PORTRAIT
Kreative Übersetzung
Industrielle Prozesse wie manuelle Fertigkeiten dürfen und sollen sich vermischen, finden Charlotte Cigan und Martin Duchêne. Ein besonderer Fokus ihres Keramikstudios für Design und Forschung mit Sitz in Brüssel liegt dabei auf der Art, wie die Objekte entstehen. Zur neuen Interpretation der Prozesse gehört für sie der Mut zum Versuch und Irrtum – alles bleibt im Fluss, nichts ist von vornherein klar. Nur die Basis ist jeweils gleich: eine Keramikmasse, die durch verschiedene Formen gepresst wird.
Für das experimentelle Vorgehen lässt sich das Duo mitunter auch von der Architektur inspirieren: "Balik" wurde somit aus der Idee heraus geboren, den Ton von seinen 'üblichen' Einsatzfeldern zu lösen. "Wir wollten daran erinnern, dass Ton, bevor er zu Porzellantassen oder Vasen wird, in erster Linie ein Baumaterial ist, auf dem wir laufen oder sitzen können, etwas, dem wir vertrauen können. Instinktiv begannen wir, unseren eigenen Ziegelstein zu formen, unser eigenes Modul, um verschiedene Arten von Strukturen und Skulpturen zu bauen", sagen sie. Das Projekt "Ogive" hingegen begann mit der Fragestellung, wie sich der Henkel in die Form der Tasse integrieren lässt und trotzdem die Hand vor der Hitze geschützt werden kann. Ihre Versuche führten Charlotte Cigan zu einem architektonischen Modell, das fest auf mehreren Flossen sitzt. In der Umsetzung und im Zuge der Gießprozesse entwickelte Studio Biskt die Idee der modularen Formen und verschiedenen Module, was "Ogive" letztlich nicht nur zu einer Kollektion an Tassen, sondern zum Experimentierfeld der Behälterformen werden ließ. Für "Tulumba" diente indes die Form des gleichnamigen türkischen Desserts als Inspiration: Die Terrakotta-Soliflores werden anschließend mit eigens entwickelten Bändern zu Sträußen zusammengebunden.
Nachgefragt bei Studio Biskt:
Linda Pezzei: Wie hat sich die Favorisierung des Material Keramik ergeben?
Studio Biskt: Das war vor mehr als zehn Jahren, als Charlotte zufällig durch die Straßen von Paris spazierte und auf einen Keramikmarkt stieß. Diese Begegnung brachte sie auf die Idee, sich selbst einmal in dem Metier zu versuchen.
Ihr kombiniert industrielle Prozesse und Handwerkskunst – wo seht ihr dabei Potenziale und Herausforderungen?
Studio Biskt: Der Vorteil der Kombination dieser beiden Welten besteht darin, dass wir eine kleine Produktion in einer wirklich kleinen Werkstatt realisieren können. Die Herausforderung liegt in der Tatsache, dass wir die Dinge hauptsächlich mit den Händen machen – das soll man dem Endprodukt auch ansehen können.
Ein aktuelles Projekt, das euch besonders fordert – und warum?
Studio Biskt: Wir arbeiten derzeit an einer Einzelausstellung für das Jahr 2023 und würden gerne etwas Neues zeigen, das dennoch mit dem vergleichbar ist, was wir im Moment machen. Unsere Kreationen zu überdenken und dabei im Hinterkopf zu behalten, dass sie bei den Betrachtern den gleichen Anklang finden sollen, ist eine komplexe Aufgabe.
Welche Assoziationen wollt ihr mit euren Designstücken wecken?
Studio Biskt: Der Hauptaspekt unserer Arbeiten ist das Verwischen der Grenze zwischen Objekt und Skulptur, zwischen handgefertigten Stücken und Industrieprodukten.
Woher nehmt ihr eure Inspiration und wie läuft ein typischer Designprozess ab?
Studio Biskt: Wir lassen uns hauptsächlich vom öffentlichen Raum inspirieren. Da die urbane Umgebung voller industrieller Gegenstände ohne jegliche ästhetische Absicht ist, lieben wir es, diese Formen und Funktionen in die Welt des Handwerks zu übertragen.
Ein Objekt oder Projekt, das ihr unbedingt verwirklichen möchtet?
Studio Biskt: Frag nicht warum, aber wir würden gerne eine Vollkeramik-Treppe realisieren.
Ein Leben ohne Design ...
Studio Biskt: Uns geht es nicht wirklich um das Design, sondern vielmehr um die Kreation. Wir beide folgen dem Drang, unsere Ideen und unsere Kreativität in die Tat umzusetzen – das geschieht im Moment durch den Ton.