05.02.2014
Uta Abendroth: Herr Werner, einen Möbeltypus neu erfinden, ist das der Traum eines jeden Designers?
Christian Werner: Na ja, was heißt schon neu erfinden? „Prado“ – auf Deutsch Wiese – trägt unseren veränderten Lebensgewohnheiten Rechnung. Ich habe beobachtet, wie wir zu Hause als Familie das Sofa benutzen. Dabei ist mir aufgefallen, dass wir es heute vielfältiger und lässiger benutzen, als das früher der Fall war. Wir sitzen nicht mehr so aufrecht, sondern lassen uns gerne in die Kissen sinken. Wir nehmen die Füße mit auf die Polster und wollen dafür keinen separaten Fußhocker. Und da wir immer mehr Dinge auf das Sofa direkt mitnehmen, brauchen wir auch gerade da viel Platz.
Also haben Sie so ziemlich alles weggelassen, was ein Sofa sonst auszeichnet?
Weglassen ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck. Ich habe „Prado“ einfach freier gedacht: Keine fixierten Rücken- und Armlehnen, dafür flexibel positionierbare Polster, die den Benutzer dazu einladen, sich selbst die ideale Position einzurichten. Egal welche Proportionen man hat, ob man eher groß oder klein ist, der Komfort ist durch die Variabilität für alle gleich. Und das Sofa funktioniert für die verschiedensten Altersgruppen.
Ohne die Kissen wirkt das Sofa fast wie ein schwebender Futon.
Ja, „Prado“ hat tatsächlich etwas Schwebendes. Die übergroße Sitzfläche gibt es in zwei Maßen: 200 x 100 Zentimeter beziehungsweise 240 x 120 Zentimeter. Die extreme Tiefe lädt dazu ein, sich auf dem Sofa gewissermaßen „einzurichten“. Aber die Maße bringen noch einen anderen Aspekt mit sich: „Prado“ eignet sich – sogar in der kleineren Variante – als Gästebett. Das war zwar nicht mein eigentliches Thema, sondern dieser Zusatznutzen hat sich eher en passant ergeben. Aber so ein Möbel erweist sich eben gerade da als praktisch, wo kein Platz für ein Extra-Gästezimmer ist. Es gibt keine vertrackte Technik, die ja manchmal eine gewisse Hemmschwelle bei Schlafsofas darstellt. Und den nötigen Liegekomfort, auch wenn man mal ein paar Nächte hintereinander auf dem Sofa schläft, garantiert die durchgängige Auflage.
Wie ist das Sofa denn aufgebaut?
Es handelt sich um einen dreistufigen Aufbau: da sind die Metallkufen, dann eine tragende Struktur, die nach unten angeschrägt ist, um den schwebenden Charakter zu unterstützen, und obendrauf die einteilige Polsterauflage.
Und die Kissen, die als Rückenlehne dienen?
Auch die sind dreiteilig aufgebaut: Das Formteil ist aus Schaumstoff, dann gibt es einen stabilisierenden Inneneinsatz aus Metall mit elastischen Gurten und schließlich die Komfortauflage mit Gänsefederfüllung in Kammern.
Wie steht es denn da mit der Stabilität und Praktikabilität?
Ich habe mit meinem Modellbauer experimentiert, experimentiert, experimentiert... Wir haben unterschiedliche Materialien, verschiedene Formen und alle möglichen Kombinationen ausprobiert. Und später haben dann auch die Modellbauer von Ligne Roset viel Energie und ihr ganzes Know-how in die Entwicklung gesteckt. Jetzt ist es so, dass die Rückenlehnen gleichermaßen durch ihr eigenes Gewicht sowie dank einer rutschfesten Beschichtung auf der Unterseite auf der Sitzfläche gehalten werden. Selbst bei großen Menschen oder viel Gewicht ist keinerlei Befestigung nötig. Toll finde ich, dass man die Kissen auch auf dem Boden benutzen kann, da kommt sozusagen noch eine Dimension hinzu. Das machen meine Kinder oft: Sie drehen die Kissen dann allerdings um, finden die Neigung auf der Rückseite perfekt, um darauf zu liegen und Fernsehen zu gucken.
War „Prado“ denn ein Auftrag von Ligne Roset, weil der Firma etwas Derartiges in ihrem Portfolio fehlte?
Nein, in diesem Fall ist nicht Ligne Roset an mich herangetreten, sondern ich habe mich mit meinem Entwurf an Michel Roset gewandt. Nachdem ich das Modell fertig da stehen sah, habe ich gedacht, dass das eben zu diesem Unternehmen und seiner Kollektion passen könnte. Ich habe Bilder von „Prado“ an Michel geschickt und innerhalb von ein paar Stunden hatte ich eine Antwort von ihm. Ich habe dann den Prototyp nach Frankreich geschickt und dort ist weiter daran gearbeitet worden.
Sie haben noch Extras dazu entworfen.
Ja, die Tische „Oda“. Der kleinere ist eher so ein Beistelltisch, der größere ein Couchtisch. Beide haben die entsprechende Höhe, dass sie sich ein Stück weit über die Auflage schieben lassen. Auch hier war der Gedanke, dass die Möbel mitziehen müssen in Sachen neue Medien und veränderte Gewohnheiten.
Was mögen Sie denn besonders an Ihrem Entwurf?
Ich mag es, dass es im herkömmlichen Sinne keine Vorder- oder Rückseite bei „Prado gibt und dass das Sofa sogar am besten frei im Raum steht.
Sie haben „Prado“ bei sich zu Hause im Wohnzimmer stehen. In was für einer Version?
Wir haben die größere Variante mit einem grauen Stoffbezug. Meine Frau sagt, dass das Sofa so ein bisschen was von einem Mies van der Rohe-Entwurf habe. Je nach Stoffqualität und -farbe wirkt „Prado“ sehr unterschiedlich.
Haben Sie das Sofa denn gelegentlich auch mal für sich?
Morgens, wenn alle aus dem Haus sind. Dann mache ich es mir darauf mit einem Kaffee und einer Zeitung gemütlich – ich könnte dort den ganzen Tag verbringen.
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