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"Fluke"

Ohne Schnörkel

Elegantes Design, hochwertige Qualität und eine lebendige Tradition: Das Familienunternehmen Tsatsas fertigt seit 2012 Ledertaschen in Handarbeit und verknüpft so das traditionelle Handwerk der Feintäschner mit einer modernen Formensprache. Dazu gehören Kooperationen mit David Chipperfield oder Dieter Rams. Das Deutsche Ledermuseum in Offenbach am Main zeigt mit "TSATSAS. Einblick, Rückblick, Ausblick" ab dem 1. April 2022 eine Einzelschau über das Portfolio der Taschenmanufaktur, die den Spagat zwischen lokaler Produktion und internationalem Auftritt schafft. Dimitrios Tsatsas erklärt uns das Konzept der Ausstellung und warum Design keine Schnörkel braucht.
28.03.2022

Anna Moldenhauer: Was war der Anlass für die Ausstellung "TSATSAS. Einblick, Rückblick, Ausblick" im Deutschen Ledermuseum in Offenbach?

Dimitrios Tsatsas: In diesem Jahr feiern wir das zehnjährige Jubiläum unseres Taschenlabels. Einzelne Produkte waren immer mal wieder Teil der Ausstellungen des Ledermuseums – die Direktorin Dr. Inez Florschütz hat uns nun vorgeschlagen die Entwicklung des Unternehmens in einer Einzelausstellung zu präsentieren.

Was war euch bei der Präsentation der Exponate wichtig?

Dimitrios Tsatsas: Da die Ausstellungsfläche unter der Leitung von Frau Dr. Florschütz aktuell modernisiert wird, ist der Raum entkernt, dass betrifft sowohl die vorhandenen Vitrinen als auch den Boden. Der Beton wurde freigelegt und abgeschliffen. Wir haben diesen rohen Effekt aufgegriffen und die Ausstellungsfläche komplett in ein helles Grau getaucht. Mit Blick auf die Exponate ist die Ausstellung keine klassische Retrospektive, es wäre zu früh, um in dieser Form auf unser Schaffen zurückzublicken. Sie ist daher nicht chronologisch unterteilt, sondern in Themenfelder. Das Konzept gewährt somit Einblicke, welche Faktoren für unsere Arbeit relevant sind und wie die Taschen entstehen. Wir werden auch einen Film zeigen, der darstellt, wie komplex diese handwerklichen Abläufe sind. Der Designprozess ist bei weitem nicht so linear, wie man vielleicht denken mag – zwischen dem zweidimensionalen Entwurf und dem dreidimensionalen Produkt liegen viele Schritte. An einer Station bieten wir den BesucherInnen zudem die Möglichkeit das Material haptisch zu begreifen, um so ein Gefühl für die Qualität zu bekommen. Ebenso beleuchten wir unsere Kollaborationen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachhaltigkeit, die für uns von Anfang an sehr wichtig war.

Esther Schulze-Tsatsas und Dimitrios Tsatsas

Zentral im Raum habt ihr zudem ein Förderband aufgebaut, auf dem eine Auswahl der Taschen präsentiert wird. Was war die Idee dahinter?

Dimitrios Tsatsas: Das Kernelement ist ein Industriekreisförderer, der aber relativ untypisch aufgebaut ist. Er ist nicht von der Decke abgehängt, sondern läuft etwa 40 Zentimeter über dem Boden. Auf ihm haben wir die für uns relevantesten Taschen der Kollektion platziert, die somit gleichwertig in ihrer Stellung sind. Durch die endlose Bewegung des Förderbandes wechseln sie ständig ihre Position, was ein einheitliches Gesamtbild bewirkt.

Die Basis von Tsatsas ist das Lederwarenatelier deines Vaters in Offenbach. Wie hat sich die Produktion in Handarbeit mit der wachsenden Nachfrage über die letzten Jahre verändert?

Dimitrios Tsatsas: Wir haben räumlich und personell ausgebaut, der Standort ist aber nach wie vor in Offenbach am Main. Daran wollen wir auch künftig festhalten. Das Wachstum unseres Unternehmens soll gesund und kontrollierbar geschehen, denn eine enge Zusammenarbeit zwischen Kreation und Produktion ist essenziell. Nur so können wir sicherstellen, dass jedes Produkt bis ins letzte Detail unsere Handschrift trägt und die Qualität immer gewährleistet ist. Zudem verhindert die interdisziplinäre Teamarbeit, dass eine der beiden Bereiche betriebsblind wird.

Welches Leder verwendet ihr für die Herstellung?

Dimitrios Tsatsas: Das hängt jeweils von den Produkteigenschaften ab, die man erreichen möchte – von glatt bis genarbt. Wir arbeiten mit rein natürlichem, offenporigen Leder und greifen kaum in die Struktur oder Oberfläche ein. Über 90 Prozent des Leders auf dem Markt ist "veredelt", sprich das natürliche Narbenbild wird mit einer Pigmentschicht verdeckt. Für die natürlichen Gerbmethode, die wir verwenden, kommen nur Häute der besten Qualität in Frage, die weder Kratzer noch Narben aufweisen. Natürlich belassenes Leder ist haptisch sehr angenehm und altert auch ästhetischer. Schichten, die über das Naturmaterial aufgetragen werden, können im Laufe der Zeit Knicke oder Risse bilden. Das ist bei unseren Taschen nicht der Fall – das Material altert quasi in Würde.

"Suit-Case"
"Tape XS"

Eure Farbpalette war über einen langen Zeitraum neutral, nun habt ihr das Spektrum erweitert. Gab es einen Anlass dafür?

Dimitrios Tsatsas: Die unterschiedlichen Pole im Design sind nun stark genug, um auch in der Farbe mehr Auswahl zu bieten. Wir versuchen die Kollektion dabei immer auch als Ganzes zu sehen. Wir führen deshalb keine Farbe für eine Saison ein – wenn wir uns für eine Farbe entscheiden, dann bieten wir sie auch für die alten Modelle an.

Wie legt ihr die jeweiligen Töne fest?

Dimitrios Tsatsas: Wir richten uns nicht nach Trends, daher ist unsere Auswahl sehr persönlich. Keine unserer Farben ist in ihrem Sinne "klassisch", jede weicht ein wenig von ihrem Grundton ab. Das Rot beispielsweise hat einen leichten Orangestich und wirkt je nach Lichteinfall anders.

Eure Designs sind sehr klar. Warum braucht Taschendesign keine Schnörkel?

Dimitrios Tsatsas: Das ist eine gute Frage. Im Grunde basieren Schnörkel auf Trends – und Trends haben ein visuelles Verfallsdatum. Wenn man Produkte entwerfen möchte, die möglichst zeitlos sind, ergeben Schnörkel wenig Sinn. Darüber hinaus geht eine Tasche mit der Person, die sie trägt, eine gewisse Symbiose ein. Wenn das Objekt in der Gestaltung zurückgenommen ist, sieht man sich nicht daran satt. Unsere ersten Entwürfe, wie "Fluke" oder "Lucid" sind auch nach zehn Jahren noch gefragt. Darüber hinaus funktionieren alle Taschen im Verbund als Kollektion. Das wäre nicht möglich, wenn wir jedes Design überreizt hätten.

Woran arbeitet ihr gerade?

Dimitrios Tsatsas: Wir arbeiten gerade an unterschiedlichen Projekten – in der Schau im Ledermuseum präsentieren wir zum ersten Mal die Erweiterung von "Suit-Case", die gemeinsam mit dem Architekten David Chipperfield entstanden ist. Neben dem bisherigen Koffer wird es eine Aktentasche und weitere Reiseutensilien geben. Alle Elemente sind in einer Formensprache gestaltet – quasi die Form des Koffers als Ausgangspunkt, die mit jeder Ergänzung immer kleiner und abstrakter wird.

TSATSAS
Einblick, Rückblick, Ausblick

1. April bis 30. Oktober 2022

Frankfurter Str. 86
63067 Offenbach
Tel.: 0040 69 829 7980

Dienstag bis Freitag: 10 – 17 Uhr
Wochenende und Feiertage: 11 – 18 Uhr
Am zweiten Donnerstag im Monat: 10 – 20 Uhr