Im schweizerischen La Brassus kommen eidgenössische Präzession und dänische Nonchalance zusammen: Die Luxusuhren-Manufaktur Audemars Piguet erweitert seine Firmenzentrale mit einem Neubau von Bjarke Ingels. Dessen Büro BIG war im Sommer 2014 als Sieger aus einem geladenen Wettbewerb hervorgegangen. Kai-Uwe Bergmann, Partner bei BIG, ist beim Interview noch ganz im Schweizfieber. Vor wenigen Wochen seien 120 „Bigsters“, wie sich die Mitarbeiter nennen, mit Bussen durch das Land gefahren, um Schweizer Baukunst anzusehen und sich inspirieren zu lassen. Die bei der Exkursion gewonnenen Eindrücke sind bei unserem Gespräch noch immer sehr präsent – was Bergmanns Ausführungen zur geplanten Architektur lebhaft werden lässt.
Adeline Seidel: Sie haben ja gerade die Schweiz bereist. Was unterscheidet aus Ihrer Sicht dänische oder skandinavische Architektur von der Schweizerischen?
Kai-Uwe Bergmann: Ich kann natürlich nur von BIGs Arbeiten sprechen. Aber wer diese kennt, merkt an der spielerischen Art, wie wir Architektur entwerfen, dass wir tatsächlich sehr viel Spaß mit unserer Arbeit verbinden. Ich würde behaupten, wenn ich unseren Entwurf für das neue Audemars Piguet-Gebäude betrachte: Das hätten ein schweizer oder ein deutscher Architekt nicht so konzipiert. Die Architektur entspricht der unkonventionellen dänischen oder skandinavischen Art mit dem Raum umzugehen. Dabei wird der Neubau drei Nutzungen zusammenführen: Ein Museum, neue Atelierräume für die Uhrmacher, und Besuchern einen Einblick in das faszinierende Handwerk der Uhrmacherkunst bieten. Man kennt ähnliche Konzepte bereits von Automobilherstellern: Man holt seinen Neuwagen ab, kann einen Blick in die Produktion werfen, erfährt Spannendes zur Firmengeschichte, und fühlt sich als Kunde mit Produkt und Marke verbunden, weil man weiß, wie und wo es hergestellt wurde. Die besten Plätze werden übrigens die Mitarbeiter des Unternehmens erhalten, denn von den Arbeitstischen der Uhrmacher hat man einen herrlichen Blick auf die wunderbare Landschaft.
Adeline Seidel: Der spiralförmige Bau erinnert an die Unruhe in der Uhr. Ist die Analogie Zufall?
Kai-Uwe Bergmann: Nein, natürlich nicht. Wir kamen schon sehr früh auf die Form einer Spirale. Das Interessante an diesen Uhren ist ja, dass sie wirklich in Handarbeit gefertigt werden. Sie bestehen aus kleinsten Elementen, die mit Federn eine Spannung aufbauen, durch die die hochkomplizierten und hochexakten Zeitmaschinen angetrieben werden. Das ist unglaublich beeindruckend. Wir haben uns gefragt: Wie können wir diese Kraft in die Architektur übertragen? So entstand die Idee eines stützenfreien Gebäudes, das man über eine unterirdische Verbindung betritt. Unterirdisch, um einen respektvollen Abstand zum historischen Gebäude zu schaffen. Im Neubau folgt man dann dem Verlauf einer Spirale, erfährt Interessantes zu Audemars Piguets Geschichte und kann den Uhrmachern bei ihrer Arbeit zusehen, bis man ins Zentrum der Spirale gelangt, wo die Möglichkeit besteht, seine Uhr abzuholen. Alle Räume sind, wie gesagt, stützenfrei, das Glas der Fassade bildet allein die tragende Struktur.