RESTAURANT
Im Einklang mit dem Zeitgeist
Die Menschheit mag sich das Konzept von Zeit und Raum schon vor Jahrtausenden zu Eigen gemacht haben, aber hier oben, im karg besiedelten Norden Schottlands unweit der rauen Küste, ist dessen Interpretation schon mal Ansichtssache. "Die vergangenen 200 Jahre waren lediglich ein Prolog für alles, was da noch kommen wird", erklärt die Single Malt Whisky-Destillerie "The Macallan" mit Blick auf ihr historisches Jubiläum im vergangenen Jahr. Und ergänzt: "Wir sind The Macallan. 200 Jahre jung."
Eingebettet in den schottischen Highlands
Für eine Spirituose, die mehr als 50 Stunden lang fermentiert wird und anschließend bis zu 78 Jahre lang reift, ist Zeit womöglich wirklich relativ, wenngleich alles andere als unwichtig. Es kommt also nicht von ungefähr, dass auch das neueste Projekt des Unternehmens, ein Nobelrestaurant auf dem knapp 200 Hektar großen Anwesen der Destillerie, sich mit dem Konzept beschäftigt – und zwar wortwörtlich. Das "Timespirit" gleicht einer Hommage an den europäischen Zeitgeist, der architektonisch wie kulinarisch von einem Staraufgebot serviert wird: Entwickelt und geplant vom dänischen Architekten David Thulstrup, soll das tief in den Hügeln der schottischen Highlands eingebettete Lokal die erste Außenstelle des berühmten spanischen Sternerestaurants "El Celler de Can Roca" sein.
Die außergewöhnliche Kollaboration entspringt einer langjährigen Zusammenarbeit zwischen The Macallan und dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Lokal in Girona. Bereits zweimal zuvor wurde "El Celler de Can Roca" zum besten Restaurant der Welt gekürt; die drei Roca-Brüder leiten es seit 1986 und veredeln dort die katalanische Küche zu anspruchsvollen Mehrgang-Menüs. Das passt durchaus besser zum wilden schottischen Naturell, als es auf den ersten Blick aussehen mag: Auch im "Timespirit", dessen bodentiefe Glasfassaden einen spektakulären Ausblick vom Gastraum ins Grüne ermöglichen, sollen lokal kuratierte Speisen entstehen und sich dabei aus "Schottlands Speisekammer" ringsherum bedienen.
Weitläufiger Purismus in Holz und Stahl
Das immersive Restauranterlebnis beginnt allerdings schon an den Pforten der Destillerie: Wie ein tief ins Gesicht gezogener Hut schmiegt sich das hochmoderne, kuppelförmige Gebäude aus Glas und Stahl in die begrünte Anlage ein. Die aufwändige Dachkonstruktion aus Holz ist von außen nurmehr als "Hutkrempe" wahrnehmbar; im Inneren des Gebäudes spielt das fein gemaserte Material jedoch die Hauptrolle. Wer sich durch die Anlage der Destillerie bewegt, vorbei an massiven Kupferkesseln und archaischen Stahlrohren, gesäumt vom hellen, warmen Holz der Decke, findet dessen Vollendung im großzügigen Gastraum des "Timespirit".
Dass mit David Thulstrup ein Meister der skandinavischen Redundanz für das High End-Projekt angefragt wurde, verwundert kaum. Schon im dänischen "Noma" gelang dem Architekten und Designer die unprätentiöse Kombination aus einfachen Formen, naturbelassenem Holz, Licht, Natur und Wärme. Das Interieur seiner Entwürfe tritt mit dem dort servierten Konzept aus saisonalen und regionalen Zutaten sowohl in Einklang als auch dahinter zurück. Präzision vereint mit der Kraft der Natur in ihrer Urform: So auch in den lichtdurchfluteten Räumlichkeiten des "Timespirit", die Thulstrup mit weitläufigem Purismus und viel Holz auskleidet.
Ein Whisky-Fass als Inspirationsquelle
Die offene Küche, die zum heutzutage gängigen Schulterblick auf die hohe Kunst des Kochens einlädt, bildet den Mittel- und Ausgangspunkt des Gastraums. Ihr schließt sich an, was The Macallan als das "Herzstück" des Restaurants bezeichnet: Ein in Eichenholz und Stein eingefasster Wein- und Whisky-Keller, der in seiner Materialkomposition durchdacht an das Erbe der schottischen Destillerie anknüpft. So werden rund 80 Prozent des Macallan-Whiskys in ehemaligen Sherry-Fässern aus Eiche gereift, die unter anderem aus der spanischen Region Jerez stammen und die charakteristische, warme Bernsteinnote der Spirituose erzeugen. Der Boden, auf dem die Reben des andalusischen Sherrys gedeihen, sind wiederum als Albariza-Böden bekannt, die durch ihre hohe Konzentration aus Kalkstein und Kreide in einem grellen Weiß erstrahlen. Diese geologische Verwobenheit greift David Thulstrup gekonnt auf: Wie ein Ring zieht sich die schraffierte, helle Steinwand aus Albariza um die Präsentationsfläche des Macallan-Whiskys, deren halbkreisförmige Rundung aus Eichenholz wiederum den Lagerfässern nachempfunden ist. Die verschalten Elemente ziehen sich als Raumtrenner bis in den Gastraum hinein und fügen sich dort mit den organischen Rundungen von Tischen, Stühlen und Arbeitsinseln zu einem einheitlichen Gesamtbild zusammen.
Thulstrup betont in einem Statement, sein Entwurf verknüpfe die 200-jährige Tradition von The Macallan mit jenem Handwerk, das auch beim Destillieren des lokalen Whiskys oder in der Küche der Roca-Brüder zum Tragen komme: "Natürliche Materialien wie Holz und Stein erinnern in Alter und Aufmachung an das hiesige Erbe und den Standort (…) und sollen zugleich das angestrebte [kulinarische] Erlebnis verstärken."
Kosmopolitische Küche
Die warme und zugleich ruhige Atmosphäre des Restaurants gibt ihm Recht. Thulstrup gelingt es, das goldgelbe Leuchten des Macallan-Whiskys auf die Schlichtheit des Interieurs zu projizieren. Erzeugt wird das von einem Zusammenspiel aus brüniertem Messing, indirekten Lichtquellen und dunkel gebeizten Holztischen, die durch den wiederkehrenden Werkstoff eine gewisse Verbindlichkeit innerhalb des Raums schaffen und dennoch diskret gruppiert sind. Bis zu 24 Menschen finden hier Platz, um die Liaison aus katalanischer Finesse und schottischer Bodenständigkeit zu erschmecken.
Einen Einblick in sein Menü erlaubt The Macallan mit dem Programm "Distil Your World appetisers", in dem das schottische Nationalgericht Haggis auftaucht, aber eben auch Tacos aus Mexiko, Pastrami aus New York, Gänseleber aus London. Und natürlich: mit Sherry verfeinerte Makrele, eine Hommage an Jerez. Knapp zwei Tage wäre dauerhaft unterwegs, wer die Reise aus der südlichsten Spitze Spaniens hoch an die Nordseeküste Schottlands mit dem Auto wagte. Der Zeitgeist, wie sich "Timespirit" wörtlich übersetzen ließe, wäre hier und da der Gleiche: Eine geschmackvolle Essenz aus Eleganz, Weltoffenheit, Hochwertigkeit und Handwerk.
Drei Fragen an David Thulstrup
Susanne Maerzke: Nach Noma und Ikoyi war das Restaurant "TimeSpirit" in der Nähe der schottischen Highlands Ihr neuestes Projekt im Bereich der gehobenen Gastronomie. Was fasziniert Sie an diesem Thema?
David Thulstrup: Eine meiner Passionen in der Architektur ist das Erlebnis – wie sich ein Raum anfühlt und was er hervorhebt. Meine Profession konzentriert sich natürlich darauf, für wen der Raum gedacht ist und wie er genutzt und gestaltet werden sollte. Als ich in das Anwesen The Macallan eingeladen wurde und das Team mir ihre Brennerei zeigte, mir ihre Geschichte und ihr Erbe vermittelte und mir ihren Produktionsprozess erklärte, verstand ich sofort, wie tief alles miteinander verbunden ist. Ich war fasziniert von der Herausforderung, mit dieser Verbindung zu arbeiten und sie in ihrem neuen Speiseerlebnis zu verstärken. Das Ziel bestand darin, den BesucherInnen mit dem Ort, der Landschaft und der Brennerei zu verbinden, den größeren Kontext zu schaffen und einen neuen Raum in die bestehende Architektur zu integrieren. Das gesamte Erlebnis fühlte sich bedeutungsvoll an, und ich fühle mich zu Projekten hingezogen, bei denen ich diese Tiefe und Bedeutung spüre.
Wie viele Anforderungen bezüglich des Designs wurden von The Macallan gestellt?
David Thulstrup: Lassen Sie mich einige wichtige nennen. Im Allgemeinen sind die Anforderungen der KundInnen immer wichtig und für meine Arbeitsweise von entscheidender Bedeutung. Die Gäste erhalten einen umfassenden Einblick in die Arbeitsweise der Destillerie von The Macallan Estate, in die Geschichte und in die Zukunftspläne des Unternehmens. Sie verfügen über ein enormes Wissen, das berücksichtigt werden muss. Das übergeordnete Ziel war die Integration und die Schaffung einer Harmonie zwischen dem Neuen und dem Bestehenden. Ich habe mich sehr gefreut, von den Gästen und dem Team von The Macallan zu hören, dass das Restaurant sich so anfühlte, als wäre es schon immer dort gewesen. Das hat mir wirklich bestätigt, dass ich gute Arbeit geleistet habe.
Welcher Aspekt Ihrer Handschrift als Architekt findet sich in jedem Ihrer Projekte wieder?
David Thulstrup: Mein Ansatz, wenn ich einen neuen KundInnen treffe: Ich höre aufmerksam zu, stelle Fragen und bleibe neugierig. Meine Neugier und das Wissen, das diese mitbringen, ermöglichen es mir, für sie etwas Einzigartiges zu schaffen, da ich glaube, dass der Kern meiner Arbeit im Kontext und in der Liebe zum Detail liegt. Ich zoome immer wieder auf kleine Details heran und wieder heraus, ebenso wie auf den größeren Raumeindruck und wie man sich darin bewegt. Ich habe meine Karriere als Innenarchitekt begonnen und ich denke, dass Architektur und Design zu oft nach der Idee der Außenfläche und der Aufmerksamkeit für die äußere Form ausgeführt werden. Es basiert sehr stark auf dem Bildeffekt oder dem Wow-Effekt, wenn man ein Projekt zum ersten Mal sieht. Es ist sehr kommerzialisiert. Was dabei außer Acht gelassen wird, sind die Fragen der Lebensqualität und des Gefühls. Ob es einladend ist, sich öffnet, ob man sich gerne hinsetzt und darin aufhält usw. Für TimeSpirit – und für alle Restaurantprojekte, an denen ich beteiligt bin – ist die Akustik von entscheidender Bedeutung. Und die Destillerie ist ein riesiger, weitläufiger Raum, sodass wir viel daran arbeiten mussten, eine Umgebung und Akustik zu schaffen, die gut ist und sich angenehm anfühlt.
Kontakt
The Macallan Distillery Experience
The Macallan Distillers Ltd
Easter Elchies, Craigellachie
AB38 9RX, Schottland
Telefon: +44 (0)1340 318 000
Öffnungszeiten Dining TimeSpirit:
Donnerstag bis Samstag
12-14 Uhr und 19-21 Uhr
Sonntag
12-14 Uhr
Reservierung vorab erforderlich, in Kürze möglich.