JUNGE TALENTE
Rituale gestalten
Anna Moldenhauer: Warum hast du dich nach deinem Studium dafür entschieden, selbstständig in der Gestaltung zu arbeiten?
Arthur Bitsch: Das war bereits während meiner Studien ein Ziel, da ich die Freiheit schätze, die mir die Selbstständigkeit ermöglicht. Ich hatte bereits zuvor in einem Unternehmen mit dem Schwerpunkt Industriedesign gearbeitet und wünschte mir nun mehr Möglichkeiten, um in eigenen Projekten kreativ sein zu können.
Du arbeitest interdisziplinär, von der Beratung bis zum Entwurf von Produkten wie der "Altar" Objektserie. Dir ist es wichtig, dass diese in Frankreich hergestellt werden – welche Herausforderungen musstest du meistern, um das nötige Netzwerk aufzubauen?
Arthur Bitsch: Frankreich hatte in den 1980er Jahren einige Probleme mit der Industrialisierung und es ist mir wichtig, die lokale Produktion auch in meiner Generation zu stärken. Der Aufbau eines Netzwerks braucht einige Zeit, das Investment zeigt sich aber in der Qualität des Ergebnisses. Für die "Altar" Serie habe ich zudem mit Unternehmen aus dem Bausektor zusammengearbeitet, um Reststoffe von Baustellen recyceln zu können.
"Altar" umfasst Leuchten wie Ladestationen für Smartphones. Wie hat die Idee begonnen?
Arthur Bitsch: Am Anfang stand eine Ausstellung zum Thema Ritual. Dafür habe ich in einer konzeptionellen Serie zur Visualisierung von Alltagsgegenständen erkundet, was ein Ritual eigentlich ist und welchen Stellenwert es heute noch hat. Dazu kamen metaphysische Fragen wie religiös motivierte Abläufe und die Wissenschaft, die nun eine neue Form der Religion darstellt. In all meinen Arbeiten neige ich dazu, Symboliken zu verwenden und im Zuge dessen den Objekten eine spirituelle Bedeutung zu geben. Ich betrachte sie als eine Art Talisman.
Das Aufladen des Smartphones ähnelt zum Beispiel einem Ritual.
Arthur Bitsch: Genau. Als DesignerIn und KünstlerIn repräsentiert man im Werk die Gegenwart und das Smartphone ist für die aktuelle Gesellschaft zu einem spirituellen Gegenstand geworden, der uns den Zugang zu der digitalen Welt bietet. In der Serie "Altar" schwingt auch eine Kritik an dieser Praxis mit.
Eines deiner aktuellen Projekte ist der Tisch "Coal", den du durch Upcycling von verbrannten OSB-Platten und Rauchglas geschaffen hast. In der Beschreibung steht: "Die Symbolik des Feuers und des Verbrauchs erinnert an eine Zivilisation, die am Rande des Aussterbens steht und langsam verbrennt." Das klingt dystopisch.
Arthur Bitsch: Die Idee teilt sich in eine konzeptionelle und eine technische Anschauung – auf der technischen Seite stand die Idee OSB aus dem Bausektor zu recyceln und durch den Einsatz von Feuer ein anderes Muster, eine dunkle Wirkung zu erzeugen. Dazu passt das Rauchglas. Auf der konzeptionellen Seite gibt es die komplexe Struktur, die bis zu einem gewissen Grad die Architektur des Brutalismus der 1980er Jahre und in gewisser Weise auch die gotischen Kathedralen repräsentiert. Eine Mischung aus Dekadenz und einem nachhaltigen Anspruch, die unsere Zivilisation heute bestimmt. Man könnte den Ansatz als dystopisch wahrnehmen, aber – mit Anlehnung an das 19. Jahrhundert – auch als die Romantik der Ruine.
Arbeitest du an mehreren Projekten parallel?
Arthur Bitsch: Ja, beispielsweise arbeite ich mit einem Unternehmen zusammen, das im Bausektor für Upcycling-Teile tätig ist. Das Ziel ist, Muster aus dem Bausektor zu recyceln und sie dann im Bausektor zu verkaufen. Es handelt sich größtenteils um Konzepte für ein globales Design, die künstlerische Leitung oder das Designdenken sowie das Branding beinhaltet. Ich wollte schon immer in jeder Richtung der Gestaltung arbeiten, statt mich zu spezialisieren, habe Raumdesign studiert, dann Objektdesign. Ich sehe die Disziplin als global, und möchte in diesem Sinne an vielen unterschiedlichen Projekten mitwirken.
Woran arbeitest du gerade?
Arthur Bitsch: Auf dem SaloneSatellite in diesem Jahr habe ich Prototypen für eine Beleuchtung inklusive Aufhängung präsentiert, nun geht es darum diese weiterzuentwickeln, zu produzieren und in kleinen Serien auf den Markt zu bringen. Ebenso arbeite ich an Grafikdesigns, mit denen ich vor zwei Jahren begonnen habe.