Kreativ arbeitende Menschen haben selten eine Affinität zu Ratgeber-Literatur. Zu esoterisch! Ich bin doch kein Psycho! Was für Weicheier! Derart ablehnende Gedanken hört man oft von Kreativen. Diese empfinden sich ohnehin nicht als „Durchschnittsindividuum“, sondern leben eher in einem Paralleluniversum, in dem andere Gesetze gelten als für „normale“ Menschen. Mit solchen Vorurteilen räumt nun einer auf: Frank Berzbach hat ein kleines Büchlein über die „Kunst ein kreatives Leben zu führen“ geschrieben, dass nun auch den Kreativen den Weg zum guten Leben und Arbeiten aufzeigen soll. Schon vor zwei Jahren bewies der Autor in seinem Buch „Kreativität aushalten“, dass er Designer, Künstler, Illustratoren in ihrem besonderen Wirken und Schaffen versteht. Vielleicht auch, weil er selbst Teil des kreativen Sektors ist, als Publizist und ehemaliger Chefredakteur der Plattform „Sciencegarden“, der auf dem zweiten Bildungsweg „Erziehungswissenschaften“ studiert und mit einer Promotion abgeschlossen hat.
Mal Glück, mal Leid
Wie wollen wir leben und arbeiten? An diesen Fragen hat sich Berzbach orientiert und in sechs Kapiteln ein Panoptikum der praktischen Lebensphilosophie für Kreativschaffende zusammengestellt. Dabei handelt es sich nicht um dogmatische Ratschläge und Aufforderungen, sondern um eine Zusammenstellung verschiedenster Ansichten unterschiedlicher Autoren und Herkunft, die man gut finden kann, aber nicht muss. Ein Sammelsurium von Erkenntnissen und Argumenten aus Philosophie, Psychologie, aus Christentum und Zen-Buddhismus, von Philosophen wie Theodor W. Adorno und Wilhelm Schmid, von Klerikern wie Anselm Grün und Thich Nhat Hanh und immer wieder, von Joseph Beuys.
Zunächst macht uns Berzbach klar: Das Leben als Kreativer ist kein leichtes. Unzufriedenheit sei quasi in sein Leben eingebaut, denn nur wer unzufrieden mit dem Ist-Zustand einer Sache sei, könne schöpferisch und kreativ werden. Auch mit dem Geldverdienen, meint er, sei es nicht gerade einfach bestellt, da der Kreative vieles zugleich sein müsse – Dienstleister, Handwerker und Künstler. Ein Balanceakt, der immer wieder in finanziellen Durstphasen münde.
Freiheit will dosiert sein
In der Tat mag für viele Außenstehende ein kreativer Beruf verlockend erscheinen. Derjenige, der ihn ausübt, hadert aber oft mit dem, was er tut. Aber man kann ja auch nicht anders. Denn wie schon Gabriel Garcia Marquez in seiner Autobiografie beschreibt: Ein Schriftsteller zu sein, ist eine Berufung, gegen die man sich nicht wehren kann. Wer es versuche, der werde krank. Ein Kreativer übt demnach nicht einfach einen Beruf aus; was er tut, ist eine Berufung, eine Hingabe, eine Leidenschaft. Und genau da liegt, laut Berzbach, auch einer der Knackpunkte. Für einen Kreativarbeiter kann es die in den letzten Jahren in Mode gekommene „Work-Life-Balance“ nämlich gar nicht geben. Für einen Kreativen seien die Grenzen zwischen Arbeiten und Leben eben fließend, die kreative Arbeit gestalte auch die Freizeit und umgekehrt: „Arbeit ist (...) der Ort wohldosierter Freiheit, Arbeit ist Lebensform“.
Allerdings, so Berzbach, brauche man zu seiner Arbeit eine gewisse Distanz – denn die größte Gefahr für Kreative sei, sich in der Arbeit zu verlieren, eins mit ihr zu werden. Berzbach ermuntert uns daher, unsere Rollen gedanklich „einzurahmen“: Jetzt bin ich Illustrator. Jetzt bin ich Mutter. Jetzt beste Freundin. Überhaupt spielen „Ordnen“ und „Aufräumen“ eine wichtige Rolle in Berzbachs Kreativuniversum. Er empfiehlt nicht nur Zuhause und am Arbeitsplatz nach den Maßstäben „Ehrlichkeit und Einfachheit“ aufzuräumen, sondern auch im eigenen Geist. Immer wieder kommt Berzbach daher auf „Meditation“ zu sprechen. Die nämlich reinige den Geist und mache uns wieder konzentrierter und achtsamer, was das „reale Leben“ angeht. Als Gegenpol zur – oftmals – „virtuellen“ Kreativarbeit empfiehlt er daher „erdende Tätigkeiten“ wie Sport, eine ehrenamtliche soziale Arbeit oder eine faktenorientiertere Arbeit, wie etwa Franz Kafka sie ausübte, der neben seiner Schriftstellerei als Jurist in einer Versicherung arbeitete.
Im Geist des Zen
Beachtlich ist das dritte Kapitel, das mit dem Titel „Kreativität ist eine stille Angelegenheit“ auch gleich eine These formuliert. Blickt man in die Geschichte, so haben sich große Erfinder oft zurückgezogen, um ihre Gedanken „auszubrüten“ und dann erst der Öffentlichkeit zu präsentieren. So plädiert auch Berzbach für Stille und Rückzug als wichtige Elemente im kreativen Leben, die Gemeinschaft nicht ausschließen. Allerdings seien Dinge wie „ständige Erreichbarkeit und Großraumbüros“ Gift für diesen Rückzug.
Am Ende wird klar, dass Berzbach – trotz aller Ausflüge in Philosophie und Christentum – dem Zen-Buddhismus als Rahmen für ein kreatives Leben den Vorzug gibt. Sei es mit seinem Lob der Zen-Ästhetik oder der Schulung des Geistes durch Meditation. Um hier nicht in die Klangschalen-Ecke abzurutschen, betont Berzbach, dass Spiritualität nicht zwangsläufig mit Religion oder Esoterik zu tun habe. „Stille ist nicht esoterisch“, schreibt er, „sondern ganz natürlich.“ Ganz im Sinne des Zen lädt uns der Autor dann im letzten Kapitel dazu ein, „eine Schale Tee“ zu trinken. Und zwar auf der Arbeit, als kleine Pause, ganz achtsam versteht sich, um die Gedanken wieder zu ordnen. Etwas mehr Ordnung und Reinigung hätte sicherlich auch dem Buch gut getan, dem es manchmal an Stringenz der Argumente mangelt. Alles in allem aber ein Buch, dass für jeden Kreativen etwas bereithält – egal, wie esoterisch er sein mag.
Frank Berzbach
Die Kunst ein kreatives Leben zu führen
Gestaltung: Katrin Schacke
Flexcover, 206 Seiten, Format 13,5 mal 21 Zentimeter
Verlag Hermann Schmidt, Mainz
29,80 Euro
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