Statement in Falunrot
Die Witterung in der Gemeinde Boden in Nordschweden zeichnet sich durch mittlere Temperaturen von -10 Celsius im Januar und 17 Celsius im Juli aus. Alle zwölf Monate sind geprägt durch feuchtes Wetter. Ebenso harsch wie das Klima waren die Bebauungsvorschriften für das zu planende Einfamilienhaus am Ufer des Flusses Lule: Eine maximale Gebäudehöhe von 4,2 Metern und ein rotes Dach. In ihrer nach eigener Aussage "skandinavisch-pragmatischen" Art gingen Mårten Claesson, Eero Koivisto und Ola Rune an dessen Gestaltung: Um ein zweites Stockwerk zu realisieren, griffen die Architekten auf eine Pultdachkonstruktion zurück. Mit diesem Kniff konnten sie bei einem Raumgewinn im oberen Geschoss die Vorschriften einhalten, da bei einem Pultdach nach den örtlichen Regularien für die Gebäudehöhe ein errechneter Mittelwert um das Haus gilt. Zur Flussseite hin wird der Baukörper des Wohnhauses aber nicht nur höher, sondern auch trapezförmig breiter. An einer Seite haben ihm die Architekten ein zweites, kleineres Volumen beigestellt, das die Garage und eine Sauna mit Dachterrasse enthält und dessen Pultdach in entgegengesetzter Richtung wie das Hauptgebäude in die Höhe ragt. Das Ergebnis ist ein Haus von ungewöhnlich skulpturaler Qualität, betont durch einen Komplettanstrich in schwedentypischem Falunrot. Auf diese Weise schaffen Claesson Koivisto Rune das Kunststück eines starken architektonischen Statements, das sich als Studie in Zurückhaltung entpuppt – ganz im Sinne guten skandinavischen Designs, das nach Auffassung des Trios "die Werte der Demokratie widerspiegelt."
Kennengelernt haben sich Claesson Koivisto und Rune bereits während des Architekturstudiums. Seit der Bürogründung 1995 arbeitet das Trio zusammen, entwirft multidisziplinär von Möbel- und Produktdesign für Boffi, Cappellini, Fontana Arte oder Wästberg, um nur einige zu nennen, über Interiordesign insbesondere für Hotels bis hin zu Wohnhäusern. Die Definition als Architekturbüro sei ihnen aber wichtig, betont Eero Koivisto im Interview mit dem Stylepark Magazin, denn der Raum stehe immer im Fokus. "Auch wenn wir einen Stuhl entwerfen, denken wir an einen Raum, zu dem er passen könnte." An Aufgaben im Bereich Architektur oder Design gehen die Drei dabei ähnlich heran. Auch bei einem Gebäude müsse man schließlich über "all die kleinen Details nachdenken", wie es Eero Koivisto ausdrückt. Den Unterschied machen sie daran fest, dass Architektur im Gegensatz zu Design immer an einen bestimmten Ort gebunden ist.
So nimmt das Simonsson House über seine Fassadengestaltung Bezug zu seiner Umgebung. Zahlreiche asymmetrisch über die Hauptfassade verteilte Fenster in verschiedenen Formaten lockern die strenge Form auf. Ein Effekt, der insbesondere bei Dunkelheit von außen betrachtet eine starke Wirkung erzielt. Besonderes Merkmal: jedes Fenster besteht aus einer Scheibe und einem intransparenten Element. Von innen heraus, lenken sie den Blick der Bewohner auf den Fluss. "Jede Größe und Positionierung entspricht der Innenfunktion und der besten Aussicht aus jedem Raum"", sagt Mårten Claesson. Und auch hier zeigen die Architekten wieder ihre Fähigkeit, mit einer unkonventionellen Herangehensweise aus Restriktionen einen Mehrwert zu generieren: "Das Haus stand unter einem strengen Baukostenbudget" erklärt Mårten Claesson. "Indem wir alle Verglasungen fest installierten – bei großen Formaten ist das viel kostengünstiger als zu öffnende Fensterflügel – konnten wir erhebliche Einsparungen erzielen." Zum Lüften öffnet man die unverglasten, schmaleren Rahmen. Seite an Seite zusammengefügt, werden sie optisch Teil derselben "Fenster"-Einheit.
Bewohnt wird Simonsson House das ganze Jahr über von einer vierköpfigen Familie. Der Bauherr betreibt eine lokale kleine Firma, die Wildfleisch verkauft, eine Spezialität dieser nördlichen Region. Seine Frau arbeitet im örtlichen Museum. Zwei Vorschulkinder, ein Elektroauto, ein Schneemobil - eine ganz normale Familie aus der Gegend. Dementsprechend haben Claesson Koivisto Rune den Grundriss angelegt: Im Erdgeschoss eine große, offene Wohnküche mit Essplatz und Kochinsel, dazu drei Schlafzimmer, ein Bad und ein Hauswirtschaftsraum. Letzterer kann dank direktem Zugang vom Windfang auch als "Stiefelraum" genutzt werden – unerlässlich in einer von häufigen Niederschlägen gezeichneten Region. Im Obergeschoss vervollständigen das Elternschlafzimmer mit begehbarer Ankleide und angeschlossenem Bad sowie der Wohnbereich auf der Galerie das Raumprogramm. Passend zum zurückhaltenden Äußeren, präsentiert sich das Hausinnere äußerst aufgeräumt. Zahlreiche Einbauschränke in Küche, Hauswirtschaftsraum und den Schlafzimmern schlucken alle Utensilien der Bewohner. Vor diesem ruhigen Hintergrund kommen Materialien und Details umso besser zur Geltung. Besonderes Augenmerk gebührt hier der Treppe. Deren Geländer nimmt die Schrägen der Pultdächer auf und erinnert in seiner sorgfältigen Ausführung an japanisches Design.
Tatsächlich hatten sowohl Mårten Claesson als auch Eero Koivisto und Ola Rune während ihres Studiums ein Stipendium für Japan und lernten die dortige Kultur kennen. Laut Eero Koivisto teilen Skandinavier und Japaner dieselben Design-Werte: Es gehe um Understatement, darum, "nicht zu sehr zu protzen, Dinge zu entwerfen, die unaufdringlich sind und lange halten." Das 220 Quadratmeter große Simonsson House wurde 2022 für den "Rödfärg" Preis nominiert, benannt nach jener roten Farbe, die für die nordische Architekturästhetik so zentral ist und die auf Abfallprodukte aus der Falu Kupfermine zurückgeht. Die Pigmente für das berühmte Falunrot wurden ursprünglich aus Gesteinsresten und eisenhaltigen Erzen hergestellt und mit Wasser, Mehl und Leinöl gemischt. Die Naturfarbe ist bekannt für ihre hervorragenden Holzschutzeigenschaften. Noch heute wird sie als "Falu Rödfärg" in der Mine produziert. Wenn man durch das ländliche Schweden fahre, könne man den Eindruck gewinnen, es sei immer noch Vorschrift, Häuser in Falunrot zu streichen, bemerkt Mårten Claesson. Dem sei nicht so. "Doch die Schweden lieben diese Farbe, sie ist zu einer Art Markenzeichen geworden. Und als Kontrast zum Grün unserer Wälder funktioniert sie immer noch wunderbar."