Designer der Träume
Die Visualisierung in 3D ist in Design und Architektur ein beliebtes Werkzeug: Räume und Gebäude lassen sich mit dem Computergrafikprozess mittlerweile so realistisch gestalten, dass sie kaum von Fotografien zu unterscheiden sind. Mittels VR-Brillen und Green Screens können wir die digitalen Welten wie reale Umgebungen erleben. Das Designstudio Six N. Five, von Ezequiel Pini im Jahr 2014 in Barcelona gegründet, nutzt die digitale Technik, um ihrer Fantasie bei der Kreation keine Grenzen setzen zu müssen. Dabei suchen sie ihre Inspiration mehr in der Kunst- als in der Designgeschichte: Rationale Regeln oder die Funktion der gezeigten Objekte und Räume sind als Kategorisierung nicht gefragt, die vermeintliche Realität wird überspitzt, perfektioniert und ins phantastische verkehrt. Im Ergebnis wirkt die konstruierte Wirklichkeit wie der Eintritt in das unterbewusste, träumerische Ich. Der Name "Six N. Five" stammt hingegen noch aus ganz realen Zeiten, in denen Ezequiel Pini und sein Team als festangestellte Grafikdesigner arbeiteten: "Um 6:05 Uhr kamen wir meist von der Arbeit nach Hause und begannen unsere eigenen Designs zu entwerfen. Zudem fanden wir es einfach schön, wie diese Zahlenkombination aussieht", erzählt er.
Das fremde Schöne
Die Entwürfe von Six N. Five zielen auf Ästhetik – ihre Kulissen sind von einer makellosen, fragilen Schönheit, die sich meist in sanften Farben zeigt: "Pastel Colors sind in der DNA des Studios", so Ezequiel Pini. Die fremde Schönheit, die einen Augenblick in einem Traum festzuhalten scheint, löst ein beruhigendes Wohlgefühl beim Betrachter aus. Das keine Lebewesen in ihren Entwürfen zu sehen sind, lässt dem eigenen Vorstellungsvermögen und der emotionalen Verbindung zu ihren Werken umso mehr Raum: "Wir schaffen Szenerien, die Menschen dazu einladen, mit ihrem Verstand zu navigieren, sie zu erforschen und mit ihrer Fantasie zu füllen", so Pini. Alltagsobjekte, wie ein Stuhl oder ein Bett, regen dabei unsere kognitive Fähigkeit der Wiedererkennung an und geben dem digitalen Bild eine reale Größe. Wie nahtlos die digitalen Zwillinge realer Objekte mit den künstlichen Welten von Six N. Five verschmelzen können, zeigen ihre Arbeiten für Großkonzerne wie Rimowa, Samsung, Laufen oder Nike: Vom Koffer über den Turnschuh bis zur die Sanitärkeramik betten Six N. Five die Produkte so homogen in den digitalen Flow ein, dass man im Ergebnis kaum noch wahrnimmt, dass es sich um Werbung handelt. Den kreativen Prozess starten Ezequiel Pini und sein Team ohne Trockenübung direkt am Computer: "Zuerst fertigen wir eine grobe Illustration mit geometrischen Elementen an, die wir dann Schicht für Schicht perfektionieren, bis zum Hinzufügen von Schatten und Staub", erklärt der Grafikdesigner. Und fügt an: "Die Darstellung in 3D gibt uns nicht nur die Möglichkeit die Traumbilder festzuhalten und zu wiederholen, sondern sie zu perfektionieren."
Reale Träume
Das die digitale Welt an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design nicht irreal bleiben muss, daran arbeiten Six N. Five bereits: Anfang des Jahres haben sie neben der Kreation des Konzepts, der Art Direction und dem Setdesign zum ersten Mal auch ein Interiordesign selbst entworfen. "Holo-Scandinavian" heißt die Möbelkollektion aus Prototypen. In Zusammenarbeit mit dem Designer Artur de Menezes mischte das Designstudio hierfür die klaren Linien und organischen Formen von Mid-Century Entwürfen mit einer guten Portion holografischem Glamour. Dem Auftakt sollen weitere analoge Produkte folgen: "Wir werden definitiv weiterhin den größten Teil unserer Zeit in der digitalen Welt verbringen. Parallel wollen wir nun ein neues Feld erschließen: Die Welt der echten Dinge, die man mit allen Sinnen wahrnehmen kann. In den nächsten Monaten werden wir dazu einige Neuigkeiten veröffentlichen.", so Eziquel Pini.