Nun, es ist wie es ist: „Tempus fugit", wie der kleine Lateiner sagt. Die Tage geh'n frostig dahin, der Zeitsand rinnt durchs Designerstundenglas. Schon wieder Januar. Das aber bedeutet naturgemäß den sofortigen Ablauf folgender Automatismen: Schreibtisch aufräumen, Kalender wechseln, Jahresplanung machen, Skiurlaub buchen, alte Zeitungen entsorgen - und eine Ankündigung für die erste Möbelmesse des Jahres schreiben, die imm cologne. Vom 18. Januar 2011 an - den vorhergehenden Pressetag nicht mitgezählt - ist es wieder soweit: Dann grüßt eine Woche lang wieder täglich das Möbeltier, das am Rhein frühzeitig aus seinem Winterschlaf geweckt wird und statt Wetterprognosen allerlei Business-Erfolge, Highlights und Erlebnisse verspricht. Auch wenn wir zugegebenermaßen in den letzten Jahren aufgrund einer gewissen Ermüdung der Messe die nicht immer leichte Wahl zwischen - grob gesagt - Bauhaus und Brauhaus zu treffen hatten, so muss man für dieses Jahr doch schon jetzt feststellen: Man gibt sich Mühe in Köln, es wird angekurbelt. Wir dürfen hoffen. Was sich womöglich gerade daran ablesen lässt, dass man, was die Struktur der Messe und ihrer Satteliten angeht, auf Kontinuität und Konsolidierung setzt. Schließlich ist „Mittelstand", trotz der Westerwelle, als Fels in der globalen Brandung angesagt. Auch wenn die Messestrategen partout nicht von der schlechten Angewohnheit lassen können, sogleich die neuesten Einrichtungstrends 2011 zu verkünden. Was leider auch in diesem Jahr nichts anderes bedeutet, als eine Reihe aufgedonnerter Begriffe und bedeutungsloser Sätze in eine große Trommel zu werfen, aus der man dann das neueste Geschwätz zieht. Ein Beispiel gefällig: „Die Reduktion auf das Wesentliche speist sich nicht mehr aus intellektueller Überheblichkeit oder gefühlsarmer Askese, sondern ist im Gegenteil ein Ausdruck für tiefe Empfindsamkeit und die Suche nach innerer Wahrheit." An dem Satz stimmt zwar überhaupt nichts, aber was soll's, der Mensch, selbst der Rheinländer, steht nun mal drauf, auf den Trend, den plappernden Genossen und sein seltsames Gequatsche von „Homing" und „Balancing" und „Transforming". Woraus folgt: In Köln erwartet uns das übliche Quodlibet. Wobei man sagen muss: Messen sind per se nichts anderes als dies. Wobei, denken Sie, sollten Sie an Zweifel leiden, an den guten Giorgio Agamben und was er von der „kommenden Gemeinschaft" sagt. Das kommende Sein soll nämlich genau das sein - das beliebige Sein, das, was allgemein beliebt. Womit klar wird: Unsere Welt ist eine Messe voller Beliebigkeiten. Aber reicht das? Was ist in Köln diesmal konkret zu erwarten? Nun, die imm cologne als „Raum für Trends und Business", bleibt mit ihren Abteilungen „Pure Village", „Basic", „Comfort", „Prime", „Smart", „Sleep" und „D3 Design Talents" beim Bewährten, um am Ende mit „Living Kitchen", einer neuen internationalen Küchenmesse, und „Pure Textile" dann doch zwei Premieren zu feiern. Dass sich bei „Pure Textile" besonders Textilverlage wie Chivasso, Création Baumann, Christian Fischbacher, Jab Anstoetz, Kinnasand, Nya Nordiska, Sahco, Wellmann sowie Zimmer + Rohde vom Zusammenspiel ihrer Produkte mit Möbeln und Accessoires etwas versprechen, liegt auf der Hand. Ob es funktioniert, wird man sehen. Ferner macht, neben neuen Präsentationen in der eigenen Halle, die Designpost diesmal einen Sprung über die Straße und zeigt zu ihrem fünften Geburtstag fünf unterschiedliche Raumsituationen der Design Post-Aussteller im „Pure Village" der imm cologne - eingerichtet von der Kölner Stylistin Annett Janowiak. Selbst das urbane Drumherum, die Passagen, versprechen diesmal nicht nur Hausmannskost, sondern die eine oder andere Überraschung. Besonders gespannt darf man in diesem Jahr auf den Designer des Jahres sein, den die Zeitschrift „A&W" traditionell in Köln präsentiert - dieses Mal wieder in den Räumen des Kölnischen Kunstvereins an der Hahnenstraße. Für 2011 ausgewählt wurde der japanische Designer Tokujin Yoshioka, der sich, ganz japanisch, von Elementen der Natur ebenso inspirieren lässt wie von fragilen Materialien, was er für Moroso mit dem Sofa „paper cloud" 2009 ebenso eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat wie 2010 mit dem „Memory Chair". Oskar Zieta, der Designeringenieur, der Metall aufzublasen weiß, erhält darüber hinaus den Audi-Mentorpreis - wie stets auf einer Party am Sonntag vor der Messewoche. Darüber hinaus fliegt „Kolibri Mechthild" durchs Wallraf-Richartz-Museum, umkreisen Studierende der Köln International School of Design KISD das offenbar noch immer aktuelle Thema „Netzwerk". Im Museum für Angewandte Kunst MAKK werden alte Pfähle aus Venedig weiterverarbeitet (klingt leider etwas kitschig), bei „Pesch wohnen" malträtiert Jan Kath Teppiche und demonstriert, wie handgreiflich und dekonstruktiv Handwerk sein kann, Boffi zeigt das Schranksystem „Solferino" von Piero Lissoni und die Galerie Fiebach & Minninger das belgische Label „Feld". Wem zwischendurch der Treibstoff ausgeht, der kann auch diesmal im „Hallmackenreuther" im Belgischen Viertel in original Sixties-Ambiente eine Erfrischung zu sich nehmen - schließlich, Sie kennen das von Loriot, hopsen wir wo wir wollen. Wer sich für Alchimia interessiert, der ist im Italienischen Kulturinstitut am rechten Ort, wo Zeichnungen der 1976 gegründeten Gruppe um Branzi, De Lucchi, Mendini und Sottsass zu sehen sind. Meiré und Meiré beherbergt diesmal Vorwerk Teppichböden und lädt - Vorsicht, nur Erwachsene! - in einen „Back Room", in dem unter anderem der Videokünstler Marco Brambilla den Raum als Architektur des Unbewussten inszenieren wird. Außerdem: Die „Designers Fair 2011" ist mit vierzig Jungtalenten nach Ehrenfeld, - ins Barthonia-Forum ¬- umgezogen, wo beim „4. Design Parcours Ehrenfeld" abermals eine kölsche Mischung aus Handwerk, Design, Mode, Architektur und Volksfest geboten wird - verteilt zwischen grassland und Kantine, formluz und raumfieber. Wer freilich weder Lust auf Trendspotting noch auf fraktale Blumen des Bösen hat, dem bleibt nur Monte Christo. Nicht der Graf, sondern das Hotel. Dort, genauer: im ehemaligen Camouflage-Club des Hotels, findet sich, so die Mär, eine interaktive Rauminstallation der besonderen Art. Nein, niemand muss als vermeintlich Toter aus dem Club-Gefängnis fliehen, keine Sorge. Vielmehr haben Studierende der FH Mainz im Monte Christo aus 1600 LED-Leuchten eine Lichtinstallation entwickelt, die über den Kölschkonsum der Besucher gesteuert wird. Womit die Frage „Bauhaus oder Brauhaus" wohl ein für alle Mal im Sinne einer Synthese beantwortet wäre. Na denn, Prost bis das Licht ausgeht. imm cologne
Die internationale Einrichtungsmesse
vom 18. bis 23. Januar 2011
täglich von 9 bis 18 Uhr, Sonntag von 9 bis 17 Uhr
Koelnmesse, Köln
Und täglich grüßt das Möbeltier
von Thomas Wagner | 11.01.2011
imm cologne „D3 Design Talents“
imm cologne „D3 Design Talents“