SALONE DEL MOBILE 2017
Sprungbrett: Jungdesigner zwischen Mut und Mode
Dass der Salone Satellite eine gute Gelegenheit ist, junge Talente zu entdecken, führte die Sonderausstellung zum 20-jährigen Bestehen anschaulich vor Augen. Der Kurator Beppe Finessi hatte für die Jubiläumsschau inzwischen etablierte Designer eingeladen, in der Fabbrica del Vapore noch einmal jene Möbelstücke auszustellen, die sie einst beim Salone Satellite präsentiert hatten. In einem Hochregal stand etwa die Scheibenleuchte "Colour" des Norwegers Daniel Rybakken, die e15 mittlerweile im Programm hat. GamFratesi waren mit ihrem "Masculo"-Stuhl vertreten, mit dem sie bei Gubi Erfolge feiern. Und Edward van Vliets Deckenleuchte "Chalice" konnte man nicht nur hier, sondern auch bei Moooi in der Via Savona bewundern.
Aktuell die Spreu vom Weizen zu trennen, ist trotzdem keine leichte Aufgabe, allein schon, wenn man bedenkt, dass beim diesjährigen SaloneSatellite 650 Jungdesigner ihr Können an mehr als 200 Ständen unter Beweis stellen wollten. Erleichtert wurde dies in diesem Jahr immerhin durch die neue Ausstellungsarchitektur: Versetzt angeordnete Messestände verliehen den Objekten der Jungdesigner im Vergleich zu den vergangenen Jahren eine stärkere Einzelpräsenz.
Überraschende und starke Stücke, die bereits ausgereift sind, gab es, wie so oft, nur wenige. Allen voran zeigte die Dänin Mette Schelde, wie dies mit vier Solitären gelingen kann – einer Deckenleuchte aus gebogenen Metallscheiben, einer kugelförmigen Mini-Bar, einem gepolsterten Drehstuhl in sanft-geschwungener Form sowie einem expressionistisch anmutenden Kerzenständer. Bisweilen wurde man an die eleganten Objekte einer Eileen Gray erinnert. Dass sich ihre Entwürfe deutlich vom Gros des Gezeigten abheben, hat sicher auch etwas damit zu tun, dass Schelde Architektur studiert hat und längst keine Unbekannte mehr ist, hat sie doch schon mit Firmen wie Skagerak, Please wait to be seated und Bang & Olufsen gearbeitet.
Ein anderer Newcomer, der sich womöglich bald auch außerhalb der Sonderschaufläche der Mailänder Möbelmesse behaupten wird, ist Pierre-Emmanuel Vandeputte. Seine Objekte haben Witz und fordern den Nutzer heraus. Während man in den vergangenen Jahren auf einen Hochsitz klettern oder sich in einer textilen Schale verstecken konnte, erfindet der Belgier nun tatsächlich das Schlafen im Stehen. Wie bitte? Genau! "Paradosso" ist so etwas wie eine vertikale Liege, die man wie eine Leiter aufstellen kann. Auch wenn man sich nicht wirklich vorstellen mag, wie man darauf schlafen soll, so stellt sich durch das leichte Zurücklehnen doch in der Tat ein Gefühl der Entspannung ein.
Besonders stark vertreten waren in diesem Jahr junge Talente aus Asien. Allerdings nicht mehr nur vornehmlich aus Japan, sondern auch aus China, Taiwan oder Korea. Dabei konnte man feststellen: Ihre Herangehensweise scheint stärker durch die Traditionen ihrer Kultur geprägt zu sein, als das bei ihren Mitstreitern aus Europa der Fall ist. So lassen Hyung-Moon und Joo-Young Kim aus Seoul althergebrachte koreanische Möbelfertigungstechniken in ihre Projekte einfließen. Herausgekommen ist unter anderem ein schlichter Hocker, der aus drei kleine Massivholz-Platten besteht, die man mittels Nut-und-Feder-Verbindung nur ineinanderstecken muss. Edmond Wong, ein junger Architekt aus Hong Kong, entwickelt Produkte aus eigenen Bedürfnissen heraus. So sind auch seine "Fitnitures" entstanden – Möbel, die eine Fitnessgeräte-Funktion besitzen, dabei aber auch schön anzuschauen sind – etwa eine Stehleuchte mit einem Gymnastikball als Diffusor oder eine Bank, auf der man dank Kopfstütze Sit-ups trainieren kann. Die Idee ist allerdings nicht mehr ganz neu, hat die Industrie dieses Thema doch längst für sich entdeckt, wie man auf der letzten Orgatec sehen konnte.
Festgehalten werden muss aber auch: Eine ganze Reihe von Nachwuchs-Designern verliert sich im Dekorativen und entwirft eine Art von "Hipsterdesign", das mit Pastellfarben, hellem Holz oder schwarzem Metall skandinavisch-brav daherkommt. Solche Dinge sind eben nur nett, wurden schon oft gesehen und sind am Ende zu beliebig. Auch Maciej Chmara und Ania Rosinke vertreten diese Richtung, ziehen ihre Sache aber so konsequent durch, dass man für die beiden aus Polen stammenden Designer doch mehr übrig hat als nur ein müdes Lächeln. Mittlerweile in Wien ansässig, entwerfen sie Schmuck, Wandobjekte, Stühle, Tische und Teppiche – eigentlich alles, aber stets auf der Grundlage eines markanten, sehr eigenen Spiels mit Geometrien. Man würde sich nicht wundern, wenn man ihre Entwürfe in angesagten Concept Läden wie Urban Outfitters oder &Other Stories wiederfinden würde, kann man sie doch durchaus als modisch bezeichnen. Nicht zufällig haben die beiden bereits mit der H&M-Tochtermarke COS kooperiert.
Die Veranstaltungen des Fuorisalone waren in diesem Jahr um eine Talente-Plattform reicher: Im Rahmen des vom Rat für Formgebung ausgelobten Wettbewerbes "ein&zwanzig" stellten 21 Nachwuchsdesigner in einer Halle in der Zona Tortona aus, in der Eva Marguerre und Marcel Besau die einzelnen Objekte thematisch im Stil von Moodboards arrangiert hatten. Damit, so erklärte Eva Marguerre, würden sie ein Ambiente schaffen, dass in Zeiten von Social Medias besonders medienaffin sei. Gleich zweimal konnte man dort Entwürfen von Lisa Ertel begegnen – einer Studentin von Volker Albus an der HFG Karlsruhe. Das Thema "tragbare Leuchte" hatte sie mit ihrem Design-Partner Jannis Zell clever umgesetzt. Ihre stempel-förmige Leuchte schaltet man aus, indem man sie einfach auf den Kopf stellt. Man hätte ihr und den anderen Newcomern allerdings eine bessere Location gewünscht als in einer etwas abseits gelegenen Halle in der Zona Tortona. Beinahe hätten wir sie nicht gefunden.