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Zeichen seiner Zeit

Das Senckenbergquartier in Frankfurt am Main von cma cyrus moser architekten ist überwiegend fertiggestellt.
von David Kasparek | 19.01.2022

Das Senckenbergmuseum in Frankfurt am Main ist schon seit Generationen einer der großen Sehnsuchtsorte von Kindern im Südhessischen. Grund dafür sind die wunderbaren Exponate in Gänze, vor allem aber die eindrücklichen Dinosaurier-Skelette. Die schiere Größe dieser versteinerten Kolosse hat manch Kind den Kopf in den Nacken legen und beim Anblick zwischen wohligem Schauer und beeindruckter Überdrehtheit schwanken lassen. Welch imposante Geschöpfe müssen das im echten Leben gewesen sein?

Ebenfalls von kolossaler Erscheinung war der AfE-Turm, der bis zu seiner Sprengung 2014 jenseits der südlich des Museums verlaufenden Robert-Meyer-Straße stand. Das 1972 fertiggestellte Hochhaus – ein Entwurf von S. Werner und Heinrich Nitschke – beherbergte Seminar- und Verwaltungsräume der Goethe-Universität. Mit seinem massigen außenliegenden Betonskelett polarisierte der Turm sowohl in der Stadtgesellschaft wie in der Fachwelt. Die Tatsache, dass der Bau nicht erhalten, ertüchtigt und womöglich umgenutzt wurde, gilt als einer der entscheidenden Gründungsmomente der Initiative SOS Brutalismus, die in einer bemerkenswerten Ausstellung im Deutschen Architektur Museum und einem feinen Katalog mündete.

"BOOOM" von Thomas Gessner, Sprengung des AfE-Turms im Jahr 2014

Ein international ausgeschriebener Wettbewerb brachte in der Folge den Entwurf des Frankfurter Architekturbüros cma cyrus moser architekten als Siegerprojekt für die Neubebauung des Areals hervor. Die ArchitektInnen legten ein Ensemble an, das auf dem Plan als eine Art stadträumliches Scharnier zwischen der in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Senckenberganlage und einer noch eher gedachten denn gelebten Wegeverbindung zu den Gebäuden der Goethe-Universität fungiert. Die drei Baukörper mit zwei Hochhaustürmen auf unterschiedlich breiten Sockelbauten und einem sechsgeschossigen Bau an der Straßenecke nehmen die Blockränder auf und öffnen sich polygonal eingeschnitten ins Blockinnere. Die Maßnahme, nicht etwa die nordöstliche Blockecke mit einem Hochpunkt zu besetzen, irritiert zunächst, erklärt sich aber in der Höhenentwicklung entlang des Straßenzugs gen Süden, wo sich die Bebauung von den historischen Universitäts- und Museums-Bauten hin zu den Hotel- und Büro-Türmen an der Ludwig-Erhard-Anlage in die Höhe staffelt.

Eine Kindertagesstätte ist noch im Entstehen, fertig sind der sechsgeschossige Bauteil 21 West, das Bürohochhaus Senckenbergturm und das mischgenutzte One Forty West, das neben Wohnungen auch ein Hotel aufnimmt, und für das cma cyrus moser architekten eine Arbeitsgemeinschaft mit der Dietz Joppien Planungsgesellschaft eingegangen sind, die für die Leistungsphase 5 verantwortlich zeichnet. Den Namen der drei Baukörper merkt man nun schon das tatsächliche Problem dieses eigentlich sauber durchgestalteten Projekts an: Es ist von und für den Immobilienmarkt. Da mögen sich die ArchitektInnen mit Wegebeziehungen und dem Versuch, die "renditeträchtigen Flächen" noch so sehr im Stadtraum zu verzahnen, abmühen – man sieht dieser Architektur an, warum sie entstanden ist.

Nun war Architektur immer auch eine Möglichkeit, Geld anzulegen. Dass Projekte ihre Schuldigkeit aber getan haben, wenn sie vor oder während der Bauphase durch die ErstentwicklerInnen verkauft wurden, ist ein Phänomen der jüngeren Vergangenheit. Die beteiligten ArchitektInnen haben ihr Möglichstes versucht, haben gemeinsam mit der Lindner Group ein anspruchsvolles Fassaden und Balkonmodul für die Wohneinheiten des One Forty West entwickelt, im Innern sind zudem zeitgenössische Innenräume sowohl durch die Ippolito Fleitz Group als eine Musterwohnung von Sebastian Herkner entstanden. Während der Senckenbergturm ähnlich wie das 21 West eine stark vertikale Fassade aufweist, deren Gliederung unregelmäßig viele, aber stets mindestens zwei Geschosse überspielt, bildet das Äußere des One Forty West seine verschiedenen Nutzungen deutlich ab. Eine mit Stahlelementen bekleidete Pfosten-Riegel-Konstruktion umschließt die unteren 23 Etagen des Hotels, darüber wickeln sich in zwei Spiralen die Balkonmodule um die 16 Etagen der insgesamt 93 Miet- und Eigentumswohnungen bis hinauf zum Turmabschluss. Etwas schwer lastet dieser auskragende Turmhelm auf dem darunter liegenden Bauteil, der ob seiner Fassadengestaltung kein rechter Sockel sein möchte.

Die drei Baukörper sind städtebaulich ebenso genau gesetzt, wie im Detail präzise gestaltet und ausgeführt. Eine Aussage dazu, was Architektur im Anthropozän sein könnte, aber treffen sie nicht. Für die AuftraggeberInnen wird das Projekt wie kalkuliert funktionieren, welchen Beitrag Architektur für Ressourcenschutz, den Erhalt der Artenvielfalt oder andere zeitgenössische Probleme jenseits eines freidrehenden Immobilienmarkts leisten könnte, bleibt hier einmal mehr offen.