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Solitäre, Saphire und ein Strudelkönig
Von Thomas Edelmann | 25.04.2014
Im Mittelpunkt der Mailänder Neuheiten rund ums reinigende Nass, wenn auch nicht auf dem Salone del Bagno, sondern im Showroom von Axor/Hansgrohe: Die offene Kristallglasarmatur „Starck V“ von Philippe Starck. Foto © Adeline Seidel, Stylepark

Küchen und Bäder sind gleichermaßen im Begriff, überlieferte Grundrisse aufzulösen. Geht es nach den Herstellern von Badeinrichtungen, wird das Bad zunehmend vom Funktionsraum für äußere Abwaschung zur individuellen Wohlfühlzone. Anders als die Küchen, deren Marken und Produkte auf der Mailänder Messe wie in den Schauräumen des Fuori Salone in der Stadt räumlich großzügig arrangiert sind, werden Bäder in Mailand in diesem Jahr meist kompakt inszeniert. Wie neue Badwelten mit der Wohnung verwachsen, bleibt dabei der Fantasie überlassen. Die Branche bietet überwiegend Einzelprodukte, die immer modularer konzipiert und gestaltet sind. Nach Neuheiten muss man zwar nicht mit der Lupe suchen, aber Überraschungen, was neue Konzepte und Strategien angeht, sind eher selten.

Fünf Jahre Forschungsarbeit für das neue Material „Saphir Keramik“ des Schweizer Herstellers Laufen: Konstantin Grcic (linkes Bild) sowie Toan Nguyen (rechts) haben daran Gefallen gefunden. Fotos © Laufen

Auf dem Salone del Bagno zeigt der Schweizer Keramikhersteller Laufen Ergänzungen der Co-Brand-Programme „Il Bagno Alessi One“ von Stefano Giovannoni und „Kartell by Laufen“ von Ludovica und Roberto Palomba. Einen Höhepunkt und eine Ausnahme bilden die Inszenierungen von Toan Nguyen und Konstantin Grcic, bei denen das neue Material „Saphir Keramik“ zum Einsatz kommt. Bereits bei der Badkollektion, die gemeinsam mit Kartell entwickelt wurde, kam es zum Einsatz. Fünf Jahre Forschungsarbeit des Schweizer Traditionsunternehmens stecken in der Materialinnovation. Durch Beimischung von Aluminiumoxid wird es möglich, mit deutlich feineren Wandstärken und Radien zu arbeiten als bei herkömmlicher Keramik. Auch Härte und Festigkeit der „Saphir Keramik“ sind deutlich besser. Aus dem Verarbeitungsvorteil ergeben sich zudem ein geringeres Gewicht der Badkeramik, geringerer Rohstoffverbrauch, weniger Energieeinsatz in der Produktion und geringere Transportkosten. Nguyen betont, das Material werde die Verarbeitung von Badkeramik künftig stark verändern. Der in Mailand ansässige Designer hat ein Waschbassin entworfen, das in einem dunklen Raum aufrecht hängend an der Wand angestrahlt wird. Das wirkt etwas banal, da die Finessen des Entwurfs erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Grcic präsentiert seine Entwürfe in einer hellen Werkstatt-Atmosphäre. Er entschied sich gegen vordergründige minimalistische Effekte: Seine zum Teil asymmetrischen Badobjekte leben von unterschiedlichen Ebenen, feinen Übergängen und funktionalen Mustern. Bis zur nächsten ISH in Frankfurt sollen aus den Prototypen serienreife Produkte werden.

Grenzenloses Badevergnügen: Kaldewei präsentiert das „Meisterstück Centro Duo Oval“ aus Stahl-Email mit einer fugenfreien emaillierten Verkleidung. Foto © Kaldewei

„Meisterstücke“ gibt es künftig nicht nur als noble Schreibgeräte, sondern auch zum Baden. Möglich macht es moderne Fertigungstechnik im Zusammenspiel mit handwerklicher Präzision beziehungsweise Kaldewei. Für die freistehende Badewanne „Meisterstück Centro Duo Oval“ aus Stahl-Email in einer Stärke von 3,5 Millimetern wird eine fugenfreie emaillierte Verkleidung verwendet. Während freistehende Wannen längst schon in Wohnräume wandern, ermöglicht die rutschhemmend emaillierte Duschfläche den fugenlosen Übergang zwischen Dusche und umgebender Badarchitektur. Axor/ Hansgrohe präsentiert seine Duscharmaturen auf der Messe mit geneigten Displays, die Produkte erklären und auf Knopfdruck Wasser spenden, ohne den Besucher nass zu machen. Die Produktvielfalt der Duschsysteme „Water Dream“ von Front und „Lamp Shower“ von Nendo auf dem Messestand wirkt aufgrund dieser Displays etwas labyrinthisch. Wie die Produkte räumlich wirken, bleibt eher angedeutet – mehr Platz ist im neuen Showroom in der Via Durini, den sich Axor mit Porro teilt, leider nicht. Im Mittelpunkt steht hier „Starck V“. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich nicht etwa die Einführung eines neuen Designkönigreichs. Vielmehr steht „V“ für Vortex und damit für einen kleinen Wirbelsturm. Dieser wird in der offenen Axor-Kristallglasarmatur von Philippe Starck entfacht. „Eine Revolution, ein Minimum, etwas völlig Transparentes“, lässt der Designer vernehmen. „Starck V“ kann man abnehmen und in der Spülmaschine reinigen. Zusätzlich zur Version in Chrom oder Hochglanz-Weiß bietet die Axor Manufaktur besondere Oberflächen wie Nickel gebürstet oder für den Korpus sandgestrahltes Kristallglas an.

Dezente Pracht: Dornbracht-Armaturen „Cyprum“, auf der Basis von 18-karätigem Feingold mit echtem Kupfer. Foto © Thomas Edelmann

Dornbracht stellt seine neue, verfeinerte Version der Armatur „MEM“ vor. Armaturenkörper und Hebeldesign wurden proportional angepasst und technisch optimiert. Die Armaturen lassen sich nun besser mit den elektronischen „Smart Water“-Bedienelementen kombinieren. Zugleich wurde eine neue galvanische Oberfläche „Cyprum“ auf der Basis von 18-karätigem Feingold mit echtem Kupfer gezeigt, dessen Roséton die puristischen Formen anreichert. Eine vergleichsweise dezente Art, minimalistisches Design mit sichtbarer Prachtentfaltung zu verschmelzen. Zumindest im Moment ist dies eine einzigartige Oberflächenvariante in einem Marktsegment, in dem sich innovative Unternehmen wie Dornbracht schnell mit Kopisten konfrontiert sehen.

Nur für Kaltduscher: „Wazebo“ von Ludovica und Roberto Palomba für Kos – daneben Duscharmatur „Closer“ von Diego Grandi für Zucchetti. Fotos © Thomas Edelmann, Zucchetti

Auf dem Messestand von Zucchetti/Kos wird endlich einmal eine architektonische Umsetzung von Ideen fürs Bad deutlich. Da ist etwa ein wandbefestigtes Element mit Gegengewicht und verschiedenen Drehpunkten. „Closer“ von Diego Grandi für Zucchetti sieht aus wie eine Leuchte, womöglich aus den 1950er Jahren. Doch weit gefehlt, es handelt sich um eine verstellbare Duscharmatur. Der junge Designer Grandi greift in manchen seiner Entwürfe auf Rhomben zurück wie sie Gio Ponti liebte und antwortet auf eine Frage, mit welchen beiden Personen er gern bei einem fiktiven Projekt zusammen arbeiten würde: „Mit George Perec und Max Bill“. Grandi gründete 2002 sein eigenes Studio in Mailand, er nimmt ironisch und spielerisch auf die gestalterische Moderne des 20. Jahrhunderts Bezug. Seinen Namen sollte man sich schon einmal merken.

Diese Namen sind schon länger geläufig, was internationales Baddesign italienischer Herkunft anbelangt: Ludovica und Roberto Palomba. Ihre Neuheiten zusammenzufassen, bedürfte es eines eigenen Beitrags. Ein eher beiläufiges Produkt, das sie entworfen haben, ist „Wazebo“ für Kos. Es tritt aus den Räumen des Messestandes heraus, denn es ist eine offene Duschkabine für draußen. Ein modulares Rohrgestänge, eine hölzerne Duschplattform mit integrierten Kopfbrausen, wahlweise einzeln oder doppelt, ein paar Ablagen, ein Wasseranschluss: fertig! Die Designer hätten mit ihrem Entwurf ein Camping-Idyll heraufbeschwören können. Tun sie aber nicht. Stattdessen zeigen sie einen gut proportionierten Gebrauchsgegenstand. Allerdings ist der wohl nichts für Warmduscher: Zur Wasserversorgung dient ein Gartenschlauch.

Zum Liebhaben: „Kangeri“ von Satyendra Pakhalé für den italienischen Hersteller Tubes ist ein fahrbarer Radiator. Foto © Tubes

Wem es allein schon bei dem Gedanken fröstelt, der wende sich an Tubes. Der Hersteller von Heizkörpern aller Art und Form, hat „Kangeri“ von Satyendra Pakhalé zum Leben erweckt. Das ist ein tragbarer, genauer ein rollbarer Radiator. Auf Fotos sieht er aus wie eine frühe Computermaus, doch das Gerät hat größere Dimensionen. Das Innenleben des elektrischen Wärmespenders besteht aus recyceltem Aluminium und einem feinen handwerklich gearbeiteten Griff aus Eichenholz, an dem er bewegt werden soll. „Kanger“ nennen die Nomaden Nordindiens Gefäße, die sie mit Glut befüllt als bewegliche Wärmespeicher unter ihren traditionellen Gewändern tragen. Designer Pakhalé interessiert sich beim Entwurf von Objekten nicht allein für den praktischen Gebrauch sondern auch für die symbolische Dimension von Gegenständen. So geraten seine „Kangari“ auch: Es sind häusliche Gefährten, angesiedelt irgendwo zwischen Schaukelpferd, Spielgefährte und abstraktem Objekt.

Symbolische, wenn nicht kontemplative Dimensionen hat auch die „Ishiburo collection“ aus Marmor von Kengo Kuma für Salvatori. Man muss im seitlichen Flügel der Via Solferino 11 bis ins oberste Geschoß steigen, um zu der Badewanne, dem Bassin und der Wanddusche von Kuma vorzudringen. „In heißes Wasser einzutauchen, das von einem Stein umgeben wird“, behauptet der Architekt, „empfinden Menschen sofort als angenehm“. Die äußere Hülle von Kumas Badobjekten besteht aus ausgesuchten Marmor-Stäbchen, was das Mitgefühl für diejenigen, die hier Steinmassen vor und nach der Messe bewegen mussten, nur unwesentlich beeinträchtigt.

Kontrastreich: „DueC“ des Architekten Victor Vasilev für Boffi. Foto © Boffi

Nebenan im selben Gebäude zeigt Boffi nicht nur Küchen, sondern auch Elemente fürs Bad. Zum Beispiel das Waschbeckensystem „DueC“ des Architekten Victor Vasilev. Es besteht aus einem weißen Corian-Becken und einem damit seitlich verbundenen Fach aus schwarzem Paperstone – einem Material, das aus recyceltem Papier hergestellt wird. Das Ensemble wirkt durch Kontrast und den Eindruck, als bildeten Becken und Ablage einen einheitlichen seitlich geöffneten Körper.

Gleichzeitig in mehreren Positionen von mehr als einer Person lässt sich die organisch geformten Badewanne „Drop“ von Agape nutzen, die Benedini Associati entworfen hat. Bis zu drei Menschen können darin gleichzeitig baden. Sie besteht ebenso wie das „Drop“-Waschbecken aus Cristalplant bio-based, einem Verbundwerkstoff aus Aluminiumhydroxid und pflanzlichen Harzen. Wer sich ins Kundenbad im obersten Geschoss des Agape-Showrooms in der Via Statuto begibt, der kommt fast in Versuchung nicht nur die Tür hinter sich zu schließen, sondern den Staub des heißen Frühlingstags mit einer erfrischenden Dusche abzuspülen. Selbst Badeschlappen stehen bereit. Aber nein, das wäre eine verwegene Idee, dann lieber zurück auf die Straße, in die nächsten Showrooms zum Bad in der Menge der Möbel- und Designbegeisterten in Mailand.

www.alessi.com
www.kartell.it
www.kaldewei.de
www.hansgrohe.de
www.dornbracht.com
www.zucchettikos.com
www.tubesradiatori.com
www.salvatori.it
www.boffi.com
www.agapedesign.it

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„Drop“ von Benedini Associati für Agape. „Kartell by Laufen“ von Ludovica und Roberto Palomba. Fotos © Agape, Kartell by Laufen
Oki Sato von Nendo hat auch fürs Bad (Scavolini) ganz viel „Ki“ entworfen. Foto © Scavolini
Schlichte Schönheiten: Grcics „Saphir Keramik“ für Laufen und „Xetis“ von Kaldewei. Fotos © Laufen, Kaldewei