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Mut für Neues

Was zeichnet junges Lichtdesign heute aus? Es ist die Lust am Experimentieren, sensibel zu sein für Materialien und Traditionen – und mit Überzeugung einen eigenen Weg zu gehen. Auch in Krisenzeiten.
von Andrea Mende | 10.12.2021

Die Corona-Pandemie macht es vor allem NachwuchsdesignerInnen schwer, ihre Arbeiten zu präsentieren. Es fehlt meist die reale Bühne, um eigene Ideen und Visionen einem interessierten Publikum und vor allem potenziellen ProduzentInnen vorzustellen. Um so bedeutender war die Ausstellung "The Lost Graduation Show" im Rahmen des supersalone, die im September erstmalig 200 internationalen AbsolventInnen die Gelegenheit gab, ihre Abschlussarbeiten aus den Jahren 2020 und 2021 zu zeigen. Marianna D’Antimo, Sungkoon Kim und Filippo Salis nahmen mit der gemeinsam entwickelten Leuchtenserie "Tes" teil. Der Name "Tes" ist ein Anagramm von Set und verweist auf die fotografischen Sets, die die DesignerInnen zu dem Leuchtensystem inspiriert haben.

Leuchte mit Charakter

Die drei jungen Talente haben am Istituto Europeo di Design (IED) in Mailand Produktdesign studiert, "Tes" entstand in Zusammenarbeit mit dem IED und FontanaArte. Im Rahmen des Projekts "Identita di Luce" sollte eine Leuchtenkollektion entstehen, die sich sowohl für den privaten Wohnraum, als auch im anspruchsvollen Objektbereich für Restaurants und Hotels eignet. FontanaArte stellte den Studierenden die Aufgabe, Modelle von hohem Komfort zu kreieren, die unterschiedliche Lichtszenarien ermöglichen, innovative Materialien und Technologien verwenden und die Philosophie der historischen Marke in sich tragen, durchaus auch als Neuinterpretation. Marianna D’Antimo, Sungkoon Kim und Filippo Salis steckten noch in der Vorbereitung für die Präsentation von "Tes" bei FontanaArte, als ihnen ihre ProfessorInnen mitteilten, dass die Chance bestünde, beim supersalone auszustellen. Francesco Librizzi, Art Director von FontanaArte, zeichnete "Tes" zudem als bestes Projekt des IED Milano aus, was für die Gruppe im Vorfeld eine wichtige Anerkennung war.

Im Ergebnis ist "Tes" kontrastreich: Auf einem runden Metallfuß steht hochkant eine schlanke Scheibe aus Marmor, über die ein Lederband hoch zum Leuchtenkopf und zur Halterung des Diffusors geführt wird. Dieser ist über das obere Kopfelement flexibel verstellbar. Das Licht kann so immer wieder neu ausgerichtet und die Leuchte in andere Positionen und Silhouetten gebracht werden. Der intelligente Diffusor ist das zentrale Element von "Tes". Er zeigt sich opak oder transparent und sorgt für das kontrastreiche, wechselnde Licht. Die DesignerInnen wollten die NutzerInnen aktiv miteinbeziehen, sie durch Berührung der Leuchte zur Interaktion bringen. Sie beschreiben das Resultat als ein Zusammenspiel aus "aggregierten Formen, kompositorischem Kontrast und Bühnenpräsenz". Für sie war es wichtig, einfache, geometrische und klare Konturen mit spezialisierter Technologie zu kombinieren. Darauf beruht ihre sorgfältige formale Forschung. Sie begannen mit Skizzen, stellten dann erste Prototypen aus Pappe her und kamen zum 3D-Druck. "Ein gutes Produkt sollte einfach, zugänglich und funktionell sein", so Sungkoon Kim.

Für den Diffusor nutzten sie PDLC Polymer Dispersed Liquid Crystal, eine schaltbare Folie. Zwischen zwei PET-Folien befindet sich so eine LCD-Folie mit Flüssigkristallen. Das Team erklärt: "Das Panel wird mit Niederspannung betrieben. In der AUS-Stellung sind die Flüssigkristalle nicht ausgerichtet, die Folie ist daher undurchsichtig. In der EIN-Stellung richten sich die durch den Strom belasteten Flüssigkristalle aus, das PDLC wird dann sofort transparent." Ein cleveres und elegantes Detail, das erst bei Nutzung der Leuchten erkennbar ist. Marianna D’Antimo weist zudem auf den Stellenwert der Rohstoffe bei "Tes" hin: "Wir haben den Materialien für 'Tes' große Bedeutung beigemessen. Wenn man die Geschichte von FontanaArte studiert, stellt man fest, dass Glas ein wesentlicher Bestandteil ist. Auch die Verwendung von Marmor verlieh den hergestellten Stücken Einzigartigkeit. Leder hingegen gibt dem Objekt einen persönlichen Aspekt, da es zusammen mit seinem Besitzer altert. Zudem haben wir recyceltes Aluminium aus der Luftfahrt als Metall gewählt".

Was bedeutet die Arbeit mit Licht für die NachwuchsdesignerInnen? "Licht ermöglicht es uns, die Schönheit in allem zu sehen und zu genießen. Licht ist Emotion. Licht bestimmt die szenische Präsenz einer Umgebung. Es ist wichtig, die Umgebung durch den Einsatz von Akzent- und Umgebungslicht zu variieren, denn es gibt das perfekte Licht für jede Atmosphäre", so Filippo Salis.