Freude am Darüberlaufen
Zu Beginn ihrer Karriere ist Susanne Schmidhuber, die in Rosenheim Innenarchitektur studiert und anschließend mit ihrem Mann Professor Klaus Schmidhuber das Büro Schmidhuber+Partner – heute Schmidhuber – gegründet hat, durch einen Kunden zum Thema Messearchitektur gekommen. Und dabei geblieben. Mit Erfolg: Heute zählt das Büro mit rund 70 Mitarbeitern in München zur ersten Liga in der Branche. Zu den langjährigen Kunden gehören Audi, Kaldewei und Sony. Nun steuern Schmidhuber und ihr Team Hannover an, wo sie der Domotex zum kommenden Januar eine neue Ausrichtung verleihen. Wie sich Bodenbelag und Megatrend vereinbaren lässt, weshalb wir wieder öfter in den Spiegel schauen und wie sie die Bodenbranche aufrütteln will, verrät Susanne Schmidhuber im Gespräch mit Martina Metzner.
Liebe Frau Schmidhuber, gerade hat im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt die Ausstellung SUR/FACE ihre Türe geschlossen – sie feierte das wiederauflebende Interesse am Spiegel. Darin auch die Arbeit Ihres Mannes, Professor Klaus Schmidhuber, "Hommage an Philip Johnson – verspiegelter Sessel". Auch Sie benutzen Spiegel für ihre Installation "Endless Uniqueness" auf der kommenden Domotex. Woher kommt’s?
Susanne Schmidhuber: Rein technisch gesehen macht ein Spiegel einen Raum endlos. Gerade wenn man alle vier Wände eines Raumes verspiegelt, scheinen sich die Begrenzungen aufzuheben - damit kann man spielen. Seine Hoch-Zeit hatte der Spiegel um 1700. Der barocke Spiegelsaal in Versailles ist ein grandioses Beispiel dafür. Die Technik der Herstellung hat sich aber seitdem von Grund auf verändert. Heute haben wir hauchdünne Spiegelfolien und Spiegelfliesen, die viel besser zu händeln sind. Bei vielen unserer Arbeiten sind Spiegel Teil der Gestaltung, da wir begrenzten Räumen mehr Tiefe verleihen und den Besucher in ein spannungsvolles Raumerlebnis versetzen können.
Wie haben Sie Spiegel in dem begehbaren Quadroscope von "Endless Uniqueness" eingesetzt?
Susanne Schmidhuber: Im Fall von "Endless Uniqueness" haben wir einen doppelten Effekt geschaffen: Der Spiegel gestaltet den Raum und wird, obwohl er rein physisch ein Quadrat darstellt, durch Verkippung der Elemente zur Kugel. Und darin wiederum spiegele ich mich selbst. Das ist nichts Virtuelles, sondern die außergewöhnlichen Bilder entstehen ganz real. Toller optischer Effekt.
Beim Stichpunkt Office: Schmidhuber ist ja neu an Bord der Domotex und wird den Trendbereich in Halle 9 unter dem Stichwort "Individualisierung" gestalten. Sie betreuen seit langem Kunden wie Audi und Sony, im Architekturbereich solche wie Hager, Kaldewei, Grohe und Berker. Die Domotex ist sicherlich eine neue Herausforderung für Sie.
Susanne Schmidhuber: Für unser Team ist es ein tolles Projekt, denn wir gestalten hier nicht für nur einen Aussteller, sondern kuratieren das große Ganze. Am Anfang haben wir überlegt, was begeistert uns an dem Thema? Was möchten wir persönlich sehen? Welches Format eignet sich dafür am besten? Also eher von der emotionalen Seite – und gar nicht direkt das Thema Bodenbelag. Für uns stand fest: Hier im Trendbereich müssen wir von der klassischen Produktschau Abstand nehmen. Hier wollen wir Innovationen, Zukunftsideen und junge Ansätze sehen. Und das Thema Bodenbelag nicht nur einseitig denken, sondern über den Tellerrand hinausschauen.
Das Konzept "Unique Youniverse" dreht sich um den zunehmenden Wunsch der Menschen nach individuellen Produkten, die man selbst gestalten kann. Woher kommt dieser Wunsch?
Susanne Schmidhuber: Alles wird globaler, universeller. Alles wird modularer, serieller. Alles und jeder ist vernetzt. Jeder will höher, schneller, weiter. In diesem globalen Gebilde will der Mensch sich abgrenzen und vor allem die junge Generation einen Platz als Unikat finden.
Engagiert: Susanne Schmidhuber hat sich für das Trendbereich-Konzept "Unique Youniverse" auf der kommenden Domotex persönlich stark ins Zeug gelegt.
Sie sind Innenarchitektin und haben das Glück, schon eine Weile die Trends zu beobachten – wie drückt sich denn Ihrer Ansicht nach der Wunsch nach Individualität in der Einrichtung aus?
Susanne Schmidhuber: Die Räume heute sind wirklich aus Einzelrepliken zusammengestellt: eine alte Couch, ein hochmoderner TV, ein Zebrafell. Es ist dieser Wunsch, dass mein Raum anders ausschaut als der meines Nachbarn. Und jetzt geht es noch ein Stückchen weiter: Heute will man sich selbst das Möbelstück gestalten. Die Industrie wie Ikea oder der Onlineanbieter Tylko reagieren darauf.
Das hieße aber, Designer und Marke kämen ins Hintertreffen?
Susanne Schmidhuber: Vielleicht kann man das provokant sagen – es sei denn, die Hersteller besinnen sich auf ihre Markenidentität und lassen ihren Kunden dennoch einen individuellen Spielraum.
Aber: Ist das Thema Individualisierung wirklich relevant in puncto Bodenbelag?
Susanne Schmidhuber: Bodenbelagshersteller haben uns früher immer gesagt, "mit euch Architekten kann man sowieso nix machen, ihr wollt eh nur einen grauen Boden." Das hat sich jetzt aber geändert. Wir Planer wollen andere Oberflächen, andere Strukturen, neue Funktionalitäten. Wir brauchen ein Spiel im Belag. Dass er Freude macht, darüber zu laufen. Ich freue mich zum Beispiel schon wahnsinnig auf diesen Blätterwald-Teppich, den die Hochschule Hannover entwickelt hat – man läuft darüber und die Blätter klappen um.
Viele prognostizieren, dass alles irgendwann miteinander vernetzt sind. Denken Sie auch, der Bodenbelag wird bald digital und vernetzt?
Susanne Schmidhuber: Wenn Wände mit mir sprechen können, ist es auch leicht, den Bodenbelag an solch ein System anzuschließen. Vorausgesetzt natürlich, es macht Sinn. Es gibt bereits sensorisch wirksame Teppiche, die im Altersheim zum Einsatz kommen. Sie erkennen durch Wärme, ob ein Mensch hingefallen ist. Das ist sehr vielschichtig. Ich glaube in fünf Jahren wird es ganz smarte Bodenbeläge geben, die können sich die Hersteller noch gar nicht vorstellen.
Das betrifft dann natürlich auch eine ganze Berufssparte: Bislang war der Bodenverleger ein analoges Handwerk. Das spüren Sie ja wahrscheinlich jetzt schon stark in der Messearchitektur.
Susanne Schmidhuber: Natürlich. Es ist heute selbstverständlich, dass der Besucher via App oder durch andere digitale Echtzeit-Erlebnisse in Berührung mit dem Produkt kommt. Das ist heute Standard. Daher ist es auch unsere Aufgabe, die eher etwas traditionellen Branche des Bodenbelags aufzurütteln und zu sagen: seid wachsam! Ihr müsst darüber hinaus denken, eure Partnerschaften erweitern. Ihr müsst mehr Kooperationen eingehen. Ihr müsst weg von eurem Stückchen Teppich.
Können Sie uns einen Ausblick geben, wie digital Ihre Installationen auf der Domotex werden?
Susanne Schmidhuber: Wir werden zwei Virtual Reality Frames realisieren. Der Eine ist eher technisch rational und der Andere von der Hochschule Mainz ist interaktiv und ermöglicht dem Besucher durch Subtraktion Raum zu gestalten. Lassen Sie sich überraschen!