Die Stadt als Bühne
Was lange währt: Insgesamt dreizehn Jahre hat es gedauert, bis das Taipei Performing Arts Center von OMA eröffnet wurde. Zurück geht der Theaterbau auf einen Wettbewerb aus dem Jahr 2009, bei dem sich das niederländische Büro unter anderem gegen Zaha Hadid Architects und MVRDV durchsetzen konnte. Dazu entwarfen OMA unter Leitung von Rem Koolhaas und David Gianotten eine offene Theaterfabrik, die Raum zum Experimentieren bietet. Gleichzeitig soll das Taipei Performing Arts Center mit der Stadt interagieren, um als öffentlicher Ort für einen sozialen Austausch zu dienen. 2014 war Richtfest, aber schlussendlich sorgten zeitliche Verzögerungen und Budgetüberschreitungen dafür, dass der Bau erst 2022 fertiggestellt werden konnte.
Angrenzend an das Taipei Performing Arts Center befindet sich der Shilin-Nachtmarkt, ein Labyrinth aus Geschäften und Ständen mit einem geschäftigen Treiben auf den Straßen. OMA reagierten auf den Ort mit einem collagenartigen Gebäude. Dieses setzt sich aus den Theatern Globe Playhouse und Blue Box mit jeweils 800 Sitzplätzen sowie dem Grand Theater mit 1500 Sitzplätzen zusammen, die alle drei an einen zentralen Kubus andocken und mittels Aufständerungen in der Luft gehalten werden. Darunter fließt der Stadtraum in Form eines teils begrünten, teils mit schwarz-weißen Streifen versehenen Platzes hindurch. Trotz der ins Auge springenden Kugelform des Globe Playhouse, weist das Taipei Performing Arts Center keine eigentliche Vorderseite auf, sondern öffnet sich in mehrere Richtungen zur Stadt.
Teil des Konzepts ist eine labyrinthartige Erschließung – ein Ansatz, den man aus anderen Projekten des Büros wie etwa der niederländischen Botschaft in Berlin oder der Casa da Música in Porto kennt. Bei Letzterer steckten die ArchitektInnen den Konzertsaal als Schuhkarton in einen expressiven Körper, während sich die Erschließung und die Nebenbereiche als verschachtelte Resträume darumlegen. Beim Performing Arts Center verläuft nun eine öffentliche Verkehrsschleife in das Gebäude hinein, die das Leben auf der Straße ins Innere holen soll. So ist es möglich, das Theater auch ohne Eintrittskarte in Form eines Rundgangs zu besuchen, der Einblicke vor und hinter die Kulissen ermöglicht. Ein Nebeneinander von Rampen, Treppen und expressiv beleuchteten Rolltreppen leitet als eine Art erweiterter Stadtraum durch das Haus, wobei die Besucher im kugelförmigen Globe Playhouse zwischen einer inneren und äußeren Schalenschichten hindurchzirkulieren.
Die drei Theater werden von einem zentralen Kubus zusammengehalten, der die Bühnen, Hinterbühnen, Nebenräume und öffentlichen Bereiche bündelt. Im Unterschied zu den geschlossenen Körpern der einzelnen Theater präsentiert er sich als offene Box, die mit einem gewellten Glas verkleidet ist, das OMA auch schon für die Fassade der Casa da Música verwendeten. Das asymmetrisch konzipierte Grand Theater liegt gegenüber der Blue Box, die für experimentellere Aufführungen gedacht ist. Seitlich dockt das Globe Playhouse an die beiden anderen Theater an, wobei am Schnittpunkt von Schale und zentralem Kubus ein kreisförmiges Proszenium entsteht. Alle drei Theater können unterschiedlich miteinander gekoppelt und zusammengelegt werden, um so zusätzliche Raumszenarien für neue Produktionsformen zu ermöglichen.
Entsprechend des experimentellen Nutzungskonzepts und der räumlichen Verknüpfung mit dem Stadtraum, präsentiert sich das Taipei Performing Arts Center als Collage aus Metall, Glas und Beton, die eher einer Theaterfabrik als einem repräsentativen Theaterbau gleicht. Die Innenarchitektur, die analog zum Äußeren ebenfalls eine industrielle Anmutung aufweist, wurde vom Pariser Büro Ducks Scéno in Zusammenarbeit mit OMA entworfen. Trotz des ihm innewohnenden informellen Gedankens ist der Bau, wie von den Niederländern gewohnt, auch ein Stück weit Spektakelarchitektur. Das wird besonders am kugelförmigen Globe Playhouse deutlich, das als geometrische Irritation in den Stadtraum hineinragt. Vor allem nachts, wenn die drei Theaterkörper mit dem leuchtenden Glaskubus verschmelzen, wird das Taipei Performing Arts Center zur eindrücklichen Landmarke, die mit dem städtischen Leben verschmilzt und zum Darsteller seines eigenen Theaterstücks wird.