe über das Tastentelefon zum Mobiltelefon führte, beim Licht künstlich gekappt worden sei.
Durch die Ächtung der Glühbirne verschlechtere sich eben nicht allein die Qualität künstlichen Lichts, sondern vor allem der Preis. Während man eine Glühbirne nahezu überall auf der Welt für ein paar Cent erstehen konnte, kosten die besten LED-Austauschbirnen heute um die fünfzig Euro. Eine wahrhaft drastische Kostenexplosion. Ein weiteres Problem der neuen Lichttechnik: Die Schraubsockel der Glühbirne waren international genormt. Die Glühbirne galt als ein universelles Objekt. Die LEDs aktueller Produktion halten unter idealen Wärmebedingungen zwar erheblich länger als eine Glühbirne, doch eine genormte Schnittstelle zum Austausch der Leuchtmittel gibt es nicht.
Standbein versus Spielbein
Die Neuheiten der 26. Euroluce sind alles andere als spektakulär. Und doch zeigen sie gegenwärtige Strömungen und Alternativen auf. Lange galt systematisch integrierendes Design, dessen Form flächenbündig und in sich geschlossen ist, als Nonplusultra. Es sollte ein für alle Mal an die Stelle des additiven Designs treten, dessen Bauteile austauschbar miteinander verbunden sind. Die verspielte Schreibtischleuchte „Lotek“, die Javier Mariscal für Artemide entwarf, versucht den Gegenbeweis anzutreten. Das Ergebnis wurde am Stand präsentiert, als sei es ein studentisches Projekt. Ähnlich spielerisch geht Mathias Hahn mit seiner „Scantling Light“-Familie für die spanische Leuchtenfirma Marset zu Werke, für die er Holz und Metall kombiniert und die er im Rahmen der Berliner Installation „Poetry Happens“ in Lambrate zeigte.
Die Leuchte, nicht die Lampe, zählt
Viele Neuheiten und Ansätze präsentierte das vergleichsweise junge Unternehmen Foscarini auf der Euroluce. Die Lichttechnik – wahlweise werden Halogenbirnen oder Kompaktleuchtstofflampen verwendet – ist dabei konventionell. Was zählt, ist die fintenreiche Konstruktion einer unkonventionellen Form. Allein auf dem Messestand waren acht Neuheiten zu begutachten. Dazu gab es jeweils kurze Videostatements der Designer zu sehen, fast wie in einer musealen Präsentation, was im Getümmel des Messekontexts freilich nicht funktionierte. Da ist zum Beispiel die textile Kugelleuchte „Planet“, entworfen vom italienischen Büro Changedesign. Sie wird mit einer starken Halogen- oder Kompaktleuchtstofflampe ausgestattet. Trotz ihres beachtlichen Durchmessers von bis zu achtzig Zentimetern kommt sie ohne stützende Innenkonstruktion aus. Die textile Hülle ist mit umlaufenden weißen oder roten Fäden bestickt. Ausgeschaltet wirkt „Planet“ neutral, beleuchtet zeigen sich die konstruktiven Fäden als funktionales Dekor. Im Superstudio Più inszenierte Foscarini das eigene Leuchtenprogramm. Dazu wurden sieben Modelle, insgesamt 464 Lampen, zerlegt in ihre Bestandteile und neu arrangiert. Auch für die Home Collection namens „Successfull Living“ von Diesel liefert Foscarini neue Modelle.
Für die Hamburger Leuchtenfirma Anta hat die Innenarchitektin und Designerin Siw Matzen die Leuchte „Puk“ entworfen, ein Lichtspender der zurückhaltenden Art. Das Metallgehäuse, außen weiß, innen violett oder außen graubraun und innen weiß lackiert, lässt sich in der Höhe verstellen. Entweder so, dass kaum noch Licht aus einem schmalen Spalt dringt oder so, dass es aus dem großen Leuchtenschirm herab scheint. Eine 75 Watt Halogenbirne sollte es dann aber schon sein.
Das Leben eine Baustelle
Flos interpretierte den eigenen Messestand als großes Umbauprojekt, weshalb am Standeingang lebensgroß abgebildete Designer als Anstreicher in weißen Overalls auftraten. Viele der Neuheiten waren hier mit LEDs bestückt. Manche Wandleuchten für indirektes Licht wie etwa „Beaker“ von Edward Barber & Jay Osgerby oder „Tish“ und „Tyl“ von Piero Lissoni erzeugen dabei beachtliche 980 bis 1100 Lumen bei sechzig beziehungsweise vierzehn Watt.
Auch ausgemachte Funzeln gehören zu den Neuheiten: Etwa das sehr feine und kleine Modell „Piani“ von Ronan & Erwan Bouroullec, von dem es Versionen aus Kunststoff, Eiche und Basaltstein geben soll. Es strahlt ein wunderbares Akzentlicht aus, verbreitet allerdings keine Helligkeit. Flos forciert weiterhin Leuchten, die unter den Putz in die Architektur eingebaut werden. „Wall Rupture“ heißt eine Leuchte, die bereits auf der Art Basel Miami Beach im Dezember vorgestellt wurde – sie „bricht die Wand auf“ und lässt den Riss golden oder silbern erstrahlen. Eine Reminiszenz an das Designverständnis der achtziger Jahre?
Wie entwickelt sich Luceplan, bislang ein westlicher Impulsgeber, nach der Übernahme durch Philips? „LED by Ideas“ lautet das Firmenmotto. Der nicht mehr ganz neue Kunststoff-Kronleuchter „Hope“ allerdings erstrahlt noch immer im Glanze einer Halogenbirne. Zu den besten Neuheiten gehört „Otto Watt“, eine schnörkellose Arbeitsleuchte von Alberto Meda und Paolo Rizzatto, deren Name deutlich macht, wie wenig Energie sie benötigt und deren Farbtemperatur am Leuchtenkopf regelbar ist. Hauptsächlich dekorativen Zwecken dient „Synapse“, eine Struktur aus Polycarbonat-Scheiben, die mit farbigen LEDs Schummerlicht erzeugt.
Gläserne Kaskaden
In einer Gegend der Messe, wo Dekoration eher überwiegt und Technik bestenfalls versteckt wird, stellt das tschechische Unternehmen Lasvit seinen „Märchenwald“ aus. Die Firma steht in der Tradition böhmischer Glasmacher und ist in Singapur, Shanghai und auch sonst in aller Welt vertreten, wo es darum geht, maßgeschneiderte, großformatige und beeindruckende gläserne Lichtkaskaden zu errichten. Überwiegend arbeiten tschechische Designer, wie zum Beispiel Jitka Skuhravá oder Olgoj Chorchoj, für Lasvit; in der Zona Tortona allerdings kamen Mathieu Lehanneur, Nendo und Fabio Novembre mit Installationen zum Zuge. Die Drei schufen Objekte, die flüchtige dynamische Prozesse scheinbar einfrieren und in leuchtenden Glasobjekten verewigen.
Vorne, wo die Technik ist
Großunternehmen wie Zumtobel und Philips präsentierten in Mailand neue Produkte, als gäbe es nichts anderes mehr als LEDs. Philips zeigte verschiedene Szenarien von Wohnen und Arbeiten mit jeweils eigenen Leuchten. Firmen wie Ilti Luce, Luceplan oder Supermodular, die zur Lichtsparte der Niederländer gehören, präsentieren ihre Produkte eigenständig und nur selten mit einem Verweis auf den Konzern. Zumtobel bietet neue Strahler und Produkte zum Umrüsten auf LED-Leuchtmittel an. Sparsam für den Einsatz im Büro oder im Shop.
Den Wandel vom Anbieter für eher individuelle Lichtlösungen im privaten Umfeld zum technisch innovativen Komplettanbieter hat Tobias Grau vollzogen. Dabei setzt er immer stärker auf neueste LED-Technik. Die Serie „Falling“ hat Grau erweitert. Neben einer Tischleuchte sowie einer Variante für die Decken- und Schienenmontage, gibt es die Leuchte in mattem Schwarz. LED statt Leuchtstoffröhre heißt es nun auch bei der Büroleuchte „XT-A“. Sie ist mit tausend LEDs ausgestattet und hat einen Stromverbrauch von 170 Watt sowie verschiedene Schalt- und Regelmöglichkeiten und richtig hell wird es mit ihr auch: sie hat einen Lichtstrom von 10250 Lumen.
Das Gestaltungsprinzip Alessi wird auf die Sphäre des Lichts ausgedehnt. Mit dem niederländischen Hersteller ForeverLamp entstand die AlessiLux-Kollektion. Sie besteht aus LED-Retrofit-Lampen, deren äußere Form sich von der gewohnten Tropfenform ableitet. Die erste Serie umfasst sieben verschiedene Birnen in verschiedenen Farben, die mit drei Leuchtentypen zur Hänge-, Wand- und Tischleuchte verschmelzen, wobei die Birne jeweils sichtbar und ohne Abschirmung bleibt. Die Entwürfe stammen von Frederic Gooris, Giovanni Alessi Anghini und Gabriele Chiave.
Das Experimentierlabor Swarovski Crystal Palace mit seinen raumgreifenden Lichtinszenierungen war diesmal nicht in Mailand zu finden. Als würdiger Nachfolger bewies sich Baccarat, wo Jaime Hayon, Arik Levy, Philippe Strack und andere eine neue Leuchtenkollektion vorstellten.
Ingo Maurer zeigte bereits 2007 als Vision eine Tapete mit integrierten Leuchtdioden. Nun wurde daraus ein Produkt, freilich eines mit besonderen Anforderungen an Herstellung und Montage: Eine Bahn der Tapete besteht aus fünf Rapporten. Jeder Rapport ist mit insgesamt 168 LEDs besetzt, die mit einem Vorschaltgerät gesteuert werden. Und wieder dreht sich mit „Johnny B. Butterfly“ bei Maurer alles um die Birne. An einem Blendring aus Teflon hängen – nahezu unbezahlbar – handgefertigte Insektenmodelle. Und so schwirren auch wir ums Licht.