Bücher über und zum Thema Design haben es besonders schwer. Man misst sie nicht nur am Inhalt, sondern auch an ihrer Form. Lautet der Untertitel dann auch noch „Intelligente Oberflächen und ihre Anwendung in Architektur und Design", erwartet der Leser sogleich ein Feuerwerk an Innovation und Bildgewalt, sollte Dreidimensionalität aus den Seiten sprudeln und tief in sie mitreißen. Die Publikation „Smart Surfaces" von Thorsten Klooster (*1966), der an der Technischen Universität Berlin Architektur studierte und 2001 sein eigenes Büro gründete, widmet sich dem Thema der Oberflächen(technologien). „Das Buch möchte zur Gestaltung neuer Hüllen anregen" - heißt es im Vorwort der Birkhäuser Publikation, die neue Werkstoffe und deren Anwendungspotenziale vorstellt. Beim ersten Durchblättern der 184 Seiten wird die Form zum Thema: Unterschiedliche Schriften und Schriftgrößen, eine dominierende Bold-Version in den Bildunterschriften und Projektbeschreibungen, eine rechtsseitig zur Mitte platzierte Seitenzahl sowie eine auch für Augen mit ± Null Dioptrien nahezu unleserlich kleine Literaturangabe auf zwei Seiten lassen einen zunächst skeptisch die Stirn runzeln. Textverläufe sind breit und sowohl an Kopf- wie auch an Fußzeile stark an die Ränder der Seiten gedruckt, was in einigen Teilen einen Buchstaben- und damit einhergehend auch einen gefühlten Informationsüberfluss erzeugt. Eingeschobene Schwarzweiß-Bilder, mal im Kleinformat als Link und Doppel zu den farbigen Bildtableaus, mal in größerem Format als technische Erläuterungen, ergänzen die Erklärungen ebenso wie Fußnoten und Zitate, die als eigene Textbausteine eingefügt sind. Der Aufbau soll Querverweisen folgen: Einleitend werden auf 48 Seiten farbige Bilder zu den Oberthemen des Buches gezeigt. „Nano", „Energie", „Licht", „Klima" und „Information" lauten die Schlagworte, die sich später in den Kapiteln wieder finden. Einige Bilder sind gruppiert, andere stehen für sich allein - und jedem wird in der Bildunterschrift das entsprechende Schlagwort zugeordnet. Manche Fotos besitzen einen Querverweis auf das Register „Projekt" am Ende des Buches, in dem auf das jeweilige Anwendungsgebiet oder auf konkrete Ergebnisse und Produkte verwiesen wird. Dem Thema „Oberflächen" wird eingangs in einem kurzen Diskurs Rechnung getragen, indem unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen der Oberflächenintelligenz angesprochen werden, unter anderem auch mit Verweisen auf Jean Baudrillard, Roland Barthes und Werner Sobek. Im Anschluss folgen die jeweiligen Oberthemen, die zunächst in einem „Diskurs", danach als „Technische Erläuterungen" behandelt werden, wobei die Grenze manches Mal fließend ist, beispielsweise wenn der Autor im Kapitel „Nano" auf Nanotubes oder Buckyballs verweist, die „bei der Konzeption selbstheilender Werkstoffe als Träger von Reparaturmaterialien eine Rolle" spielen. Da sich der Fokus auf die (bau-)technische Anwendung in Architektur und Design richtet, werden die potenziellen Risiken beziehungsweise Risikoklassen der Nanotechnologie für den Menschen (den Nutzer von Architektur und Design) hier nicht explizit erwähnt, sondern es wird auf Quellenliteratur, beispielsweise von Nils Boeing, verwiesen - was bedauerlich ist, gerade weil in vielen Köpfen die Aussage, Nanoröhren seien das neue Asbest, ebenso fest verankert ist wie die strittigen Diskussionen um deren toxische Wirkungen im Körper. In allen Kapiteln werden sowohl Verweise auf Abbildungen als auch auf Erläuterungen auf andere Oberthemen gegeben, was den Lesefluss immer dann stört, wenn, wie im Kapitel „Information Diskurs", auf einen Satz gleich vier Verweise folgen, und die einzelnen Schlagworte nicht in einem umfassenden Register aufgelistet werden. Die aufbereiteten Themen sind alle intensiv geschrieben, fundiert recherchiert und, wenn man so will, auf Multitasking-Ebene miteinander vernetzt. Thorsten Klooster, der von 2001 bis 2007 an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus unter anderem im Bereich Neue Materialien mit dem Schwerpunkt funktionale Oberflächen forschte, hat ein Fachbuch geschrieben, das mehr als einen Überblick über die vorhandenen (Oberflächen-)Technologien gibt, sondern sie darüber hinaus äußerst wissenschaftlich erläutert. Problematisch ist der Startpunkt des Wissensfeuerwerks: Wo hole ich welchen Designer und Architekten ab? An welchem Punkt ist die Darstellung der Materialien und Oberflächen zu intensiv, der Sog, bis ins kleinste Detail gehen zu müssen, so groß, dass man das große Ganze aus dem Auge verliert? Die Möglichkeit, sich inspirieren zu lassen und der bereits sehnlichst erwartete Einblick in konkrete Projekte - und damit verbunden ein Transfer in den konkreten Alltag von Gestaltern -, all das findet man erst am Ende in einem zwanzigseitigen Exkurs. Klooster, Thorsten
Fazit: Ein wunderbares Buch für Ingenieure, fachlich Versierte und an tief greifenden Informationen Interessierte; als Überblickswerk und Inspirationsquelle ist es zu detailliert.
Smart Surfaces - Intelligente Oberflächen und ihre Anwendung in Architektur und Design
Birkhäuser Verlag
2009; 184 Seiten
EUR 44,90
Smart Surfaces – von der Form zum Inhalt und zurück
von Silke Gehrmann-Becker | 24.10.2009