Auf der Light + Building in Frankfurt am Main verschwammen die Grenzen zwischen dekorativen und technischen Licht. Foto © Adeline Seidel, Stylepark
Stimmungskanonen
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von Thomas Edelmann
22.03.2016 In der Geschichte des künstlichen Lichts hat sich eine Trennung in zwei Sphären etabliert. Auf der einen Seite gibt es das dekorative Licht, das vor allem im häuslichen Umfeld in Erscheinung tritt. Ihm gegenübergestellt ist das technische Licht, das in Büros und Läden Verwendung findet. Nicht zuletzt hatte diese Einteilung damit zu tun, dass fürs dekorative Licht hauptsächlich ein gestalterisch gut organisiertes Zusammenspiel von Lampenschirm, Verkabelung und Fassung ausreichte, während beim technischen Licht Konstruktion, Aufbau und Steuerung deutlich komplexer ausfielen. Die Unterscheidung relativiert sich allerdings in Zeiten digitaler Lichtströme. Tendenziell wird nun auch beim dekorativen Licht die technische Komponente bedeutsamer, da LED und OLED auf Halbleitern beruhen, ihre Steuerung mit elektronischen Vorschaltgeräten vonstatten geht. Das bedeutet, dass sich die bislang niederkomplexe private Beleuchtung nun in eine vernetzte Umgebung verwandelt und Teil des Internets der Dinge ist. Statt sich gelegentlich mit dem Austausch der Leuchtmittel zu befassen, muss sich ein häuslicher Anwender von nun an mit den Komponenten seines Systems, mit regelmäßigen Updates von Software und Anpassungen der Hardware auseinandersetzen. Je anspruchsvoller die Wünsche und Erwartungen des Publikums, desto mehr wird das Licht zum Teil der Architektur, verwächst mit Decke, Wand und Boden. Zu besichtigen war dies auf der Light + Building in Frankfurt an Main, etwa an Ständen von Flos oder Delta Light. Die Messe trug mit der Stilwelt „ingenious & significant“ (und Leuchten beispielsweise von Vibia, Artemide und Nemo) dem Thema im Rahmen ihrer Trendschau Rechnung, die vom Stilbüro bora.herke.palmisano zusammengestellt wurde. Längst werden Grenzen zwischen dekorativ und technisch von beiden Seiten aus gezielt verschoben. So nutzten Achille und Pier Giacomo Castiglioni bei ihrer Stehleuchte „Toio“ (Flos, 1962) amerikanische 300-Watt Bühnenscheinwerfer für ihre indirekt strahlende Stehleuchte. Wer kein Purist ist, kann das technisch wirkende Objekt heute per Dimmer etwas sparsamer betreiben. Die Arbeitsleuchte „Anglepoise“, 1930 vom englischen Autoingenieur George Carwardine für den eigenen Bedarf mit verstellbarer Federmechanik entwickelt, wurde zum Serienprodukt und Standard britischer Werkstatt- und Schreibtischleuchten, oft mit eigenartig gelblicher oder grüner Tupf-Lackierung versehen. Britische Designbriefmarken unterstrichen den Kultstatus der Leuchte. Auf Flohmärkten tauchte sie vermehrt in blankem Aluminium auf, jeglicher Lackierung entkleidet. Nun nutzt der Hersteller seinen Messeauftritt, um die „Giant“-Version für drinnen und draußen, die es auch in neuen Farben gibt, zu präsentieren. Etwa in dekorativem Rosa. Welcome home, George Carwadine! Einen etwas anderen Weg beschreitet Erco mit seiner neuesten Leuchte namens „Lucy“. Bereits in den 1990er Jahren gab es eine Arbeitsplatzleuchte gleichen Namens, damals von Franco Clivio entworfen, die etliche Abgeordnetenbüros in Berlin erhellte. Die heutige Lucy ist, wie man bei Erco sagt, ein „Lichtwerkzeug“, ein schmaler aufragender Mast. Wahlweise hat sie einen Standfuß oder wird in die Tischplatte eingelassen. Oben am Mast wurde mit einem LED-Modul mit dreifachem Lichtauslass versehen. Das Modul ist so angebracht, dass man nur die geriffelten schwarzen Abblendelemente aus Kunststoff sieht. Formal ist das für viele vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber logisch und klar. Stabile Wandfluter zur Bodenmontage mit einem Gehäuse aus Kunststoff gehören ebenfalls zu den Neuheiten, die bei Erco unter dem Signum „digitales Licht“ zusammengefasst sind. Der Wandfluter „Site“ ist so stabil, dass problemlos schwere LKWs darüber rollen können. In den letzten Jahren hat das Unternehmen den Wandel vom technischen Licht der analogen Epoche zum LED-Zeitalter vollzogen. Die Kernkompetenz verlagerte sich von der Herstellung von Metallgehäusen und -schirmen zur Konstruktion optischer Lichtsysteme aus Kunststoff. Abgesehen von der Lichtdiode im Zentrum, wurde aus einem metallverarbeitenden ein kunststoffverarbeitender Hersteller. Nur der einzigartige Qualitätsanspruch und die von Otl Aicher geprägte Devise, man stelle „Licht, statt Leuchten“ her, blieben unangetastet. Mit gutem Grund: Der Erco-Stand auf der Light + Building ist einer der wenigen, auf dem man nicht geblendet wird. Licht zum Mieten Am technologisch anspruchsvollem Ende der Skala gelten mittlerweile derart komplexe Regeln, dass Anbieter wie Zumtobel oder Trilux bereits Leasing-Modelle für Licht offerieren. Sie sollen es Nutzern in Gewerbe, Industrie und Handel ermöglichen, noch schneller und mit wenig Kapitaleinsatz neuesten Anforderungen gerecht zu werden. Nutzen statt Besitzen lautet auch hier die Devise, die aus der Immobilienwirtschaft, man bereits von Computerprogrammen und Autos längst kennt. Elektrisches Licht ist nicht mehr entweder an oder aus, hell oder dunkel. Mit dem herkömmlichen Dimmen gibt es bei manchen LEDs noch Probleme. „Puls-Weiten-Modulation“ soll künftig Abhilfe schaffen. Doch nicht die Intensität, sondern die Farbe spielt bei einem vergleichsweise neuen Stichwort der Industrie die maßgebliche Rolle: „Human Centric Light“ wurde vielfach auf der Messe thematisiert, da es längst als Anforderung in Ausschreibungen auftaucht und demzufolge auch von immer mehr Herstellern in Form von extern regulierbaren oder intern programmierten Lichtszenarien in neueste Leuchten eingebaut wird. Bereits 2008 begann Philips in Hamburg damit, Schulräume mit „dynamischem Licht“ auszustatten. Früh morgens – wenn Schüler besser zu Hause ausschlafen sollten – sorgt es mit erhöhtem Blauanteil für „Aktivierung“. Im Tagesverlauf erhält das Kunstlicht einen beruhigenden Rotanteil. Beides trägt dazu bei, die „Lernleistung deutlich zu verbessern“, so Forscher, die den Lichtprototyp in einer Hamburger Grundschule und seine Auswirkung auf Schüler untersuchten. 2009 bewilligte der Senat 4 Millionen Euro, um weitere Schulen mit dem System auszustatten. Seither mixt es im Tagesverlauf kältere und wärmere Lichtanteile. Was im Kontext der Schule funktioniert, lässt sich auf andere Felder übertragen, auf denen Produktivität rund um die Uhr gefragt ist. Heute findet sich die biodynamische Lichttechnik in der neuen Arbeitsplatzleuchte „XT-S One“ von Tobias Grau. Die Rahmenkonstruktion seiner Stehleuchte inspirierte Grau dazu, das ausgeschnittene Material für die Wandleuchten „XT-S Wall“ und „XT-S Plate“ weiter zu verwerten. Aus dem Prinzip Abfallvermeidung entstand somit eine ganze Leuchtenfamilie. Auch in den Leuchten von Luctra, gestaltet von Günter Horntrich, einer Marke des Bürobedarf-Herstellers Durable, findet sich die „biologisch wirksame Beleuchtung“. Die schwedische Firma Fagerhult stellt gar die rhetorische Frage „Can blue light make us better people?“ und gibt mit einer Studie von 2015 selbst die Antwort, wonach es „unsere Selbstkontrolle“ beeinflussen kann. Ja, Adrian Lobe hat Recht, der in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kürzlich feststellte, die Tech-Konzerne seien „von der Idee beseelt, mit technosozialem ‚Engineering’ menschliches Verhalten zu ‚designen’“. Unser Menschenbild, resümierte er, werde „immer maschinenähnlicher“. Am Stand von Trilux etwa wird mittels Multimedia die Zukunft beschworen: „Wir schließen nichts aus“ (We are ready for everything), hieß es da. Auch vom „Heat Mapping“ schwärmen die Lichttechnologen. So könne man etwa im Handel „mit Licht die Spur aufnehmen“ (Tracking paths with light). Ein Schelm, der Böses dabei denkt – oder gar an Datenschutz, geht es doch lediglich darum „Kundenverhalten zu verstehen“ und „Angebote zu optimieren“. Technologische Bausteine Um Licht und seine Nutzer in den Griff zu bekommen, sie und ihr Verhalten, ihre Produktivität und Kaufbereitschaft zu steigern, dafür wird die Technik bald schon neue Möglichkeiten aufbieten. Mal wirken sie eher abstoßend, mal machen sie uns Staunen: Etwa am Stand von LG Display in der Technologie-Halle 6.2. Der gesamte Stand war dem Thema OLED gewidmet. Wobei die organische Leuchtdiode auf vielen Feldern der LED nicht so schnell den Rang ablaufen wird, wie Michael Chung von LG betont. Was Lebensdauer und Lichtausbeute angeht, hat die OLED große Fortschritte gemacht. Dennoch werde ihr Licht etwa am Auto eher für Heckleuchten und Blinker eingesetzt, als für Scheinwerfer, deren gerichtetes Licht idealer Weise aus der LED stamme. Der Messestand war als Showroom gestaltet. Systemische Vorteile von OLEDs in verschiedenen abgestuften Größen und Formen wurden ebenso dargestellt, wie flexible oder durchsichtige OLEDs, die in Regalen mit unsichtbarer Stromzuführung eingebaut, gleichzeitig nach oben und unten schimmerten. Angedeutet war eine Luxusboutique ebenso wie häusliche und Büro-Nutzung. Ein paar Hallen weiter hat Sebastian Herkner die aktuellen Module bereits für Buschfeld als „o-light“ in das bestehende System eingefügt. Mittels Magnetbefestigung können die Module frei bewegt werden. Sie spenden ein diffuses Licht ohne Blauanteile. Ein paar Stände weiter bei Fluvia musste die Hostess immer wieder freundlich ermahnen, die Hände von „Loop“ zu lassen, den wandbefestigten OLED-Elementen, die spielerisch dazu einladen, an ihnen herumzudrehen. Technik und Dekoration verschmelzen. Dass umgekehrt Technik etwas mit Präzision, Klarheit und Schönheit zu tun haben kann, vielleicht sogar haben sollte, erfuhr man in Halle 5.0. Dort präsentieren sich Hersteller von Straßenleuchten. Trotz einiger Firmen aus Skandinavien und Spanien konnten hier Puristen beinahe überall ein Haar in der Suppe finden. Oft stimmte schon das Licht am Stand nicht. Die Leuchten, niedrig an Stellen montiert, wo man sie aus der Nähe begutachten konnte, blendeten. Entweder konnte man sich diese Produkte nicht auf hübschen Plätzen oder in angenehmen Gegenden vorstellen oder die Präsentation war mit bunten Aufklebern entstellt. Kurz: Irgendwo klemmte es. Nicht so am Stand der Südtiroler Firma Ewo. Ihre neuesten Produkte, entworfen und beraten von Designer Jörg Boner, strahlten materielle Solidität aus, überzeugten mit schlüssigen Formen und präziser Verarbeitung – Leuchten, von denen man sich nicht nur gern den Weg weisen lassen möchte, sondern die auch tagsüber anschaulich sind. Der Messestand von Kram Weisshaar übertrug diese in den Produkten sichtbaren Firmentugenden in einen offenen, ebenso präzisen Rahmen. Er präsentierte die LED-Linsen der Ewo-Produkte wie naturwissenschaftliche Schaustücke und verlieh ihnen damit eine gewisse Poesie. Wenn man dann noch erfuhr, dass das ebenfalls von Kram Weisshaar gestaltete „Scen“-Modul, das Parkplatzleuchten hochschaltet, sobald sich ihnen ein Nutzer nähert, eben diese Tracking-Daten für sich behält, leuchtet die Firmenkultur noch ein wenig heller. Dass die Geschäftsausstattung vom Schweizer Büro Norm stammt, hat mit Licht vielleicht nicht unmittelbar zu tun, mit einem stimmigen Auftritt schon. Wie gestrig kam man sich vor, sobald man die Light + Building verließ, Leuchtstoffröhren in den Wagen und Stationen der Frankfurter U-Bahn sah oder die gelb leuchtenden Straßenlaternen bemerkte. Ist heute besser oder morgen? |
Licht als Teil der Architektur: Auf der Messe „verwachsen“ Leuchten mit Decke, Wand und Boden wie hier bei Flos, wo man die neue Kollektion von Außenleuchten „Bon Jour“ von Philippe Starck zeigte. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
Leistungsstarke LED-Scheinwerfer für Hochdrucklampen präsentierte das Traditionsunternehmen Bega aus Menden. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
Osram führt unter anderem die Reihe des Systems „Lightifiy“ fort, die LED-Lichtsteuerung via Smartphone-App erlaubt. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
Domino-Effekt: Buschfeld setzte die frei beweglichen OLED-Module „o-light“ von Sebastian Herkner effektvoll in Szene. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
Skulpturales Design für Büroleuchten: Am Stand von Erco konnte die schmale „Lucy“ bestaunt werden. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
Biodynamisches Licht fürs Büro: Tobias Grau präsentierte die Stehleuchte „XT-S“, deren Farbtemperatur sich dem Tageslichtverlauf anpasst. Foto © Sara Bertsche, Stylepark
Trilux setzt auf „Tracking“: Mittels Licht soll der Gang des Kunden durch das Geschäft nachvollzogen werden, um so das Angebot zu optimieren.
Foto © Thomas Edelmann für Stylepark Einer der wenigen Hersteller, die weiterhin auf OLED setzen: LG Display präsentierte „Flexible Application“, ein Leucht-Panel, das sich zu einer Röhre mit einem Durchmesser von drei Zentimetern zusammenrollen lässt. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
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Leistungsstarke Scheiben: Der niederländische Hersteller Rubitech Luctron stellte „Beta Highbay Lowbay“ vor, eine Straßenbeleuchtung vor, die in 20 Metern Höhe eingesetzt werden kann und einen Lichtstrom bis zu 23.500 Lumen bietet. Foto © Thomas Edelmann für Stylepark
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Maritimes Flair genoss man am Stand von Lux Lumen, der maßgeschneiderte Lichtsteuerungsgeräte wie „Square Eye“ und „Star Eye Maxi“ präsentierte.
Foto © Thomas Edelmann für Stylepark |