Grüne Welten
Die Schau zeigt: Vom mittelalterlichen Paradiesgärtlein, dem "hortus conclusus", über islamische Hofgärten und den barocken Schlossgarten bis hin zu "urban gardening"-Projekten: Gärten sind seit jeher Orte der Erholung, des Vergnügens und der Freizeitgestaltung, aber auch der Produktion. Sie sind aber auch Spiegel von Identitäten, Träumen und Visionen – und Utopien vom besseren Leben. Wie wir im Garten darüber lernen können, unser Verhältnis zur Natur neu zu denken und zu gestalten, spürt die Schau in vier Kapiteln in vier Räumen nach. Im ersten Raum blättert eine Medieninstallation die Bandbreite historischer Gärten auf. Davor sind an den Wänden Designobjekte zum Thema aufgereiht – links alles, was der Arbeit im Garten dient, vom Rechen und der Schaufel über die Giesskanne bis zum Pflanzholz, rechts alles, was der Erholung im Garten frönt – vom historischen eisernen Gartenstuhl aus dem 19. Jahrhundert über den ikonischen Altorfer Liegestuhl von 1949 bis zu Patricia Urquiolas buntgeknüpftem Armlehnstuhl Tropicalia von 2008. So weit, so absehbar für eine Ausstellung in einem Designmuseum.
Die Politik des Gartens
Der zweite Raum widmet sich der politischen Dimension des Gartens. So manch paradiesisches Blumenbeet hat seine Wurzeln in der Kolonialgeschichte. Jasmin, Fuchsien und Chrysanthemen stammen aus fernen Ländern und fanden ihren Weg nach Europa dank dem "Wardschen Kasten". Ein Exemplar dieses von dem Londoner Amateurforschers Nathaniel Bagshaw Ward Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelten Kastens aus Holz und Glas steht in der Ausstellung; eine Erfindung, die nicht nur an der kolonialen Ausbeutung beteiligt war, sondern auch mitschuldig an einer ganzen Reihe von komplexen ökologischen Veränderungen. In den Schaukästen nebenan wird die Idee der Gartenstadt, in der sich auch ärmere Bevölkerungsschichten selbst versorgen können, anhand von Beispielen wie Hellerau bei Dresden mit Plänen dokumentiert. Ebenso thematisiert werden die Ideen der Green-Guerilla-Bewegung: Die amerikanische Künstlerin Liz Christy hatte 1973 die Bewegung ins Leben gerufen, um verwahrlosten und zusehends verfallenden Vierteln in New York City mit grünenden Gemeinschaftsprojekten zu begegnen. Der städtische Garten als Raum für soziale Gerechtigkeit und Partizipation – ein Gedanke, der bis heute wirksam ist. Wer die "Saat der Mitbestimmung" in seiner Nachbarschaft pflanzen möchte, findet in der Vitrine eine Anleitung zum Nachbau der Samenbombe von 1976.
"Wenn man in die Gartengeschichte schaut, sieht man, dass jede Epoche und jede Zeit ihre eigenen Gartenideale hervorbringt", sagt Kuratorin Viviane Stappmanns. Einige davon kann man im dritten Teil der Ausstellung sehen, der neun wegweisenden GartengestalterInnen gewidmet ist. Dabei natürlich Klassiker, wie die Werke des Landschaftsarchitekten Roberto Burle Marx (1909-1994), der nicht nur das brasilianische Gartendesign modernisierte, sondern mit seiner Erforschung der einheimischen Pflanzenwelt entscheidend zum Schutz des Regenwaldes beigetragen hat. Burle Marx komponierte seine Gärten als Maler, stets auch in der Harmonie mit den Bauten zeitgenössischer Architektur. Wie dem Dachgarten des Ministeriums für Bildung und Gesundheit in Rio de Janeiro, ein Bau von Oscar Niemeyer in Zusammenarbeit mit Le Corbusier, Lúcio Costa und Eduardo Reidy. Der Künstler und Filmemacher Derek Jarman (1942-1994) wiederum erschuf mit seinem Garten bei Dungeness, Kent, im Angesicht seines herannahenden Todes ein blühendes Gartenkunstwerk, wo kaum jemand es für möglich gehalten hätte – im unwirtlichen Kies der südenglischen Küste, in Sichtnähe eines Atomkraftwerks. Neueren Datums ist der Garten von Jamaica Kincaid, in der sich die Autorin und Gärtnerin mit der Kolonialgeschichte auseinandersetzt. In Kuala Lumpur, einer der am dichtesten bebauten Megastädte der Welt, erkämpften sich die AktivistInnen von Kebun-Kebun Bangsar einen Ort als riesigen Gemeinschaftsgarten. Fehlen durften auch nicht die elaborierten Pflanzenkompositionen von Piet Oudolf. Der Niederländer, einer der renommiertesten Gartengestalter der Gegenwart, plant seine Gärten über alle Jahreszeiten hinweg. Ein Beispiel kann direkt wenige Meter von der Schau entfernt begutachtet werden: Für Vitra hat er 2020 gleich neben dem Museumsparkplatz den Oudolf-Garten entworfen, der nun gerade zu Knospen beginnt. Sein Campus-Garten gab den Anstoss, eine grosse Museumsausstellung der Renaissance des Gartens zu widmen, wie Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums sagt.
Ein Garten der Ideen
Im letzten Teil der Schau steht – neben einer wunderschönen haptischen Textil-Wiese der argentinischen Künstlerin Alexandra Kehayoglou – das größte Ausstellungsstück im Mittelpunkt: Eine sechs Meter lange Illustration des Architekten Thomas Rustemeyer veranschaulicht neben traditionellen und indigenen Projekten aktuelle Gartenprojekte. Hier werden auch zukunftsweisende Entwicklungen angerissen wie der Einsatz der Basler Künstlerin Céline Baumann für die Rechte von Pflanzen, der Konzepte städtischer Mikroklimata des belgischen Landschaftsarchitekten Bas Smets oder die Verbindung von digitaler Kultur und Gärtnern im Liao-Garten des Künstlers Zheng Guogu. Man hätte sich etwas mehr von diesem Blick in die Zukunft gewünscht, wie es der Titel der Schau verspricht. Und auch die Sinnlichkeit, die ein solches Thema innehat, blieb ein wenig auf der Strecke. Ein Teppichboden in grünen Nuancen, wie es die Szenographie des italienischen Designteams Formafantasma vorschlägt, ist leider etwas vorhersehbar und wenig experimentierfreudig. Dennoch: "Garden Futures" ist eine anregende, sehenswerte Schau, die den Garten nicht nur als romantisches Idyll, sondern als Experimentierfeld für soziale Gerechtigkeit, Klimawandel und Biodiversität zeigt. "Hinter jedem Garten liegt das Paradies, und einige Gären sind wahre Paradiese. Meines gehört dazu", schrieb Derek Jarman einmal.
Garden Futures: Designing with Nature
Bis 3. Oktober 2023
Charles-Eames-Str. 2
79576 Weil am Rhein
Öffnungszeiten:
Täglich 10 bis 18 Uhr