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LIGHT + BUILDING

Vernetzt und ernüchtert

Ein Grafikdesigner baut sich in Frankfurt ein Haus. Die Architekten sorgen für eine wohnliche Grundkonstellation. Begeistert für die digitale Welt, schneidert er sich das kompakte Gebäude auf seine Bedürfnisse zu, inklusive einer durchdachten Haussteuerung. Thomas Edelmann hat mit Martin Walter über die Gebäudevernetzung im eigenen Heim gesprochen.

Ihr Haus steht in Fechenheim an Frankfurts östlichem Stadtrand. Warum hier? Weshalb in dieser Form?

Martin Walter: Das Projekt begann mit der Grundstückssuche. Mir war im Grunde egal, wo sich das Haus befinden würde. Durch Zufall entdeckte ich hier ein kleines Gartengrundstück, das zu verkaufen war. Obwohl es kein Baugrundstück war, gab es von Seiten der Stadt keine bürokratischen Hürden.

Und wie haben Sie ein geeignetes Architekturbüro gefunden?

Martin Walter: Entscheidend waren die Architekturtage Hessen. Da sah ich mich nach gelungenen Projekten um. Das Architekturbüro liquid & fay Architekten aus Darmstadt, Kerstin Schultz und Werner Schulz sowie Harald Fay hatte zuvor mit dem neuen Menschenaffenhaus im Frankfurter Zoo ein großes Projekt realisiert und wollte nun gern wieder ein kleineres Vorhaben realisieren.

Und Sie hatten bereits genaue Vorstellungen?

Martin Walter: Vieles ist gemeinsam entstanden. Ich hatte schon einen Entwurf, aber die Architekten haben beispielsweise den „split level“ eingeführt und viele Details, die den Bau ausmachen. Es ging ihnen um Wohnlichkeit, um Sichtachsen, das lange Fensterband, die Blickbeziehungen innerhalb des Hauses und nach außen.

Wie kam es zu der aufwändigen Technik der Haussteuerung?

Martin Walter: Mein Bruder, der Mess- und Regeltechniker ist, hat vor zehn Jahren gebaut. So kam rasch die Frage auf, wie man die Elektrik anbindet. Für ihn gab es damals noch nicht die Möglichkeit, eine Vernetzung nach dem heutigen KNX-Standard zu realisieren. Noch immer ist es ein teurer Posten und er hat mich ein bisschen beraten. „Ich kenne dich“, sagte mein Bruder, „du willst morgen hier noch etwas verändern. Mit der normalen Verkabelung wirst du das nicht hinbekommen.“

Sweet smart home: Die „Wohnschachtel“ von Martin Walter am Fechenheimer Bahnhofsplatz – ein zweigeschossiger Bau mit Glas-Fuge in der Mitte – steckt voller technologischer Raffinessen. Auch die clevere Verschattungslösung an der Fensterfront zur Terrasse lässt sich automatisch steuern.
Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten

Wofür haben Sie sich dann entschieden?

Martin Walter: Der Elektriker kam mit diversen Angeboten. Ich war überrascht, dass die komplette Anlagetechnik gegenüber einer konventionellen Verkabelung nur um ein Drittel teurer sein würde. Leerrohre hatte ich ohnehin vorgesehen, hinzu kamen Datenkabel und Schalter. Die eigentliche Steuerung berechnete er später, und ich entschied mich für Hager. Die Schalter stammen von Gira. Komponenten verschiedener Hersteller lassen sich mit dem Bussystem KNX kombinieren. Ursprünglich sollte die Steuerung nur Licht und Steckdosen betreffen. Ich wollte von Anfang an, dass die Anlage flexibel und aktualisierbar, sodass sich später weitere Systeme, wie beispielsweise große Wand-Displays, integrieren lassen. KNX ist der aktuelle Standard, der die nächsten Jahre wohl Bestand haben wird. Dafür war ich bereit, mehr Geld auszugeben.

Schon während des Innenausbaus erwies sich die Flexibilität als wichtig. Weshalb?

Martin Walter: Das hat mit seitlichen Fenstern zur Lüftung des Hauses zu tun. Ursprünglich sollten sie von Hand geöffnet werden. Aus Kostengründen habe ich während des Baus ein Podest im Innern eingespart. Dadurch war das Fenster plötzlich viel zu weit oben, denn der Rohbau stand bereits. Also ließ ich ein elektrisches Kabel verlegen, um die Fenster mit Motoren steuern zu können. Im Nachhinein das Beste, was passieren konnte. Der Öffnungswinkel der kleinen Fenster beträgt knapp 20 Grad. Ich kann also gefahrlos lüften, zur Arbeit fahren und die Fenster von unterwegs schließen. Wenn man es vergisst, ist das im Sommer nicht schlimm, im Winter jedoch weniger gut. Es war vorgesehen, dass sich die Fenster nach einer Stunde automatisch schließen. Bislang hat das keiner hinbekommen.

Keine sehr anspruchsvolle Aufgabe?

Martin Walter: Im Grunde nicht. Dazu kommen wir noch…Zunächst wurde die Aufheizung des Gebäudes zu einem Problem.

Und wie haben Sie dem entgegengesteuert?

Martin Walter: Als ich bereits eingezogen war, stellte sich heraus, dass die Sonneneinstrahlung auf der südwestlichen Schmalseite des Hauses doch ein bisschen heftig war. Ein Bauphysiker hat mir nahegelegt, diese Seite um mindestens ein Drittel zu schließen. Im ersten Sommer war es unerträglich. Jalousien kamen für mich nicht in Frage. Das Haus soll stets offen wirken. Ich finde es furchtbar, wenn um 17 Uhr überall die Rollläden runtergehen; da wirkt die Stadt dann tot. In Holland oder Dänemark gibt es so etwas gar nicht.

Also gab es eine Speziallösung?

Martin Walter: Ja, an der Südwestseite ist jetzt außen ein Vorhang angebracht aus einem lichtdurchlässigen, blickdichten Material, das sonst zur Abdeckung von Tennisplätzen genutzt wird. Jalousien oder Lamellen waren konstruktiv zu aufwändig, zu schwer oder zu teuer. Der Vorhang ist für mich die sympathischste Lösung. Mit 10 Euro pro Quadratmeter ist er zudem äußerst günstig und zudem ist die Lichtbrechung sehr reizvoll. Auch hier half die Bus-Steuerung weiter. Allerdings gibt es Kontakte, die den Motor abschalten, sobald der Vorhang geöffnet oder geschlossen wird. Leider ist die außen laufende Befestigung des Vorhangs störanfällig und daher bleibt er im Moment daher zu.

Was sind Ihre Erfahrungen mit der Technik?

Martin Walter: Leider habe ich überwiegend Negatives zu berichten. Die Grundidee ist toll, hat in der Praxis aber etliche Schwachstellen. Es beginnt damit, dass dem Elektriker meine Haussteuerung gehört. Bei mir war sie Teil des Gesamtprojektes. Aber auch, wenn ich sie separat bezahle, bin ich verpflichtet, mit dem einmal gewählten Elektriker zusammen zu arbeiten. Aber was passiert, wenn der Elektriker insolvent ist? Wenn er wegzieht oder ich mich entschließe, mit einem anderen Betrieb zusammen zu arbeiten? Das ist nicht vorgesehen. Das Prinzip der Kundenbindung bekommt hier eine neue und unschöne Bedeutung.

Was bedeutet das konkret?

Martin Walter: Ein anderer Elektriker kann die Programmierung nicht anhand der Daten des Hauses nachvollziehen. Er muss von vorn anfangen. In meinem Fall haben sich die beiden Partner des Betriebes zerstritten. Der eine ist in Pension gegangen und hat angeblich alle Daten, die bei ihm verblieben sind, gelöscht. Sollte ich jetzt etwas ändern wollen, müssten wir bei null anfangen. Ein strukturelles Problem, das sich extrem nutzerfeindlich auswirkt. Da muss jeder Lichtschalter neu programmiert werden. Handelt es sich um einen Dimmer oder nicht und was steuert er? Welche Szenarien gibt es?

Sie wurden also als Nutzer zum Experten?

Martin Walter: Man findet so manches heraus. Das System ist nicht offen. Der Elektriker muss für die Software zur Programmierung etwa 1.000 Euro pro Lizenz ausgeben. Und so gibt es in den üblichen Betrieben einen Laptop mit dem entsprechenden Programm, und einen Mitarbeiter, der das beherrscht.

Man muss also das eigene Haus hacken lernen?

Martin Walter: Für mich hat das Konsequenzen. Eine Zeitschaltuhr und eine Außenbeleuchtung mit Bewegungsmelder werde ich demnächst hinzufügen. Aber ich werde sie nicht ans Bus-System anschließen. Man baut das System ein, weil man meint, man kann damit auf dem aktuellen Stand bleiben und dann sieht es in der Praxis anders aus. Die Werbung verspricht, dass ich mein Haus mit dem iPhone steuern kann…

Und das funktioniert nicht?

Martin Walter: Heute wäre vieles mit einer Standard-Verkabelung und einzelnen Steuerkomponenten einfacher und kostengünstiger. Doch das System hat seine Tücken. Etwa, sobald ich etwas selber machen möchte. So ähnlich, wie ich mir meinen Wecker für morgen stelle, möchte ich vielleicht eine Lichtquelle einmalig umprogrammieren. Das geht jedoch nicht.

Aber das sind auch besondere Ansprüche?

Martin Walter: Nicht unbedingt. Ärgerlich ist auch: Seit fast einem Jahr kann ich von außen nicht mehr aufs Haus zugreifen. Aber genau das wünsche ich mir an Komfort, wenn ich etwa im Winter die Heizung aufdrehe, bevor ich nach Hause komme. Oder, wenn ich im Sommer die Fenster aufmache, um durchzulüften. Jetzt aber müsste ich den Elektriker kommen lassen. Er macht einen Reset, anders, als ich das könnte. Das kostet mich jedes Mal 130 Euro für Anfahrt und Tätigkeit. Aktuell ist eine komplette Tastengruppe ausgefallen und ich weiß nicht, woran das liegt.

Nur 300 Quadratmeter großes Bauland erfordert besondere Architekturkonzepte: Der schmale Baukörper wird durch eine grünleuchtente Glasfuge geteilt, die die graue Fassade nicht zu massiv wirken lässt. Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten

Wie sehen Sie die Einbindung von Küchengeräten in die Haussteuerung?

Martin Walter: Als ich davon zum ersten Mal hörte, war ich begeistert. Denkt man jedoch länger darüber nach, wird einem schnell klar, dass es Grenzen gibt. Der vernetze Kühlschrank etwa fotografiert seinen Inhalt. Die Sachen stehen aber hintereinander. Wie will er das sehen? Ich habe eine Butterdose. Da kann man nicht reinfotografieren. Da müsste jedes Produkt mit einem Chip ausgestattet sein, der sagt, ob ich bin da bin oder nicht. Aber auch die Frage, ob eine Milchtüte voll oder leer ist, wäre damit nicht zu klären. Vielleicht will ich ja auch manchmal etwas anderes kaufen? Das ist mir alles viel zu mechanisch gedacht. Selbst ein Chip könnte feststellen, ob der Käse verschimmelt ist oder nicht. Ein hübscher Gedanke, der aber mit vertretbarem Aufwand nie umzusetzen wäre. Wenn ich eine Haushälterin beschäftige, die das ins Display eintippen würde, hätte ich mehr davon.

Was machen Sie stattdessen?

Martin Walter: Auf meinem iPhone habe ich eine Liste, die ich mir mit meinem Partner teile. Wenn einer von uns unterwegs an einem Laden vorbeikommt und etwas einkauft, dann hakt er das auf der Liste ab. Das ist einfach, flexibel und funktioniert.

Wie ist Ihre Zwischenbilanz? Was sind Ihre Wünsche an Hersteller
und Handwerker?

Martin Walter: Für mich als Grafiker ist die digitale Welt mehr als wichtig. Aber ich überlege sehr genau, was für mich sinnvoll ist, und was nicht. Toll finde ich, dass Schalter nachträglich mit anderen Aufgaben programmiert werden können. Wir haben hier im Haus den „Don“. Der Elektriker, ein Italiener, hat ihn so genannt, der Hauptschalter neben dem Bett, mit dem ich alles ein- oder ausschalten kann. Man fragt sich: Hast du in der Küche das Licht ausgemacht? Oder ich höre ein Geräusch, drücke auf „an“ und das ganze Haus ist beleuchtet. Solche Dinge sind super.

Viele Dinge, etwa die Steuerung der Tür, sind ins KNX-System nicht integrierbar. Auch der Hersteller meines motorisierten Gartentors hat dafür kein Modul. Die Heizungssteuerung per App – im Moment funktioniert sie nicht – ist im Grunde sinnvoll. Noch besser als die Steuerung per Smartphone wäre ein automatisches System, das die Gewohnheiten des Nutzers kennt und Temperatur- Absenkung und -Anhebung von selbst durchführt. Ein solches System müsste offen für Ausnahmen sein.

Es gibt viele gute Ansätze – das ist wie in der Modewelt. Was auf dem Laufsteg gezeigt wird, ist etwas anders, als das, was man später kaufen und tragen kann. Es umfasst nur einen Bruchteil der Maximallösungen. Das ist auch gut, denn es steuert die Entwicklungen. Man muss sich sehr gut informieren und überlegen, welche Abhängigkeiten man akzeptieren mag, und welche nicht. Wo bietet Vernetzung eine Erleichterung und was beschert sie mir im Alltag an Mehraufwand.

Unangenehm ist, dass viele Hersteller sich ganz in der „Windows-Welt“ bewegen. Dabei ist es gerade die intuitive Funktionalität, die Nutzer aus der Welt von Apple kennen, und die bei der Haussteuerung noch immer alles andere als selbstverständlich ist. Vielleicht wäre es sinnvoll für die Hersteller, mehr für diese besonders anspruchsvolle Zielgruppe zu tun. Schon als Kind konnte ich nicht leiden, wenn man vier Fernbedienungen und eine schnurloses Telefon zur Verfügung hat. Bang & Olufsen war da die große Ausnahme. Ihnen ist es gelungen, die Audio-Komponenten und Lichtsensoren auch mit neuen Produkten kompatibel zu gestalten. Selbst auf dem iPhone muss ich dauernd die Apps wechseln. So spannend die Thematik für mich bis heute ist, gibt es doch eine gewisse Ernüchterung.

Liquid Architekten entwarfen einen Grundriss mit verschiedenen Split-Levels, sodass der Bauherr nun in der „Galerie“ mit Blick aufs Wohnzimmer duschen kann. Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten
Ein offener Grundriss mit vier zueinander versetzten Ebenen lässt keine Enge aufkommen. Beleuchtung, Lüftung und Fenster-Verschattung sind über einem KNX Bussystem miteinander vernetzt und können automatisch gesteuert werden. Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten
Einige Fenster liegen so weit oben eingebaut, dass der Bauherr sie nicht mit der Hand öffnen kann. Mit vernetzter Haussteuerung funktioniert die Lüftung nun automatisch – eine praktische Lösung, die das nicht einkalkulierte Bau-Manko ausgleicht. Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten
Den Hauseingang gestaltete der Grafikdesigner in frischem Grün. Demnächst will Martin Walter das Haus noch mit einer Zeitschaltuhr, einer guten Außenbeleuchtung und einem Bewegungssystem sicherer machen. Foto © Eibe Sönneken/Liquid Architekten

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