Vintage-Möbel erzielen heutzutage hohe Sammlerpreise. Für alle, die zwar an einem bestimmten Stuhl, Tisch oder Sofa interessiert sind, aber weder große Summen investieren wollen noch dem Charme des in Würde Gealterten verfallen sind, gibt es Reeditionen, die designhistorische Entwürfe einem größeren Kreis an Menschen zugänglich machen. Von einer „Reedition“ spricht man, wenn ein Entwurf nach einer Pause wieder hergestellt wird. Meist geht der Entscheidung, ein Produkt wieder aufzulegen, ein längerer Prozess voraus, in dem Fragen wie diese geklärt werden: Ist ein Produkt gestalterisch relevant? Passt es in ein zeitgenössisches Interieur? Wie sieht es mit den Lizenzen aus? Lebt der Designer noch, gibt es Erben oder eine Stiftung? Sind historische Modelle als Vorlagen verfügbar, ergänzt durch technische Zeichnungen und Materialmuster? Wie verkaufte sich das Produkt seinerzeit und warum wurde es aus dem Programm genommen?
Kritisch wird es, wenn ein Entwurf aktualisiert werden muss. Sofern die Lizenzgeber involviert sind, gelten die Anpassungen gemeinhin als legitimiert. So mag es bei vielen Produkten inzwischen verbesserte Herstellungsmethoden geben, was besonders dann gilt, wenn ursprünglich Kunststoffe verwendet wurden, die sich in Produktion und Nutzung mittlerweile als problematisch herausgestellt haben. Teilweise hat sich in den letzten Jahrzehnten aber auch das Nutzungsverhalten geändert, beispielsweise die Neigungswinkel der Lehnen bei Sitzmöbeln. Auch Anpassungen der Dimensionen tauchen häufiger auf; einerseits werden die Menschen oft größer, andererseits richten sich Hersteller vermehrt auch an Kinder. Vergleichsweise einfach lassen sich Farben und Oberflächen ändern; entweder sie präsentieren sich besonders zeitgemäß, ja modisch, oder betont historisch. Zudem machten in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Outdoor-Versionen von sich reden.
Zu den frühen Reeditionen gehören die Bauhaus-Möbel von Marcel Breuer, die Dino Gavina 1962 aufgelegt hat. Inzwischen lässt sich die Anzahl der Reeditionen kaum noch beziffern. Schon die schiere Menge lässt darauf schließen, dass sich darunter nicht nur erstklassige Entwürfe, sondern auch Zweit- und Drittklassiges befindet. Was sicher auch daran liegt, dass lohnende Lizenzen aktuell vergeben sind – die meisten mindestens. In einigen Fällen mögen äußere Umstände bislang eine Wiederauflage verhindert haben. Womöglich mussten erst noch die Urheberrechte geklärt werden, die Möglichkeiten der technischen Umsetzung haben sich inzwischen verbessert oder der Nachlass eines Designers wird überhaupt erst vollständig erschlossen.
Wie dem auch sei, es lohnt sich, einen Blick auf jene Reeditionen zu werfen, die in jüngster Zeit vorgestellt wurden. Darunter befinden sich einzelne Entwürfe, von denen bisher zwar Prototypen existieren, die jedoch noch nicht seriell produziert wurden. Cassina beispielsweise präsentierte die Regale und Schränke „Nuage“ und die Hocker „Berger“ und „Méribel“ von Charlotte Perriand. e15 legte eine Möbelkollektion von Ferdinand Kramer auf. Ligne Roset produziert weitere Sitzmöbel und einen Teppich von Pierre Paulin. Molteni führt Einrichtungsgegenstände von Gio Ponti aus den Jahren 1935 bis 1957. Verpan bietet ergänzend einen Stuhl, Tische, eine Leuchte und einen Spiegel von Verner Panton an – und Vitra kooperiert mit G-Star und erhöht die Zahl der Reeditionen von Jean Prouvé.
Fast schon spektakulär ist die Reedition von „Nuage“, das in den 1950er Jahren entworfen und bis 1970 von Steph Simon verlegt wurde. Über die Pariser Galerie trafen sich Charlotte Perriand und Jean Prouvé und begannen miteinander zu arbeiten. Nachdem Händler in den 1980er Jahren auf das „Nuage“ aufmerksam wurde, änderte sich die Zuschreibung der Urheberschaft. Damals hatten Entwürfe von Prouvé einen höheren Sammlerwert als die von Perriand. So entwickelte sich schließlich ein Rechtsstreit über mehrere Instanzen, der zu Gunsten von Charlotte Perriand ausging. Damit war es Cassina möglich, zusammen mit der Tochter Pernette Perriand-Barsac, die Reedition von „Nuage“ anzugehen. Hier handelt es zweifellos um eine Reedition, auf die Designkenner lange gewartet haben. – Bei dem Auktionshaus Wright wurde im Juni 2012 übrigens ein „Nuage Bibliothèque“ für 152.000 US-Dollar versteigert.