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Solarökonomie in Indien
von Bertsch Georg-Christof | 03.08.2011

„Als könnte man erneuerbare Energie nur dann entwickeln, wenn staatliche Subventionen sprudeln", poltert Deepak Gadhia, Chef und Gründer von Gadhia Solar Energy Systems in reinstem Deutsch. Er wischt sich mit dem Taschentuch Schweiß von der hohen Stirn, während er den Druck eines Biogasbehälters prüft. Gadhia ist indischer Marktführer im Bereich solarthermisch betriebener Großküchen für Tausende von Mahlzeiten. In der größten Anlage am Shirdi Tempel werden 50.000 Mahlzeiten pro Tag zubereitet. Gadhia beliefert Kunden aus dem Gesundheitswesen, der staatlichen Verwaltung sowie zahlreiche Großtempel, an denen von wohltätigen Organisationen Essen an Arme ausgegeben wird.

„Wieso", meint Deepak Gadhia, „sollte die Aircondition einer Hightech-Krebsklinik bei 45 Grad Außentemperatur nicht mit Solarthermie und Wärmetauschern betrieben werden?" Bewundern kann man dieses Exempel im Ashram Muni Seva in Gujarat. „Warum sollten Bauern die Tagesdungproduktion ihrer Kuh mit vier Prozent Brennwert verkokeln, wenn Sie für diese Menge bei Gadhia drei Kilogramm Biogas eintauschen könnten, das einen Brennwert von 46 Prozent hat?" Die entsprechende Anlage ist gerade im Bau. Dreihundert Testkühe sind bereits fleißig am Wiederkäuen. Bauern liefern in den Morgenstunden karrenweise zusätzlichen Dung an.

Während wir Deutsche uns im Kreis drehen – mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, dem Ausstieg aus dem Ausstieg und dem ultimativen Ausstieg – hat sich in Indien eine vitale Grassroots-Szene der erneuerbaren Energien entwickelt. Sie wird angetrieben von, ja: in Deutschland ausgebildeten Ingenieurdesignern. Deepak hat in den späten siebziger Jahren an der Technischen Universität Berlin studiert und im Anschluss mit seiner kürzlich verstorbenen Frau Shirin erste kleine Solarkocher entwickelt. Shirin bemühte sich damals mit ihrer NGO, den ländlichen Holzeinschlag für Küchenfeuer zu reduzieren. „Mit der im Übermaß strahlenden Sonne kochen, statt die wenigen Bäume umhacken, das war mein bescheidenes Ziel." sagte sie. Es ist, zumindest in ihrem direkten Umfeld, gelungen. Deepaks Solarkocher wurden unterdessen immer größer, das Anwendungsgebiet von Solarthermie stets breiter. Neben Solarküchen entstanden Solarbäckereien, nach sonnenbetriebenen Meerwasserentsalzern sogar Solarkrematorien.

Der Ashram Muni Seva betreibt eine Krebsklinik, die auf internationalem Niveau Chemo- und Strahlentherapie für zahlungskräftige Privatpatienten aus der Stadt anbietet, aber auch – kostenlos – für die arme Landbevölkerung. Ein Sozialwerk erster Güte. Hierher kam Deepak aufgrund der Krebserkrankung seiner Frau. Das Hospiz Muni Seva konnte ihr eine gewisse Lebensverlängerung schenken, während Deepak der Klinik eine regenerative Energieversorgung vom Feinsten einrichtete. Er trat schließlich als einer der sieben Vorstände dem Ashram bei, der heute unter der Leitung des Geschäftsführers Vikhram Patel knapp achtzig Millionen Euro Jahresumsatz generiert. Eintausendzweihundert Menschen leben auf dem 104 Quadratkilometer großen Gelände. Ein Musterbeispiel, wie experimentelle Technik, wenn man sie nur lässt, sowohl extrem effizient und kostengünstig, als auch höchst innovativ sein kann. Zur Überbrückung des nächtlichen Energiebedarfs reicht ein großer mit Holzpellets befeuerter Dampfkessel für den Stromgenerator. Die Pellets werden aus landwirtschaftlichen Zuckerrohrabfällen vor Ort mechanisch gepresst.

Pranay Gupta, Leiter des Business Incubators am Indian Institute of Management, war begeistert: „So etwas wie diesen Ashram habe ich noch nie gesehen. Das Hospiz ist nicht nur technisch, sondern auch unternehmerisch eine beeindruckende Konstruktion: ertragreich, hoch effizient, sozial. Ein echter Innovationstreiber". Beispiele dieser Größenordnung sind in Indien rar, aber sie dienen den vielen kleinen Ashrams, NGOs und Sozialwerken als Modell, sowohl in ökonomischer als auch in technischer Hinsicht. Sie sind variantenreiche Modelle für eine grundlegende Verschiebung im Gefüge von Ökonomie, Forschung und Produktion.

Wer nach Konzepten für erneuerbarer Energieproduktion fahndet, der sollte nicht nur in Europa suchen, sondern auch im indischen Bundesstaat Gujarat, inmitten von biodynamisch bebauten Äckern.

www.gadhia-solar.com

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