„Design Art" galt noch vor kurzem als der neue Sammlermarkt schlechthin. Limitierte Objekte lockten Käufer wie Brad Pitt und vermögende Sammler, die der funktionslosen Kunst wohl überdrüssig geworden waren oder schlicht nicht wussten, wohin mit ihrem Geld. Einige Designer, die ohnehin eher konzeptionell denn als klassische Industriedesigner arbeiteten, nahmen die ungewöhnlich hohen Summen gerne mit, die im Kunstmarkt selbst für ein Vormodell gezahlt werden. Messen wie die „Design Miami" oder die „Design Art London" wurden als Parallelveranstaltungen zu renommierten Kunstmessen etabliert, um vom Hype zu profitieren. Im vergangenen Jahr fand erstmals auch die „Object Rotterdam" als Ableger der „Art Rotterdam" statt. Doch da war die Finanzkrise bereits angebrochen, die „Big Party" war vorbei und der Galerienmarkt begann sich zu wandeln, nicht nur in den Niederlanden.
Vieles, was im letzten Jahrzehnt im Bereich der „Design Art" zu sehen war, speiste sich aus der Pionierarbeit, die Droog Design seit den Neunzigern in den Niederlanden geleistet hatte. Droog war das Sprungbrett für Designstars wie Hella Jongerius oder Marcel Wanders und immer wieder Impulsgeber für aktuelle Designentwicklungen: für den respektlosen Umgang mit Designklassikern, für Storytelling, Witz und Ironie, für das Zitat historischer Produktformen oder für die Auseinandersetzung mit traditionellen Ornamenten und Handwerkstechniken. Schon vor Jahren aber entwickelte sich „Droogdesignen" quasi zu einem neuen internationalem Stil, der nicht mehr allein bei den Absolventen von Eindhoven, sondern bei Designabsolventen auf der ganzen Welt zu beobachten war - und deren überstrapaziert witzige Entwürfe oft weit entfernt von der einstigen Qualität von Droog waren.
Auf der diesjährigen „Object Rotterdam", die Anfang Februar stattfand, war davon nur noch wenig zu sehen. Es scheint, als ob nun eine niederländische Gestaltergeneration Erfolge feiert, die sich bewusst von Droog absetzt und auf die Finanzkrise mit ausgereiften Arbeiten reagiert. Dem Designer Stefan Scholten vom Designduo Scholten & Baijings etwa beschied der Droog-Mitbegründer Gijs Bakker schon während dessen Studium, dass er kein „Droog-Designer" sei. Dass Scholten nun gemeinsam mit seiner Partnerin Carole Baijings zu den derzeit erfolgreichsten niederländischen Designern zählt, belegt den Generationenwechsel, der sich seit ein paar Jahren im holländischen Design vollzieht: Die Droog-Gründer Renny Ramakers und Gijs Bakker arbeiten nicht mehr zusammen; Droog hat seine Rolle als Impulsgeber für das holländische Design verloren. Wie ein Galerist es ausdrückte: „Droog war zuletzt nicht mehr spannend. Zu viele Designer haben sich zu lange nicht mehr mit der Form befasst. Das ist jetzt anders".
Und so bot die zweite Ausgabe der Object Rotterdam einerseits erwartungsgemäß die überteuerten Auflagenobjekte, ein bisschen Klassiker-Kritik, ein wenig funktionslose Dekonstruktion und ein großes Übergewicht der in den Niederlanden traditionell starken Schmuckgalerien. Es waren aber auch einige Entwürfe von überraschender Qualität dabei - selbst wenn Messechef Fons Hof der Designmesse auf der Pressekonferenz gerade mal die Funktion zubilligte, „der Art Rotterdam ein bisschen mehr Umfang zu verleihen".
Mit dem „Total Table Project" etwa wurde ein Thema wieder auf die Agenda gehoben, das der elitären „Designkunst" noch vor kurzem vermutlich als zu angewandt und uncool gegolten hätte: Der gedeckte Tisch. Kiki van Eijk und Scholten & Baijings entwickelten völlig konträre und doch auf ihre Art jeweils überzeugende, zeitgenössische Komplettausstattungen der Tafelkultur - vom Geschirr über Besteck und Gläser bis hin zum Tischtuch. Carolina Wilcke zeigte ihre wunderschönen Abschlussarbeiten „Tafelgenoten", bei der sie Gefäße aus verschiedenen Formen und Materialien zu einem neuzeitlichen, niederländischen Stillleben arrangiert, sowie ihr Holzobjekt „KamerRekwisiet", das mit verschiedenfarbigen Garnen bespannt zum dreidimensionalen Bild im Raum wird. Auch Aldo Bakker, der Sohn von Gijs Bakker, war mit mehreren Entwürfen vertreten: Seine „Urushi"-Lack-Objekte oder Hocker aus verschiedenen Holzsorten sind dabei zwar handwerklich-aufwändige, sündteure Sammlerobjekte, geben sich aber nicht damit zufrieden, irgendwie „witzig" oder „kritisch" zu sein, sondern machen sich wieder auf die Suche nach der Ästhetik von Form und Oberflächen. Die große Präsenz seiner Arbeiten, die sich nach eigener Aussage bewusst vom konzeptbetonten Droog-Designansatz unterscheiden sollen, kam fast schon einem Vatermord gleich.
Auch bei der „Art Rotterdam" waren viele Objekte zu sehen, die durchaus auf die kleinere Designmesse gepasst hätten: Experimentelle Glasarbeiten, die als Vasen nutzbar sind, hockerartige Plastiken, Auseinandersetzungen mit Objekten aus Alltags- und Gebrauchskultur - allesamt Belege dafür, dass sich nicht nur das Design der Kunst, sondern auch die Kunst dem Design angenähert hat, wie dies etwa auch auf der Biennale in Venedig zu sehen war. Welche Disziplin dabei die Rolle des Oberflächlichen und welche die Rolle des Inhaltsbetonten übernimmt, ist längst nicht mehr so eindeutig wie noch vor ein paar Jahren. Denn die vielzitierte Krise scheint der überhitzten Welt der „Design Art" eher gut getan zu haben: Witzig und provokativ allein reicht nicht mehr aus; eine neue Auseinandersetzung mit formaler Qualität und Inhalten zeichnet sich ab - und das könnte womöglich sogar wieder fürs klassische Produktdesign interessant werden.