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Stefan Diez

NACHHALTIGKEIT
Karten auf den Tisch

"Der Umbau unseres linearen Wirtschaftssystems hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist zweifelsfrei eine der größten Herausforderungen unserer Generation: Gleichzeitig haben Designer heute einen enormen Einfluss darauf, wie Produkte konzipiert, wo, mit was und wie diese hergestellt werden", sagt Stefan Diez. Die seiner Meinung nach wichtigsten Anforderungen an die Produktentwicklung im Rahmen des Kreislaufwirtschaftssystems hat er nun in zehn Regeln gefasst. Das Konzept der Circular Design Guidelines erklärt er uns im Interview.
von Anna Moldenhauer | 29.01.2021

Anna Moldenhauer: Stefan, warum hast du dich entschieden, die Circular Design Guidelines zu formulieren?

Stefan Diez: Irgendwann vor ein paar Jahren habe ich damit begonnen, die Prinzipien aufzuschreiben, die mir bei der Produktentwicklung in unserem Studio immer wichtiger geworden sind. Auch meine Tätigkeit an der Universität für angewandte Künste in Wien spielt dabei eine Rolle, denn was wir dort unterrichten, sollte ja möglichst nach vorne orientiert sein und darf nicht im Widerspruch stehen mit dem, was im Münchner Studio geschieht. Das führt dann fast zwangsläufig dazu, sich hauptsächlich mit Ideen zu beschäftigen, die in zehn Jahren und darüber hinaus noch funktionieren können. Wenn man aus dieser Perspektive die ökologischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen der letzten Jahre beobachtet, wird deutlich, dass Konsumgüter auf lange Sicht nur in einer Kreislaufwirtschaft funktionieren können. Die Produkte und unser Wirtschaftssystem werden sich also verändern müssen. Die Circular Design Guidelines beschreiben, was wir im Studio jetzt dazu beitragen können, diesen Umbau zu beschleunigen.

"AYNO" von Stefan Diez für Midgard

Siehst du in diesem Kontext Ansätze deiner Studenten, die dich überraschen?

Stefan Diez: Die StudentInnen bei uns in Wien beziehen sich sehr eindeutig auf das aktuelle Geschehen und werden von Themen wie Gleichberechtigung, Digitalisierung, additiver Fertigung, Robotic, Sharing Economy, Kapitalismuskritik, Klimawandel, Umweltbelastung oder eben von Gedanken zur Kreislaufwirtschaft inspiriert. Formales verliert im Kontext eines wesentlich ganzheitlicher gedachten Designverständnis an Relevanz. Die Themen dieser Generation haben vielmehr gemeinsam, dass sie komplex oder sogar widersprüchlich sind. Es braucht fundierte Recherche, wissenschaftliches Denken und Erkenntnisse aus angrenzenden Bereichen. Im Rahmen der aktuellen Semesterprojekte entsteht so zum Beispiel gerade eine Biogasanlage für das eigene Zuhause, eine Idee von Paul Pfeifer. Das gesammelte Methangas soll in die städtischen Gasnetze eingespeist und die festen Überreste zu Briketts für den Garten gepresst werden. Oder die Fermentiergefässe für das Einlegen von Gemüse im Gemeinschaftskeller von Steven Dahlinger: Hierzu laufen Experimente mit einem Keramikexperten, mit dessen Hilfe eine Masse entwickelt wird, die gasdurchlässig ist, wie man das von den koreanischen Kimchi Gefässen her kennt. Mit der Besonderheit, dass die neue Keramikmasse auch für eine industrielle Verarbeitung geeignet wäre. Von Camilla Ruh werden Algenfarmen konzipiert und von Juliane Fink Hundefutter Verpackungen aus Schlachtabfällen hergestellt. Im Roboterlabor bei Bettina Löger entstehen Polsterungen aus Wolle auf dreidimensionalen Oberflächen. Die Produktentwürfe der StudentInnen zeigen eine neue Selbstverständlichkeit, nachhaltige Lösungen in den Alltag zu integrieren. Im April werden einige Arbeiten bei einer Ausstellung im MAKK zu sehen sein.

Im Fachbereich unterstützen wir solche Ansätze der Studierenden, indem wir Experten aus anderen Bereichen hinzuziehen. Gerade läuft zum Beispiel eine Kooperation mit dem Pariser Architekturbüro CUTWORK, die sich auf den Bereich Shared Living spezialisiert haben. Oder wir bitten Experten wie den EOOS Gründer Harald Gründel, der in den letzten Jahren viel Grundlagenarbeit geleistet hat, um eine Vorlesung.

Nachhaltiges Produktdesign ist für dich kein neues Thema, du forscht seit vielen Jahren in diesem Feld und entwirfst gemeinsam mit deinem Team regelmäßig innovative Ansätze. Wie die Leuchte "AYNO" für Midgard, welche gerade den deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat. Woher kommt dein Engagement?

Stefan Diez: Ich denke, es hat sehr viel mit meinen Erfahrungen zu tun, die ich in den ersten Jahren als Designer gesammelt habe. Damals gab es eine starke Bewegung in Richtung Globalisierung und Digitalisierung. Technisch ergaben sich neue Möglichkeiten, weil CAD-Software, mit der man komplizierte Formen präzise abbilden kann, erschwinglich und leichter zu bedienen wurde. Rapid prototyping, also 3D Drucker und Fertigung mit computergesteuerten Maschinen, avancierte zum erschwinglichen Standard. Die Produktentwicklung konnte damit von DesignerInnen viel leichter mitgestaltet werden. Mit dieser Vorstellung wollte ich Ende der 2000er Jahre in der Rolle als Art Director – zusammen mit Christian Gärtner und Mirko Borsche –, das zunehmend billig in Asien gefertigte Sortiment der Marke Authentics verändern. Die Reisetasche "PAPIER" hätte der erste Schritt in die neue Richtung werden sollen. Sie besteht aus 130 Gram Tyvek, also Polyethylen, das man zusammen mit Plastiktüten über den gelben Sack hätte recyceln können. Bei Authentics wollte man diese neue Richtung nicht unterstützen, so dass unsere Zusammenarbeit schnell in die Brüche ging. "PAPIER" ist dann von Saskia Diez, also in Eigenregie, auf den Markt gebracht worden.

Parallel haben wir für Wilkhahn an dem Stuhl "CHASSIS" gearbeitet. Der Rahmen aus tiefgezogenem Stahlblech ist so konstruiert, dass darin ein Sitz aus gepresstem Hanf montiert werden kann. Der Ansatz war vielversprechend, aber die Technik zu neu, als dass Wilkhahn das Risiko hätte tragen können. Um auf deine Frage zu kommen: ich wollte damals herausfinden, wo mein Weg zwischen Gestaltung und Produktentwicklung liegt und wie sich die neuen Werkzeuge und Möglichkeiten im Sinne der aufkeimenden Debatte über Nachhaltigkeit nutzen lassen.

Worin war und ist der oft noch fehlende Mut deiner Meinung nach begründet, mehr Möglichkeiten für eine nachhaltige Produktentwicklung zu schaffen?

Stefan Diez: Wie man sich zur Kreislaufwirtschaft positioniert, ist eine grundsätzliche Entscheidung. Als wir für Magis an dem Sofa "COSTUME" gearbeitet haben, ist mir das bewusst geworden. Allein die Tatsache, dass sich ein Sofa zum ersten Mal komplett vom Kunden auseinander bauen lässt, jedes Teil einzeln ersetzt werden kann, hat bei uns im Studio einen neuen Standard gesetzt. Ein Polstermöbel, welches im traditionellen Verfahren hergestellt würde, wäre mit uns nicht mehr machbar. Wir werden unsere selbstgesteckten Regeln bei jedem weiteren Projekt immer konsequenter anwenden: In diesem Sinn ist die Leuchte "AYNO" Ende letzten Jahres gestartet, bei der die einfache Zerlegbarkeit und sortenreine Trennung der Materialien ein relevanter Aspekt ist. Anfang dieses Jahres kommt "FUNDA" für Viccarbe auf den Markt. Ein gepolsterter Stuhl, bei dem sich analog zu "COSTUME" alle Teile vom Kunden selbst austauschen lassen. Den Bezug wird man separat reinigen oder gegebenenfalls auch auswechseln können und so die Lebensdauer des Stuhls erheblich verlängern. Viccarbe arbeitet außerdem seit längerem mit der Ecoalf Foundation zusammen, die unter anderem Polsterstoffe aus Plastikabfällen herstellt, welche Fischer als Beifang aus dem Meer ziehen.

"COSTUME" von Stefan Diez für Magis

Das klingt nach ziemlich konsequentem Handeln.

Stefan Diez: Bei solchen Themen kann man nicht zweigleisig fahren. Wenn man als Hersteller oder Designer einmal gezeigt hat, dass man im Sinne der Kreislaufwirtschaft produzieren kann, wird es schwierig, den alten Teil des Portfolios zu rechtfertigen. Es bleibt fast nur die Flucht nach vorn.

"Wir hätten einen großen Einfluss, wenn wir täten was wir sollten", sagtest du bei der Verleihung des Deutschen Nachhaltigkeitspreis Design. Braucht es mehr Willen zur Veränderung in der Diskussion um nachhaltige Gestaltung?

Stefan Diez: Ich wollte mich gar nicht pessimistisch äussern, sondern zum Ausdruck bringen, dass DesignerInnen einen großen Einfluss auf die Produktentwicklung haben, der sich im Sinne der Kreislaufwirtschaft, im Sinne einer zukünftigen Generation noch viel besser nutzen ließe: Wir entwerfen und konzipieren nicht nur die Produkte in unseren Studios, sondern können auch vorschlagen, welche Materialien zum Einsatz kommen sollen, und wer und wo und wie die Komponenten hergestellt werden. Wir entwerfen also längst nicht nur eine Form, sondern legen direkt oder indirekt fest, wie ein Produkt zustande kommt. Außerdem endet unser Handlungsfeld nicht mehr beim fertigen Produkt. Vielmehr reicht unsere Verantwortung bis zur Entsorgung oder besser Wiederverwertung, denn mittlerweile sind Techniken verfügbar, um alle möglichen Materialien aus dem Müll wieder voneinander zu trennen und zu recyceln. Die Energie dafür stammt zunehmend aus Solar- und Windkraftanlagen. Und es gibt bei der ganz jungen Generation eine politische Bewegung, welche von der amtierenden Politik nicht mehr ignoriert wird. Ich denke der Wille ist da und die Möglichkeiten, damit etwas wirklich Bewegendes anzufangen, werden immer besser.

"PAPIER" von Stefan Diez für Saskia Diez

Gibt es eine konkrete Aufgabenstellung im nachhaltigen Design, die dich aktuell besonders beschäftigt?

Stefan Diez: Fast jedes der aktuellen Projekte ist für uns an irgendeiner Stelle Neuland: Oft ist das verwendete Materiel eine neue Herausforderung, sowohl in der Herstellung als auch im späteren Recyclingprozess. Teilweise sind es aber auch neue Ansätze der Produktnutzung – der unkomplizierte Austausch von Teilen mit kürzerer Lebensdauer oder ein einfacher Umbau zur Weiternutzung in einer neuen Wohnung. Außerdem spielt die lokale Produktion und die Optimierung von Transportprozessen eine wichtige Rolle. In Zusammenarbeit mit Viccarbe und der Ecoalf Foundation wollen wir beispielsweise gerade herausfinden, ob sich Plastikmüll, der aus dem Meer gezogen wird, zu Sitzschalen verarbeiten lässt. Ecoalf verwendet aus dem von Fischern gesammelten Müll bisher nur die PET Flaschen, um daraus Garne für Textilien herzustellen. Nun wollen wir versuchen, aus dem gefischten Polypropylen Stühle zu machen.

Mit HAY arbeiten wir an Konferenztischen aus Aluminium. Das verwendete Material stammt aus norwegischen Recyclinganlagen, welche ihre elektrische Energie aus Wasserkraft gewinnen. Die Tischgestelle kommen außerdem mit geringen Materialstärken aus, was sie extrem leicht macht und Material einspart. Die neuen LED-Strahler "MOD" für Sammode sind so konstruiert, dass sie lokal im firmeneigenen Werk in Lothringen hergestellt werden können. Im Gegensatz zur Fertigung in beispielsweise China sind so zum einen die Transportwege sehr kurz, zum anderen ist eine Fertigung unter fairen, demokratischen Bedingungen garantiert. Dann gibt es aber auch Projekte, die komplexer sind als anfangs gedacht und daher mehr Entwicklungsarbeit in Anspruch nehmen: Für burgbad arbeiten wir seit einigen Jahren an dem Badmöbelsystem "RGB", bei dem sich alle Teile einfach montieren, umbauen und selbst austauschen lassen. Außerdem ist es aufgrund der verwendeten Materialien vollständig wasserfest und so langlebiger als herkömmliche Badmöbel aus Holzwerkstoffen. Während des Entstehungsprozesses haben wir festgestellt, dass es nicht immer der beste Weg ist, wenn wir in der Zusammenarbeit mit dem Kunden zu früh zu viele gewohnte Prozesse verändern.

Unser aktuell vielleicht ambitioniertestes Projekt ist das Möbelsystem "D2" für Wagner. "D2" soll nämlich nicht als fertiges Möbel verkauft werden, Wagner wird nur die Verbinder dazu anbieten und Hilfestellung bei der Planung geben. Auf der einen Seite entwickeln wir dabei an einem Beschlag aus Nylon, der Wabenplatten aus Karton oder Aluminium zu den unterschiedlichsten Konstellationen miteinander verbindet, auf der anderen Seite arbeiten wir an einer Infrastruktur, die lokale Handwerker, Architekten und Kunden miteinander in Kontakt bringen soll. Die Idee ist, Transport und Lagerkosten zu optimieren, indem wir "D2" ausschließlich lokal produzieren lassen. Die Handwerker vor Ort werden später aber auch den Service und die Wartung der Möbel übernehmen. Am Ende soll durch die lokalen Betriebe ein echtes Recycling der Bauteile erreicht werden. Entwickelt wird "D2" übrigens in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Gonzalez Haase aus Berlin.

"D2" von Gonzalez Haase und Stefan Diez für Wagner

In den letzten Jahren konnte man im Handel sehr gut beobachten, wie schnell eine wachsende Nachfrage das Angebot an nachhaltigen Produkten verändern kann. Sollten sich die Konsumenten ihrer Macht mehr bewusst werden?

Stefan Diez: Es gibt viele Neugründungen, die interessante Konzepte verfolgen und die auch auf ein wachsendes Interesse beim Kunden stoßen. Die Recyclingindustrie hat große Fortschritte gemacht, speziell seit China nicht mehr unseren Kunststoffabfall abnimmt. Die etablierten Firmen sind meiner Ansicht nach aber überwiegend noch skeptisch, ob ihre Kunden den höheren Preis von wiederverwertbaren Produkten tragen würden, solange sich Produkte aus der linearen Wirtschaft parallel im Wettbewerb befinden. Solange es günstiger ist, neue Materialien zu verwenden als gebrauchte, solange es preislich keinen Unterschied macht, ob ein Produkt wirklich recycelbar ist, lange hält oder ob es unter fairen Bedingungen hergestellt wird, bleibt den Firmen und den DesignerInnen nur der bewusste Konsument als Partner. Er muss den Mehraufwand finanzieren, der letztendlich allen zugutekommt. Es sind Pioniere, gute Beispiele und umweltbewusste Konsumenten, die den öffentlichen Diskurs voranbringen, indem sie zeigen, nach welchen Regeln wir als Gesellschaft in Zukunft wirtschaften sollten. Dieser Diskurs ist unglaublich wichtig, weil es nicht um isolierte Wirtschaftsbereiche wie etwa Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Abwasserwirtschaft, Abfallwirtschaft etc. geht, sondern letztlich um alle Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft. Alles hängt in Kreisläufen untrennbar miteinander zusammen, deshalb braucht es verlässliche Rahmenbedingungen von Seiten der Politik.

Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan. In vielen Branchen gibt es bereits verbindliche Recyclingquoten, seit diesem Jahr haben wir eine CO2 Steuer, den European Green Deal, die Berichtspflicht für Unternehmen, die Verpackungsverordnung und vieles mehr. All das sind vielleicht erst kleine Schritte, aber ein Anfang ist gemacht. Für die Politik ist es keine einfache Aufgabe, den Wettbewerb fair zu halten, und das auch noch auf globaler Ebene. Aber auch hier ist bereits ein Lieferkettengesetz kurz vor der Verabschiedung. Es trägt dazu bei, dass unsere Produktverantwortung nicht erst am Werkstor beginnt, sondern dort, woher wir Rohstoffe und Produkte beziehen.

"CHASSIS" von Stefan Diez für Wilkhahn
"CHASSIS"-Sitz aus gepresstem Hanf

Hast du den Eindruck, dass bei den Herstellern bereits ein Umdenken einsetzt?

Stefan Diez: Neben wirklich wegweisenden Konzepten erfüllen viele der momentan als nachhaltig angebotenen Produkte ihre Versprechen nicht. Der Markt ist voller Greenwashing und Produkten sowie Konzepten, die gut klingen, die mit dem emotionalen Gedächtnis der Konsumenten spielen, aus angeblich recycelten Materialien bestehen oder aus irgendeinem nachwachsenden Rohstoff. Doch meist werden nur Teilaspekte der Nachhaltigkeit berücksichtigt. Wie diese Produkte am Ende wieder in den Kreislauf finden sollen, ob sie wirklich kompostierbar sind und wie ein sinnstiftendes Nutzungsverhalten aussieht, wird bisher noch selten erklärt. Das ist es, was mich momentan an dem Thema ärgert: Fehlende Ehrlichkeit, Gutgläubigkeit und Halbherzigkeit. Es wäre wichtig, dass Hersteller wie DesignerInnen hier mit offenen Karten spielen und die momentane Unsicherheit nicht für zweifelhafte Marketingzwecke ausnutzen.

Dieter Rams hat seine Überzeugung was gutes Design ausmacht 1976 ebenfalls in zehn Thesen formuliert, die als zeitlos gelten. Wie siehst du deine Statements in diesem Kontext?

Stefan Diez: Obwohl seine Regeln auch heute noch gelten, finde ich die Frage gerechtfertigt, wie man zehn Thesen zum Design aus heutiger Sicht formulieren würde. Dieters Gebote entstanden zu einer völlig anderen Zeit, in einem anderen Kontext. Damals hatte man keinen blassen Schimmer von den Möglichkeiten, die heute auf dem Tisch liegen. In der Produkte, beispielsweise per App, mit anderen geteilt werden, in der es selbstverständlich ist, dass man ein Produkt nicht besitzen muss, um es zu benutzen.

Zu einer Zeit, in der es eine Herausforderung war, einen Videorecorder zu programmieren, lag sein Augenmerk auf der Produktsprache und visueller Umweltverschmutzung, die es seiner Meinung nach zu verhindern galt. Dieters Regeln drehten sich vor knapp 50 Jahren um Produkte im Kontext der aufkommenden Wegwerfgesellschaft, zu einer Zeit, in der Ausgedientes einfach auf die Strasse gestellt wurde, um dann auf Müllhalden vergraben zu werden. Ressourcen sollten im Sinne von Umweltschutz damals vor allem sparsam eingesetzt werden. Im Kontext einer Kreislaufwirtschaft geht es hingegen nicht so sehr um das Einsparen von Ressourcen, sondern hauptsächlich darum, dass sie nicht verloren gehen. Dahinter steckt eine völlig andere Logik des Wirtschaftens.

"MOD" von Stefan Diez für Sammode

Circular Design Guidelines von Stefan Diez

1. Ein gutes Produkt bleibt lange nützlich.

Gestalte es so, dass es sich ändernden Anforderungen anpasst und so länger relevant bleibt.

2. Ein gutes Produkt ist reparierbar.

Verwende Materialien, bei denen Gebrauchsspuren nicht den Wert mindern. Konstruiere es so, dass Bauteile mit kürzerer Lebenserwartung vom Kunden selbst auswechselt werden können.

3. Lässt sich das Produkt als System gestalten?

Systembausteine oder Baugruppen können so vom Hersteller entsprechend dem technischen Fortschritt fortwährend weiterentwickelt und optimiert werden. Ein gutes Produkt lässt sich updaten und bleibt lange auf dem Markt.

4. Verwende Materialien, die einem Materialkreislauf entstammen oder die nachwachsen.

Die verwendeten Materialien dürfen sich bei der Benutzung nicht verflüchtigen oder abreiben und sind generell nicht toxisch. Die verwendeten Materialien müssen sich selbsterklärend und mit einfachen Mitteln sortenrein voneinander trennen lassen. Eine Rücknahmestation sollte für den letzten Nutzer mit geringem Aufwand erreichbar sein.

5. Bei der Herstellung, beim Gebrauch und beim Recycling von Produkten soll so wenig Energie wie möglich verbraucht werden.

Betrachte den Energie- und Ressourcen-Verbrauch über die gesamte Nutzungsdauer hinweg. Bei Produkten des täglichen Bedarfs kann sich ein hoher Aufwand bei der Herstellung durch eine tägliche Einsparung mehr als relativieren. Habe den Energieaufwand für das Recycling im Blick.

6. Gestalte das Produkt so, dass es sich platzsparend transportieren lässt.

Es lässt sich während der Herstellung, für den Transport zum Kunden, für Umzug, zur Reparatur und Recycling platzsparend verpacken. Die Verpackung schützt das Produkt zuverlässig vor Beschädigung. Die Transportwege sollen generell möglichst kurz sein.

7. Ein gutes Produkt ist innovativ und faszinierend.

Es darf komplex, aber nicht kompliziert sein. Und es belohnt seinen Benutzer durch einen konkreten Vorteil. Produkte sollen durchgehend schlüssig und ehrlich gestaltet sein, für sich sprechen und eine resonante Beziehung zu ihren Benutzern unterstützen.

8. Ein gutes Produkt wird von vielen benutzt.

Es lässt sich eventuell mieten, teilen und zurückgeben. Könnte das Produkt, oder ein wesentlicher Teil davon, Eigentum des Herstellers bleiben, der ausschließlich die Nutzung verkauft? Die Wartung und Reparatur wäre in diesem Fall Teil des Herstellerversprechens.

9. Bei der Herstellung, Wartung und beim Recycling werden Menschen in erfüllender und fordernder Weise beschäftigt.

Gute Produkte werden in Ländern gefertigt, die Minderheiten gleichberechtigt behandeln und Meinungsfreiheit garantieren. Die Gesundheit der Beschäftigten wird geschützt. Die Arbeitskräfte werden ihren Fähigkeiten entsprechend beschäftigt und fair bezahlt.

10. Ein gutes Produkt ist so wenig Produkt wie nötig.

Es besteht aus so wenig Material wie möglich. Überprüfe, ob der gleiche oder sogar bessere Effekt über einen (digitalen) Service erreicht werden kann.

Stefan Diez