Seit die Kunst diskursiv geworden ist und viele Künstler glauben, ihre Arbeiten müssten ein Thema haben, dass sich ohne große Anstrengung oder zusätzliche Kenntnisse an ihnen ablesen lassen müsste, tauchen sie immer öfter auf: Sinnsprüche, Sentenzen, Spruchweisheiten, Perspektivierungen, performative Sprechakte, Schriftbilder. Worum genau es sich jeweils handelt, ist nicht immer leicht zu bestimmen, oft aber handelt es sich um schlichte Meinungsäußerungen auf dem Niveau intellektuellen Fastfoods.
Auch bei der 56. Kunst-Biennale von Venedig begegnet man solchen Sprüchen zuhauf. Sie sind Teil eines Werks oder dieses selbst, und sie beziehen sich auf unterschiedliche historische, politische, geografische und künstlerische Kontexte. Am Ende aber haben die meisten die Wirkung von Theaterdonner – ein kurzes Rumpeln im Oberstübchen, schon eilt man weiter zur nächsten Station. Der Text des kollektiven Unbewussten ist eben auch in der Kunst unendlich lang. Über den Padiglione Centrale in den Giardini und die dort angebrachte Inschrift „La Biennale“ hat Glenn Ligon die Worte „blues blood bruise“ geschrieben. Andere Sprüche lauten: „Why would you want to know my name?“ – „I believe someone with what they now call ID (Intellectual Disabilty) should become the President of the Republic“ – „I will always be too expensive to buy“ – „Goya does Yoga Odes“ – „Not in My Name“ – „Ferguson Is Everywere“ – „He was a terrorist, sort of ...“ – „Everything will be taken away“ – „We want everything in order not to die of the truth“ – „Public Space is where You Encounter a Stranger“ – „Hello, today yo have day off.“ Mehr oder weniger fromme Wünsche zuhauf, hilflos zumeist. Eher unbeabsichtigt zum Kommentar (für Sammler und Biennale-Rummel) wächst sich aus, was ein Plakat im skurrilen Laden des Kanadischen Pavillons verheißt: „For a fishing vacation you will never forget.“
Okwui Enwezor, der Kurator der zentralen Ausstellung „All the World’s Futures“ der 56. Biennale, möchte kein einheitliches thematisches Feld abstecken, vielmehr die Kunst und ihre Praktiken aus vielen Blickwinkeln betrachten. Ihre politische Hintergrundstrahlung einzufangen, reicht ihm dabei nicht. Er setzt deshalb auf eine Schicht aus drei „Filtern“, die einander angeblich überlagern und aus einem „Garten der Unordnung“ (Garden of Disorder), der „Lebendigkeit epischer Dauer“ (Liveness: On Epic Duration) und dem „Lesen des ,Kapitals’“ (Reading Capital) bestehen. Zu merken ist in der Ausstellung von solchen Filtern so gut wie nichts. Nur Karl Marx, den bemerkt man schon.
Für den alten Haudegen William S. Burroughs war die Sprache ein Virus, der einst aus den Weiten des Alls zu uns gekommen war. Für Enwezor ist sie – trotz aller Diskursseligkeit – zu einem pathetischen Hintergrundrauschen geworden, das atmosphärisch jene wabernde Kapitalismuskritik umfängt, die auszubreiten er angetreten ist. Also wird in Portionen von 30 Minuten Dauer aus Karl Marx’ monumentalem Hauptwerk „Das Kapital“ vorgelesen – in einer großen, naturgemäß rot gestrichenen Arena im Zentralpavillon, die der Architekt David Adjaye entworfen hat. Sprachpolitisch wurde Marx da schon auf Linie gebracht, ignoriert die Lesung doch das deutsche Original und hält sich an eine englische Übersetzung – was die Frage aufwirft, weshalb ausgerechnet hier auf jene Differenz und Genauigkeit verzichtet wurde, die Enwezor doch für die Kunst einfordert? Zumal das von Isaac Julien choreografierte „Das Kapital Oratorio“ für die meisten Ohren dieselbe Wirkung hat wie eine Sequenz des Gesangs von Walen: Es klingt gut, und weil es hier in so großer Ausführlichkeit vorgetragen wird, muss es wichtig sein. Mehr als ein groß inszenierter symbolischer Akt der Hilflosigkeit ist das Ganze am Ende aber nicht.
Ganz anders verfährt Haroun Farocki mit Worten und Spruchweisheiten. Auf vielen kleinen Monitoren widmet Enwezors Blick in all unsere Zukünfte dem stets kritischen Filmemacher, der im vergangenen Jahr gestorben ist, zwar eine in der Gleichzeitigkeit so vieler Filme seltsam entrückt wirkende Retrospektive. Im Kabinett daneben aber läuft Farockis Kurzfilm „Die Worte des Vorsitzenden“ von 1967, der, wie nachzulesen, schon bei den Teach-ins im Audimax der Freien Universität Berlin teils mit donnerndem Applaus, teils mit ohrenbetäubenden Pfeifkonzerten überschüttet worden ist. Die Aufforderung, die Worte des Vorsitzenden Mao auf eine völlig neue Stufe heben zu sollen, nimmt Farocki wörtlich – aus den Worten auf dem Papier aus dem roten Büchlein wird ein Papierflieger mit gefährlicher Nadelspitze. Der Skeptiker hinter der Kamera hat sich nie einlullen lassen von den Ideologien, kamen sie auch noch so verbrämt daher oder traten in den prunkvollen Kleidern postkolonialer Kritik auf.
Nicht ganz so überraschend wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, geht die Indienstnahme von Kunst und ihre oft genug etwas platte Reduktion auf (politische) Information und Meinung einher mit einer Steigerung ihres theatralischen Auftretens. Ein ums andere Mal wird der Mangel an künstlerischem Formwillen kompensiert durch eine Multiplikation der vermeintlichen Aussage sowie deren bühnenartiger Aufbereitung. Nicht selten wird nach der Devise verfahren: Viel hilft viel – mit Konsequenzen für Raum und Architektur.
In der zentralen Ausstellung bedeutet das: Aufgeboten wird eine Überfülle an Werken unterschiedlicher Art, Materialität und Qualität, die vor allem in den Arsenalen so eng gedrängt präsentiert werden, dass sie wie bloße Belegstücke wirken. Von der Weite und dem eigenen Atem der Räume ist kaum etwas geblieben. Schnell verfestigt sich der Eindruck, der Besucher solle sich durch eine labyrinthische Messehalle voll von politischen Statements kämpfen. Unter Wahrnehmungsbedingungen, die Video-Zapping mit einer postkolonialen Häppchenkultur verbinden, verliert die Kunst dabei sowohl ihren je eigenen Raumbezug als auch ihre Eigenzeit. Mit dem Effekt: Der Betrachter vermag sich nur schwer auf die symbolische Kraft einzelner Arbeiten einzulassen. Weshalb selbst solche von Bruce Nauman oder Monica Bonvicini wie einzelne Datensätze aus Enwezors Datenbank kritisch-politischer Kunst und der sie vertreibenden Galerien wirken. Selten ist unter dem Signum politischer Kritik die Vereinigung mit dem Kunstmarkt so vollständig gelungen.
Auch in einigen Nationenpavillons lässt sich beobachten, wie Raum und Bühne, Bau und Inszenierung, Architektur und Theatralität zusammenstimmen, hier allerdings auf ebenso spannende wie differenzierte Weise. Theater, Bühne und Venedig sind ohnehin nicht zu trennen. Man muss nur am Abend, wenn die Tagestouristen und Kreuzfahrer verschwunden sind, durch die engen Gassen laufen, um an jeder Ecke erleben zu können: Venedig ist selbst eine Bühne. Am Ende einer Gasse tritt plötzlich jemand auf, um im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden zu sein. Auch wenn die Venezianer am Morgen ihre Hunde ausführen oder Güter per Handkarren Stufe für Stufe über eine der zahllosen Brücken hieven, betreten sie für einen Moment eine Bühne. Fast möchte man meinen, der von dem Kunsthistoriker Michael Fried in die Kunsterfahrung eingeführte Gegensatz von Theatralität (Theatricality) und Versunkenheit (Absorption) kehre derzeit in vielen Pavillons wieder. Mit erheblichem Übergewicht auf der Seite des Theatralischen. Keine Frage, der Betrachter wird gern von allerlei Effekten umgarnt, seien sie von performativer, eher narrativer oder am Ende dann doch von (bühnen)architektonischer Art.
Beginnen wir beim Pavillon Österreichs, der in dieser Hinsicht der gelungenste ist, weil Heimo Zobernig bewusst auf die Situationsgebundenheit der Kunsterfahrung eingeht und in situ nicht nur mit Elementen des Baus wie Boden, Decke, Korridor, Licht, Innen und Außen, sondern auch mit den sich daraus ergebenden Effekten spielt.
Zobernig übt extreme Zurückhaltung und konzentriert sich auf die „Verbesserung“ einer gegebenen räumlichen Situation. Zugleich erreicht er, dass der Betrachter den Raum sehr physisch erlebt, also mit allen Körpersinnen erfasst. Als „Inhalt“ von Zobernigs Intervention erweisen sich somit sowohl Josef Hoffmanns und Robert Kramreiters Österreichischer Pavillon von 1934 als auch der mit Ort und Bau verbundene Präsentationsrahmen der Kunst. Auch wenn man die „Methode Zobernig“ kennt, das Ergebnis ist verblüffend: Zobernik hat den Boden angehoben und die Decke so weit abgesenkt, dass nicht nur die klassischen Rundbögen verschwunden sind, sondern auch ein völlig neues Raumgefühl entstanden ist. Wer das Gebäude betritt, durchquert – angezogen vom „Bild“ oder der Naturkulisse des neu bepflanzten konchenartig umfangenen „Skulpturenhofs“ ¬– das Gebäude wie auf einem Laufsteg. Die nun abgedunkelten, rechts und links davon gelegenen „Ausstellungssäle“, werden ignoriert oder man sitzt in ihnen, und schaut dem lebendigen Treiben auf Zobernigs Architekturbühne zu, die der (ehemalige) Betrachter nun selbst bespielt wie ein Schauspieler die Bühne. Raum, Licht und Gesichtsfeld des Betrachters prägen die Kunsterfahrung und vermitteln einen Eindruck von großer künstlerischer Freiheit.
Mit einer theatralischen Auffassung von Raum beschäftigt sich auch das Künstlerkollektiv BGL, gebildet aus Jasmine Bilodeau, Sébastien Giguère und Nicolas Laverdière, im Kanadischen Pavillon. Das Über-Kanada mit dem Titel „Canadissimo“, das sie geschaffen haben und das sie selbst eine „Art materialistischen Wahnsinn“ nennen, erweist sich räumlich und geistig gleichermaßen als Labyrinth und Spiegelkabinett. Der Pavillon selbst in seiner architektonischen Gestalt ist nicht mehr wiederzuerkennen. Wie unsere Phantasie so werden auch Raum und Architektur überwuchert. Zunächst von einem Laden, in dem es typisch kanadische Waren gibt, in dem hier und da aber auch Aufschriften und Bilder auf Verpackungen nur mehr verschwommen wahrgenommen werden können. Hinter dem Raum des Kommerzes beginnt derjenige der Kunst, doch ach, auch er erweist sich als wüstes Sammelsurium. Man betritt einen Ort, an dem stereotype Affen und Indianer aus Ton lagern und wohl auch bemalt werden, auch wenn die gestapelten leeren Farbdosen samt Pinseln mit ihren vielen bunten Farbspuren und -nasen wie das eigentliche Werk in diesem überdrehten Atelier oder in dieser Kunstfabrik wirken.
Damit ist es aber noch nicht genug. Über all dem schwebt ein Erweiterungsbau samt einem, sagen wir, Finanzierungskonzept. Wirft man oben einen Euro ein, bewegt er sich über Rampen und Kanäle wie durch eine Maschine, um am Ende in der Fassade vor dem Atelier zu enden, wo er ein herzförmiges Muster bildet. In der Kurzversion: Kunst folgt auf Kommerz und wird von der Aufmerksamkeit des Publikums gefüttert. Wie immer man das findet, das Environment von BGL zeigt auf lustige und kritische Weise auch, wie theatralisch initiierte Räume bestehende überwuchern und gleichsam erweitern.
Abermals auf andere Weise und doch auch behaftet mit der Tendenz zum Theatralischen, wird in den Pavillons von Israel und Griechenland mit einer architektonischen Metaphorik beziehungsweise einer Wiederaufführung, einem „reenactment“ umgegangen.
„Archeology of the Present“ – eine Archäologie der Gegenwart hat Tsibi Geva seine Ausstellung und seine Gestaltung des Israelischen Pavillons anspielungsreich genannt. Wichtig dabei ist der Gegensatz zwischen Ausstellen und Umbauen oder Umgestalten. Denn während im Inneren Arbeiten in mehr oder weniger üblichen Formaten gezeigt werden, erweist sich der umgestaltete Bau selbst als die stärkste Metapher. Wie ein Schutzpanzer überziehen mehr als tausend alte, aus Israel stammende Reifen in einem regelmäßigen Raster die Fassade. Im Innern durch die vorhandenen Fenster sichtbar, wird die Reifenhaut von einer einfachen Mauer aus Betonsteinen ergänzt, was der begehbaren Skulptur aus dieser Perspektive zusätzlich den Charakter einer Festung gibt, die schützt, die in ihr Leben zugleich aber abschottet und einmauert. Die Arbeit stünde als gebaute Metapher auch einer Architekturbiennale gut zu Gesicht. Dass im Innern zusätzlich Arbeiten des Künstlers gezeigt werden schwächt die Sache und kann nur als Zugeständnis an den Kunstmarkt verstanden werden.
Im Pavillon Griechenlands ruft Maria Papadimitriou unter dem Titel „Why look at Animals?“ in „Agrimiká“ die Werkstatt eines Fellgerbers und Tierpräparators als fragmentiertes Raumbild herbei, die sie aus der zentralgriechischen Stadt Volos nach Venedig transferiert hat. Architektur und Raum werden hier zur Kulisse eines Stücks, das von Menschen und Tieren, Politik und Ökonomie, Handwerk und Kunst, Ethik und Ästhetik handelt.
Das Wichtigste sieht man nicht. Es geschieht über den Dächern. Doch davon später. Wer den Deutschen Pavillon betritt, erlebt sogleich eine Überraschung. Alle Hauptwege bleiben verschlossen. Über eine schmale Wendeltreppe an der Seite gelangt man hinauf in ein neu eingezogenes Ausstellungsgeschoss und von dort über drei getrennte Treppenhäuser wieder hinab – in einen Filmraum, einen Seitenflügel mit einer Bodeninstallation, und in einen zentralen, gerasterten Medienraum. Man kann viel über Tobias Zielonys Verhältnis zum Fotojournalismus, über Hito Steyerls giftiges Videospiel und über den Film und die Bodenplastik von Jasmina Metwaly und Philip Rizk reden und deren Ansätze nicht nur medientheoretisch kontrovers diskutieren. Aus der Perspektive des Betrachters aber stechen zunächst die Architektur des Pavillons und deren überraschende Veränderung ins Auge.
Das von Florian Ebner gesetzte Thema „Fabrik“ ist das eine, die tatsächliche Fabrikation einer architektonischen Gesamtheit etwas ganz anderes. Sie ist es, die auf dem Weg hinauf und hinab wirklich überrascht und den Besucher gefangen nimmt. Zumal Ebner selbst im Katalog zunächst den leeren Pavillon deutet, auf die „latente Präsenz von Geschichte“ in diesem verweist und daraus den Schluss zieht: „Wie in keinem anderen künstlerischen Kontext sonst gilt es auf dieses besondere Gehäuse zu reagieren.“ Erfährt man dann noch, dass für die Einbauten das Material der Installation der Architekturbiennale des vergangenen Jahres – also die von Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis erzwungene Verschmelzung des venezianischen Pavillons mit dem Bonner Kanzlerbungalow (vgl. Germany’s Ex-Topmodels, News&Stories vom 15. Juni 2014) – recycelt wurde, so beginnt die (eigentlich simple) Ausstellungsarchitektur plötzlich auch diskursiv an Profil. Verblüffend ist es schon, wie gründlich der Kurator die künstlerischen Arbeiten, die er ausgewählt hat und in Venedig vorstellt, medientheoretisch durchdenkt, den Ort und seine architektonische Bedingtheit damit aber nicht in Beziehung setzt beziehungsweise die aufmerksamkeits- und zeitökonomischen Wahrnehmungsbedingungen darüber vergisst.
Olaf Nicolais Arbeit „GIRO“ – was im Italienischen Rundfahrt, aber auch Wende, Drehung und Umweg bedeutet und zugleich Anklänge an das entsprechende Konto enthält – ereignet sich auf dem Dach des Deutschen Pavillons. Wobei das Konzept mehr zählt als dessen Realität in der Anschauung. Zumindest während der Vorbesichtigungstage blieben die Bumerangwerfer mehr oder weniger ein Gerücht und wurden von kaum einem gesichtet. Gleichwohl, und das ist entscheidend, kreiert und umschreibt die Arbeit auf dem Dach (als „Ort der Freiheit und des Experiments“, so Ebner) und über den Köpfen eine besondere Form der Zirkulation. Auch das Dach ist Bühne, aber eine, die weniger dem Auge als der Einbildungskraft Spielräume eröffnet. Olaf Nicolais „performative Langzeitaktion“ – mit Bezügen zu Slavoj Zizek und einem Roman von Erri De Luca – inszeniert die geheimnisvolle Tätigkeit von Menschen, die auf dem Dach Bumerangs schnitzen, um sogleich deren Flugfähigkeit zu erproben. Der Flug des Bumerangs umschreibt einen eigenen Raum, umfängt mit leichter Hand und ständig vom Scheitern bedroht in einer Art Meta-Raum eine imaginäre, zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrende Bewegung, in der Absicht und Ziel, Treffen und Verfehlen vereint sind.
Die Liste mehr oder weniger theatralischer Arbeiten lassen sich ohne Anspruch auf Vollständigkeit mit Blick auf die in ihnen steckenden oder reflektierten Ambivalenzen noch um einige Positionen ergänzen. Offen theatralisch agiert etwa Iwan Grubanov im Pavillon Serbiens, wenn er das Verschwinden von Nationen mit gestischen Farbmalerei zu einem pathetischen Arrangement verbindet. Filip Markiewicz, seines Zeichens Künstler, Darsteller, Filmemacher und Musiker, geht im Pavillon Luxemburgs einen ganz anderen Weg und inszeniert ein ebenso schonungsloses wie nachdenkliches „Paradiso Lussemburgo“. Schon die „Präambel“, ein Zitat von Oscar Wilde, stellt klar: „The world is a stage but the play is badly cast“ – die Welt ist eine Bühne, doch das Stück ist schlecht besetzt. Nicht nur das Wort „Steuerparadies“ klingt einem hier in den Ohren, auch Dante oder der Film „Cinema Paradiso“, wobei eine Karaokemaschine und das Singen von „Fake Protest Songs“ nur eine von vielen Formen kritischer Reflexion zum inszenatorischen Overkill darstellt, wie er im Großherzogtum und in unser aller Gegenwart stattfindet.
Und während man im Pavillon Polens auf einer riesigen Panoramaleinwand im Film „Halka/Haiti 18°48’05”N 72°23’01”W“ von C.T. Jasper und Joanna Malinowska die Aufführung der polnischen Nationaloper „Halka“ auf einem Dorfplatz auf Haiti verfolgen kann, wo Nachfahren 1802 zur Niederschlagung eines Sklavenaufstands dorthin abkommandierter polnischer Soldaten leben, beschwören „The Ways of Folding Space & Flying“ von Moon Kyungwon und Jeon Joonho im Koreanischen Pavillon ein technisches Paradies und fragen danach, ob die Zukunft so aussieht.
Da der Deutsche Pavillon gleich neben dem Koreanische liegt, fliegen die Bumerangs vom Dach auch über diesen hinweg. Von Zusammenstößen derart unterschiedlicher Flugkörper wurde bislang nicht berichtet. Glaubt man dem guten Ringelnatz und einem seiner Gedichte, so schließt die Metapher vom Bumerang freilich auch das oft überforderte Publikum von überladenen Mega-Events mit ein: „War einmal ein Bumerang; / War ein weniges zu lang. / Bumerang flog ein Stück, / Aber kam nicht mehr zurück. / Publikum – noch stundenlang – / Wartete auf Bumerang.“ Bleiben sie geduldig, die Biennale geht noch bis in den November.
56. Kunst-Biennale Venedig
All The World’s Futures
Giardini, Arsenale
bis 22. November
Kurzführer 18 Euro
Katalog 85 Euro
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