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"Shade" von Begüm Cana Özgür für nanimarquina

Nachhaltigkeit
Aufwertung am Boden

Kreislaufwirtschaft funktioniert! Aus Produktionsresten oder Abfällen lassen Marken wie 13Rugs, Nomad, Kasthall oder Kinnasand Upcycling-Teppiche herstellen.
von Jasmin Jouhar | 06.11.2020

"Das Wort Abfall mag ich nicht", sagt Simone Post. "Wir sollten jedes Material, auch Abfälle, wie eine neue Materialquelle betrachten." Die Niederländerin hat es mit ihrer Abschlussarbeit an der Design Academy Eindhoven vorgemacht: Sie entwickelte ein Upcycling-Konzept für Stoffreste, die sie zu runden Teppichen weiterverarbeitet. Der Ausschuss stammt aus der Produktion des Textilherstellers Vlisco, bekannt für seine farbenprächtigen, wildgemusterten Stoffe in Wachsdrucktechnik. "Der große Unterschied zwischen Upcycling und Recycling besteht darin, dass man beim Upcycling dem Material zusätzlichen Wert verleiht, im Sinne der Kreislaufwirtschaft", sagt die Designerin. Recycling dagegen könne bedeuten, aus einem mit viel Aufwand hergestellten Textil lediglich Dämmplatten zu produzieren.

Simone Post ist mit ihrem Ansatz nicht allein: Eine ganze Reihe von Herstellern und Marken wie 13Rugs, Nomad, Kasthall, Kinnasand oder nanimarquina hat mittlerweile Teppiche aus ursprünglich überschüssigen Materialien im Programm. Es gibt Teppiche aus Garnresten oder Lederabfällen, aus Fahrradschläuchen oder Bonbonpapier. Offensichtlich eignet sich der dekorative Bodenbelag besonders gut, um aus vermeintlichem Abfall etwas Neues zu schaffen. Doch mit dem derben Flickenteppich aus Alttextilien, wie man ihn aus Schweden oder dem Alpenraum kennt, haben diese Upcycling-Produkte wenig gemein. Die oberbayerische Textilweberei rohi beispielsweise verarbeitet seit einigen Jahren die in der Produktion anfallenden Webkanten aus Wolle zu feinen Filzteppichen. In den unter dem Label "13Rugs" vermarkteten Stücken steckt viel Handarbeit: Die Webkanten müssen sortiert, gelegt und fixiert werden. Das Filzen übernimmt dann eine sogenannte Vernadelungsmaschine, die eigens für diese Anwendung modifiziert wurde. So entstehen im Jahr 50 bis 70 Teppichunikate, für die etwa 10 bis 20 Prozent der Webkanten aus der Rohi-Produktion verwendet werden. "Upcycling ist auf jeden Fall ein Weg, um die Nachhaltigkeitsgedanken in den heutigen Produktionsketten anders anzugehen", sagt Tina Wendler von rohi, die das Konzept für 13Rugs gemeinsam mit der Designerin Lara Wernert entwickelt hat. "Ein neues Designdenken mit holistischem Ansatz, verankert in einer traditionellen Firma, das zeugt von nachhaltigem Handeln." Zumal die fluffigen Filzteppiche ein überwiegend regionales Produkt sind: Das Ausgangsprodukt Wolle kommt aus Südamerika, aber alle Gestaltungs- und Produktionsschritte finden bei rohi in Oberbayern statt.

Ganz ähnlich bei Nomad, der Textilmarke der Designerin Jutta Werner: Die Hamburgerin lässt ihre Upcycling-Teppiche zwar im weit entfernten Indien weben, doch die Industrieabfälle stammen alle aus der direkten Umgebung der Weberei. Der "Rubber Rug" etwa besteht aus alten, in Streifen geschnittenen Fahrradschläuchen. Für "Coco Rug" wiederum greift Werner auf Fell- und Lederreste aus der Textilproduktion zurück, was die Teppiche besonders weich macht. Das dritte Modell der kürzlich vorgestellten Kollektion vereint Gegensätzliches: Für den "Candy Wrapper Rug" wird neue Schurwolle mit metallisch-glänzendem Bonbonpapier verwebt – ein so effektvoller wie ungewöhnlicher Materialkontrast. Bei diesen Materialien soll es nicht bleiben, Jutta Werner entwickelt in Zusammenarbeit mit der Weberei gerade weitere Modelle. Doch dieser Prozess kann dauern, beim Bonbon-Teppich waren es zwei Jahre von der ersten Idee zum serienreifen Produkt. "Was simpel erscheint, ist es nicht zwangsläufig", sagt die Designerin. So tauscht sie sich im Moment zwei bis drei Mal die Woche per Facetime mit den Webern aus. "Der Beitrag, den ich mit Nomad zu mehr Nachhaltigkeit leisten kann, indem ich Abfälle ohne weiteren Energieaufwand weiterverarbeite, ist natürlich überschaubar", sagt sie "Aber für mich ist das eine Haltungsfrage. Mir geht es darum, Produkte aus Abfällen zu kreieren, die zu Erbstücken werden können. Ich hoffe, dass ich damit andere inspirieren kann."

Buchtipp zum Thema:

Katie Treggiden, Wasted. When Trash becomes Treasure.
Thames & Hudson, London 2020
ISBN: 9493039382
23,99 Euro

13 Rugs im Produktionsprozess