Mal schlicht, mal opulent: Teppiche in allerlei Spielarten
Selbst das schönste Fischgrätparkett verlangt nach einem Gegenüber. Es findet ihn in der weichen und gemusterten Oberfläche handgeknüpfter Designer-Teppiche. Nachdem der Siegeszug von minimalistischer Struktur und sanfter Farbgebung schon beschlossen zu sein schien, darf es nun in Farbe, Form und Muster wieder laut und bisweilen ein wenig verrückt zugehen.
Das Hauptaugenmerk liegt gegenwärtig auf grafischen Mustern, zum Beispiel bei "Rotazioni" und "Visioni" von Patricia Urquiola für cc-tapis. Ähnlich einer Zeichnung, erzeugen ihre geometrischen Figuren mittels Farbkontrasten und klaren schwarzen Linien einen dreidimensionalen Effekt. Mae Engelgeer hingegen kombiniert in ihrer Kollektion "Bliss" für cc-tapis Farbschattierungen, die digitalen Grafiken ähneln und mehr als Wandschmuck denn als Gebrauchsgegenstand auftreten. Für Walter Knoll übersetzt Helmut Scheufele in der Kollektion "Legends of Carpets" die Landschaften Afrikas in Hochlandwolle, Seide und Garn aus Brennesselfaser, und Amini setzt gleich ganz auf Kunst und verwandelt eine Auswahl der abstrakten Werke des italienischen Künstlers Manlio Rho mit "Composizione 57 10" und "Composizione 57 12" in Teppiche aus tibetanischer Wolle.
Fortgesetzt wurde die Reise ins Grafische in Mailand in einem der Kreuzgänge des ehemaligen Klosters San Simpliciano, der unter anderem Florian Hauswirths "Color Stamp" und Maarten Baas’ "Ciliophora Green" für Nodus eine außergewöhnliche Bühne bot. Während Florian Hauswirth mit sich überlagernden farbigen Flächen experimentiert und so ein Muster kreiert, das an die Mikroskopie von Bakterien erinnert, bedient sich Maarten Baas direkt bei der Biologie und greift für das Muster seiner Arbeit auf das Wimpertierchen Ciliophora zurück – einen in natura weniger als ein Millimeter großen Meeresbewohner. Zum Muster geworden regt die längliche Form des Einzellers den Betrachter dazu an, in der Ansammlung von Strichen etwas Bekanntes entdecken zu wollen, und sei es dank der intensiv grünen Farbgebung des Teppichs einen Irrgarten aus der Vogelperspektive.
Am selben Ort zu bewundern war David Elias "Bala Perdida", übersetzt "die verirrte Kugel", einen Teppich, den vermeintliche Einschusslöcher im Verbund mit metallischen Patronen wie eine Trophäe wirken lassen. Konflikte und Lebensgefühl in Rio de Janeiro, der Heimatstadt des Designers, spiegeln sich regelmäßig in seinem Werk – seien es Einschusslöcher oder – in einem Teppich, auf dem Zehentrenner von Flip-Flops angebracht sind – als Hommage an den Rhythmus des Lebens auf der berühmten Promenade des Stadtteils Copacabana.
Üppig floral ging es im Showroom von Moooi zu, wo ein "extraordinary life" gefeiert wurde. Zur Feier des Besonderen gehören natürlich jede Menge üppige Blumen, die, von Marcel Wanders zum Teppichmuster verdichtet, selbst an Tischfüßen emporwachsen. Die Bandbreite reicht von der vollen Blüte – "Eden Queen" – bis zur morbiden Schönheit von "Fools Paradise". Zu diesem Wunderland gehören auch die Kaleidoskop-Effekte der "Utopian Fairy Tales" von Noortje Eekelen und die Farben der Großstädte, die Neal Peterson in runde Mandalas übersetzt. Leisere, aber nicht weniger rhythmische Töne schlagen Nanimarquina, die Gebrüder Bouroullec und Salem van Swaagh an, teils auch als Kombo: Für Nani Marquina haben Ronan und Erwan Bouroullec den Teppich "Lattice" entworfen, dessen Form und Wirkung danach bestimmt wird, wie oft sein Basismuster eine Wiederholung erfährt. "Semis" heißt ihr Entwurf für Danskina, dessen Gesamtbild sich aus unterschiedlich angeordneten Punkten ergibt. Das dynamische Fliesenmuster der Straßen in Shanghai lieferte indes Neri&Hu die Idee zu "Jie" für Nanimarquina.
Wie intensiv sanfte Töne wirken können, zeigte auch Salem van der Swaagh in Ventura Lambrate: Das Material für ihre schweren Wollteppiche entstammt komplett den hochwertigen Webkanten von Herstellern, die auf textile Polsterung spezialisiert sind. Thema ihrer ersten Kollektion sind die Nuancen von Weiß – was unter anderem dadurch bedingt ist, dass ein Großteil der Kollektion von einem Weber hergestellt wurde, der erblindet ist. Weniger traditionelles Handwerk als avancierte Technik nutzt schließlich das niederländische Studio Plott: Rudi Boiten und Mireille Burger haben federleichte Gitterstrukturen entworfen, die mit Hilfe eines 3D-Druckers und textilen Fasern eine Form erhalten. Ihre "Open Rugs" sind im Endergebnis recht robust und flexibel einsetzbar.